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Proteste gegen LNG-Terminal auf RügenRobert Habeck muss zurückrudern

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Die Proteste auf Rügen gegen das LNG-Terminal lenken den Blick auf ein überflüssiges, ökologisch gefährliches Projekt. Und auf die Rolle der Grünen dabei.

Symbolische Kletteraktion: Klima-Aktivist*innen bestiegen auf Rügen Rohre der geplanten Pipeline

E s ist keine leichte Aufgabe, die sich die Kli­ma­ge­rech­tig­keits­ak­ti­vis­t:in­nen von Ende Gelände gestellt haben: Die Verhinderung eines Infrastrukturprojekts, das laut Bundesregierung unverzichtbar für die deutsche Energiesicherheit ist. Das LNG-Terminal vor Rügen und die dazugehörige Pipeline, um die es hier geht, machen mit ihrer Lage auf und unter dem Wasser zudem den direkten Protestzugriff fast unmöglich.

Ende Gelände hat mit seinem Protest am Samstag zumindest ein ausdrucksstarkes, wenn auch symbolisches Bild geschaffen: Im Hafen von Mukran erklommen die Ak­ti­vis­t:in­nen Rohre für die 50 Kilometer lange Pipeline, die derzeit durch den Greifswalder Bod­den gelegt wird. Geschaffen haben sie damit ein Bild, das man genau betrachten sollte – vor allem die Grünen um ihren Minister Robert Habeck, der für die Pläne verantwortlich ist.

Beim genaueren Hinsehen zeigt sich: Der Bau der Pipeline durch das hochsensible Ökosystem Bodden – aufgrund des LNG-Beschleunigungsgesetzes ohne Umweltverträglichkeitsprüfung – ist eine ökologische Katastrophe, die unter normalen Umständen niemals genehmigt worden wäre. Ganz zu schweigen von den Störungen für Mensch und Natur, die das Terminal, das flüssiges Frackinggas regasifizieren soll, mit sich bringen wird. Aber normal war die Situation nicht, als Deutschland sich aus der Belieferung mit russischem Erdgas befreite und den Ausbau riesiger LNG-Kapazitäten in Angriff nahm; schließlich drohten Gasmangel und ein kalter Winter.

Nur: Das gilt nicht mehr, wie eine jüngste Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung beweist. Die Speicher sind voll. Der LNG-Ausbau wird Überkapazitäten produzieren, die dann in den Export gehen – die Gasindustrie jubelt über dieses Geschenk. Auf der Strecke bleibt die Klimaneutralität bis 2045. Die Grünen stehen mit dem Festhalten an der damaligen Entscheidung auf der falschen Seite der Geschichte. Doch noch ist es nicht zu spät zurückzurudern.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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8 Kommentare

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  • Ja, Habi hat es geschafft, die Grünen Werte zu konterkarieren und die CDU rechts zu überholen. Toll Habi, ich wähle die "Grünen" nie wieder.

  • Problem ist die Blockierung einer Standorts auf Rügen für den Import Grünen Wasserstoffs durch neue Erdgasinfrastruktur.

    Die klimaschädigender Verbrennung des Erdgases ist das weitaus größere Problem als die paar Rohre im Bodden. Rohrleitungen benötigt man auch für Grünen Wasserstoff.

  • Nur müssen wir von dem Dreck schnellstens wegkommen.



    Daß bestehende Heizungen repariert werden können, ist vorläufig in Ordnung, nur ... sehenden (und besser wissenden) Auges den Neuerwerb neuer Öl- und Gasbrenner zuzulassen, ist purer Schwachsinn.



    Demzufolge gibt es dann solchen Umweldfrevel.



    Die Leute müssen weg davon und anstatt daß neue Autobahnen gebaut werden, muß den Bürgern eben staatlicherseits geholfen werden beim umrüsten.

    • @Zebulon:

      Genau so ist es.



      Das Geld muss, statt neue Autobahnen damit zu asphaltieren, auch in Gebäudeeffizienz gesteckt werden, damit mehr Häuser weg von fossilen Brennstoffen kommen können.



      Zwei Jahrzehnte mindestens wurde das gesellschaftlich wie politisch vor sich her geschoben.

  • Steht denn genug LNG zur Verfügung? Wieviele Tanker sollen denn in Mukran abgefertigt werden?

  • "Not in my backyard !"



    Ich bin schon mal gespannt auf das Geschrei, sollten wir mal wieder einen harten, kalten Winter bekommen !



    Wie alle wissen, reichen gefüllten Speicher alleine ohne ausreichende Nachlieferung bei Weitem nicht aus !!

  • Hier stimme ich mal dem radikaleren Flügel der Klimabewegung zu.

    Solche Aktionen, die sich wirklich gegen konkrete, umwelt- und klimaschädlische und wohl unnötige Projekte richten, sollte auch die Letzte Generation übernehmen.

  • Vielleicht springt ja die Spaßpartei und Hobby-Oppositionspartei™ sowie aus der offiziellen Opposition die CDU für Habeck in die Bresche: Für die Wirtschaft! Rettet die Bilanzen!1elf ;-)