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Kita der Schwulenberatung BerlinRechte Bedrohung gegen Kita

Wegen Aufrufen die Eröffnung einer LGBTQ-Kita zu stören ermittelt die Polizei. Die Schwulenberatung verweist auf den großen Zuspruch für das Projekt.

Protest der Jungen Alternative gegen die Kita: Wer kümmert sich um seine Kinderssele? Foto: dpa

Berlin taz | Bevor die Kita Rosarote Tiger nächste Woche ihren Betrieb aufnimmt, soll gefeiert werden: ein Festakt mit Reden und Tanzen am Freitag, gefolgt von einem Tag der Offenen Tür für die Nachbarschaft am Samstag. Aufgrund der akuten Bedrohungslage allerdings wird ein Securitydienst vor Ort sein; auch die Polizei ist alarmiert; der Staatsschutz des Landeskriminalamts hat nach Informationen der taz Ermittlungen eingeleitet.

Grund dafür ist ein Aufruf, der im Netz und auf der Straße verbreitet wird: „Pädo-Kita stören“ – so ist ein Flyer überschrieben, der am Rande einer rechtsextremen und verschwörungsideologischen Demo am Tag der deutschen Einheit im Lustgarten verteilt wurde – auch an die taz. Darin heißt es: „Pädophile versuchen, die gesellschaftliche Akzeptanz für Schwule, Lesben und Transgender auszunutzen, um sich Zugang zu Kindern zu verschaffen!“ Aufgerufen wird, sich per E-Mail für die Veranstaltung anzumelden. Auf Telegram verbreitet der rechtsreligiöse Youtuber Matthäus Westphal („Aktivst Mann“) auf seinem Kanal mit 29.000 Abon­nen­t:in­nen selbiges.

Woran sich die Rechtsextremen stören: Die Kita ist ein Projekt der Schwulenberatung Berlin – eine Regenbogen-Kita, die dafür sorgen will, „dass Kindern ihre natürliche Abwesenheit von Vorurteilen erhalten bleibt“, wie es in der Selbstbeschreibung heißt. Eine erste Kita mit demselben Konzept – Gelbgrüne Panther – war in den Nachbarräumen im „Lebensort Vielfalt“, einem Mehrgenerationenhaus für Angehörige der LGBTQ-Community, bereits im Mai eröffnet worden. 45 Kinder werden hier in der Nähe des Bahnhofs Südkreuz in Schöneberg bereits betreut. Ebenso viele sollen nun hinzukommen.

Jörg Duden, Sozialpädagoge bei der Schwulenberatung und Mitentwickler des Kita-Konzepts, sagt der taz: „Wir sind nicht in totaler Unruhe, aber sensibilisiert“. Die Befürchtung sei, „dass sich jemand Zutritt verschafft und randaliert“. Mit einem regulierten Zugang, womöglich auch Taschenkontrollen, versuche man aber, dem zu begegnen. Dass sich einzelne rechtsextreme oder fundamental christliche LGBTQ-Gegner:innen gegen das Projekt aussprechen, mache ihm keine Angst, so Duden. Eine angemeldete Demo gegen ihre Feierlichkeiten gebe es nicht.

Alle Plätze sind vergeben

Vor knapp einem Jahr war es vor dem Haus der Schwulenberatung zum Protest gekommen, organisiert von der AfD-Jugend Junge Alternative. Deutlich mehr Menschen hatten sich dem entgegengestellt. Duden spricht von einem „riesigen Zuspruch für das Projekt“, nicht nur durch die Nachbarschaft, auch von den Behörden. Alle Kita-Plätze sind vergeben. Auf der Eröffnungsfeier werden die Grünen-Politikerin Renate Künast, der Staatssekretär für gesellschaftlichen Zusammenhalt Oliver Friederici (CDU) und Wirtschaftsstaatssekretär Michael Biel (SPD) sprechen. Feierlich gehisst werden soll die Regenbogenfahne.

Die Kitas sind landesweit die ersten ihrer Art. In ihnen arbeiten vor allem Erzieher:innen, die selbst Teil der Community sind. Das Angebot steht für alle Kinder offen, unabhängig davon, aus welchen Familienformen sie kommen.

Die Geg­ne­r:in­nen des Projekts instrumentalisierten die Vergangenheit eines ehemaligen Vorstands des Trägervereins. Rüdiger Lautmann war vor einem Jahr durch einen Bild-Artikel als Pädophilie-Verfechter in die Kritik geraten; seine verharmlosenden Positionen aber waren schon früher Gegenstand von Diskussionen. Lautmann war niemals mit der Kita verwoben und ist nach dem Artikel von seinem Amt zurückgetreten.

Korrektur: Rüdiger Lautmann sagt, er habe sich niemals „für die Abschaffung des Straftatbestands eingesetzt, der den sexuellen Missbrauch von Kindern verbietet“. Diese Passage ist daher gelöscht.

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2 Kommentare

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  • Ich bin selbst schwul und Vater, aber ich verstehe auch nicht, wieso es zu den Aufgaben einer "Schwulenberatung" gehören sollte, eine Kita zu betreiben. Dass man Kinder möglichst vorurteilsfrei erziehen sollte ist klar, dass eine solche Organisation dazu beitragen kann Erzieher und Eltern für solche Themen zu sensibilisieren, etwa im Rahmen von Fortbildungen, kann ich mir auch gut vorstellen, aber was bitte soll eine "LGBTQ-Kita"?

  • "Medien, Reichelt und JA wiesen dabei darauf hin, dass im Vorstand des Trägervereins der Schwulenberatung Rüdiger Lautmann aktiv war. Der Mann hatte vor über 40 Jahren gefordert, Kindesmissbrauch aus dem Strafrecht zu streichen. Vor fast 30 Jahren publizierte er das umstrittene Buch „Die Lust am Kind. Portrait des Pädophilen“. Nachdem Medien über Lautmanns Vergangenheit berichteten, legte der 86-jährige Jurist und Soziologe sein Vorstandsamt im Trägerverein nieder."

    Vielleicht ging es den Rechten um dieses Thema?