UN-Sicherheitsrat zum Ukrainekrieg: Selenskyj fordert Reformen

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat der UN-Sicherheitsrat 50 mal zum Thema getagt – ohne Lösung. Das möchte Selenskyj angehen.

Wolodymyr Selenskij sitzt in grünem Hemd an einem Tisch des UN-Sicherheitsrats, vor sich ein Mikrofon

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht vor dem UN-Sicherheitsrat Foto: Craig Ruttle/ap

NEW YORK taz | Die Charta der Vereinten Nationen macht deutlich, welche herausragende Stellung der UN-Sicherheitsrat besitzt. Der Auftrag des Gremiums ist klar definiert und lautet: die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Doch wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer außerordentlichen Sitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen am Mittwoch kritisierte, kommt er dieser Funktion in seiner aktuellen Zusammensetzung nicht nach. Es braucht deshalb Reformen.

Selenskyj beklagte sich vor allem über das Vetorecht, welches sowohl Russland als auch die vier anderen ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates besitzen. „Das Vetorecht in den Händen des Angreifers, das ist es, was die UN lahmlegt“, sagte der Staatschef der Ukraine.

Er plädiert deshalb nicht dafür, dass Russland das Vetorecht entzogen wird, sondern auch für eine Erweiterung des Sicherheitsrates um Länder wie Deutschland und die Einführung eines Mechanismus, damit das Vetorecht eines Landes überstimmen werden kann. Selenskyj unterbreitete den Vorschlag, dass dies durch eine Zweidrittelmehrheit in der Generalversammlung geschehen könnte.

„Jeder in der Welt kann sehen, was genau die UN unwirksam macht“, erklärte er.

Warum Selenskyj zuerst sprechen durfte

Neben seiner Kritik am UN-Sicherheitsrat fand Selenskyj auch klare Worte für Russland, das er als einen „Terroristen-Staat“ bezeichnete. „Der Großteil der Welt kennt die Wahrheit über diesen Krieg. Es ist eine kriminelle und unprovozierte Aggression Russlands gegen unsere Nation, mit dem Ziel, ukrainisches Land und Rohstoffe zu erobern“, sagte Selenskyj.

Der Auftritt des ukrainischen Präsidenten im Sicherheitsrat wurde im Vorfeld mit Spannung erwartet. Es war das erste Mal seit Beginn des Krieges im Februar 2022, dass Selenskyj direkt auf russische Diplomaten traf. Die Tatsache, dass der russische Staatschef Wladimir Putin nicht in New York anwesend war, machte dabei keinen großen Unterschied.

Und die Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Von russischer Seite gab es gleich zu Beginn der Sitzung eine Beschwerde über die Reihenfolge der Redner. Der russische UN-Botschafter Vassily Nebenzia wollte wissen, warum ausgerechnet Selenskyj, obwohl die Ukraine kein Sicherheitsrat-Mitglied sei, am Anfang sprechen darf.

Der albanische Premierminister Edi Rama, der als Vorsitzender die Sitzung führte, unterbreitete daraufhin Moskau einen Vorschlag: „Wenn Sie zustimmen, den Krieg zu beenden, dann wird Präsident Selenskyj keine Ansprache halten“.

Im UN-Sicherheitsrat hat es seit Kriegsbeginn bereits mehr als 50 Sitzungen zum Thema Ukraine gegeben. Eine Lösung konnte der Rat, auch aufgrund des russischen Vetorechts, bislang nicht präsentieren. UN-Generalsekretär António Guterres wiederholte zum Auftakt der Sitzung erneut, dass die Invasion der Ukraine durch russische Truppen eine „klare Verletzung der UN-Charta und des internationalen Rechts“ sei. Er warnte zudem, dass der Krieg die „geopolitischen Spannungen und Spaltungen vertiefe, die regionale Stabilität gefährde und die atomare Gefahr erhöhe“.

Der UN-Generalsekretär plädierte wie auch Selenskyj für eine Reform des Sicherheitsrates, damit dieser die Anforderung der modernen Welt auch bewerkstelligen kann. Die Unfähigkeit des Sicherheitsrates in Bezug auf den Ukraine-Krieg eine Lösung zu finden, zeigt sich auch daran, dass die überwältigende Mehrheit der 193 UN-Mitgliedsländer die Invasion Russlands bereits mehrfach offiziell verurteilt haben und Russland trotzdem eine Sicherheitsrats-Resolution nach der anderen missachtet.

Scholz warnt vor Scheinlösung

Der russische Außenminister Sergej Lawrow, der erst eintraf, nachdem Selenskyj den Raum bereits verlassen hatte, beschuldigte den Westen, allen voran die USA, die Vereinten Nationen für ihr Ziel zu missbrauchen. Lawrow warf dem Westen einen „Überlegenheitskomplex“ vor. Er beklagte sich auch über Frankreich und Deutschland, die, wie er behauptet, das Minsk-Abkommen vernachlässigt hätten.

Bundeskanzler Scholz, der dem ganzen Spektakel im Weltsicherheitsrat beiwohnte, fand in seiner Rede deutlich Worte an den russischen Präsidenten.

„Der Grund dafür, dass das Leid in der Ukraine und überall auf der Welt andauert, ist erschütternd einfach: Russlands Präsident will seinen imperialistischen Plan zur Eroberung seines souveränen Nachbarn, der Ukraine, umsetzen“, sagte Scholz, der als letzter im Sicherheitsrat zu Wort kam.

Wie schon am Dienstagabend während seiner Rede vor der UN-Vollversammlung warnte Scholz vor einer Scheinlösung des Konflikts. „Frieden ohne Freiheit ist Unterdrückung. Frieden ohne Gerechtigkeit ist ein Diktat“, sagte er.

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