Analyse zur UN-Generalversammlung: Die unvereinten Nationen
Die UN-Vollversammlung offenbart, wie gespalten die Weltgemeinschaft aktuell ist. Das hat viel mit Russland zu tun. Wie kann eine Lösung aussehen?
Die einen sehen die Vereinten Nationen als Bund aller Staaten der Welt zur Lösung gemeinsamer Probleme. Dafür gibt es Konventionen und Beschlüsse für so ziemlich alle Dimensionen des globalen Zusammenlebens, von Kinderschutz bis Klimaschutz.
Die anderen sehen die Vereinten Nationen als Bund aller Gegner von Faschismus und Aggression zur Verteidigung von Freiheit und Sicherheit. Dafür gibt es den UN-Sicherheitsrat und die Chartas zur Wahrung von Völkerrecht und Menschenrechten.
Im Laufe der Jahrzehnte ist diese zweite Dimension immer schwächer geworden. Kaum jemand nimmt es den USA noch ab, wenn sie Lektionen über Demokratie und Nichteinmischung erteilen. Umgekehrt ordnet Russland alle völker- und menschenrechtlichen Grundsätze seiner Machtpolitik unter und erntet damit Applaus von starken Männern in schwachen Staaten.
Man darf nicht vergessen, dass die UNO im Kampf gegen Faschismus entstand. Den Begriff „Vereinte Nationen“ prägten 1942 die Weltkriegsalliierten USA und Großbritannien im Kampf gegen Hitler zusammen mit der Sowjetunion. In ihrer ersten gemeinsamen Erklärung verwiesen sie auf die Atlantik-Charta von 1941 mit dem Bestreben, „dass nach der endgültigen Vernichtung der Nazi-Tyrannei ein Frieden geschaffen werde, der allen Völkern erlaubt, innerhalb ihrer Grenzen in vollkommener Sicherheit zu leben, und der es allen Menschen in allen Ländern ermöglicht, ihr Leben frei von Furcht und von Not zu verbringen“ – ein bis heute unerreichtes Ziel, dessen Erreichen damals ausdrücklich mit dem vollständigen militärischen Sieg gegen Hitlers Deutschland verknüpft wurde.
Die Forderung der Ukraine nach einem Ausschluss von Putins Russland aus der UNO steht in der Tradition dieses UN-Gründungsgedankens. Aber sie ist unvereinbar mit dem Gedanken, dass die UNO alle Länder der Erde zusammenbringen soll.
Ohne eine Lösung dieses Konflikts hat die UNO keine Zukunft. Er ist nicht zu lösen, solange Russland weiter gegen die Ukraine Krieg führt. Dort müssen diejenigen ansetzen, die sich eine gemeinsame Lösung globaler Probleme wünschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen