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Deutsche KulturinstituteGoethe-Institut schaut nach Osten

Die deutschen Kulturinstitute transformieren sich. Neun Büros schließen, die Arbeit in Osteuropa und im Südpazifik wird ausgebaut.

Ende des internationalen Flairs: Das Goethe-Institu Murnau musste im Jahr 2009 schließen Foto: Michael Friedel/Goethe Institut

Berlin taz | Dem Goethe-Institut habe es in den letzten Jahren an Handlungsspielraum gefehlt. Das bekennt dessen Generalsekretär Johannes Ebert bei einem Pressegespräch in Berlin am Donnerstag. Diese Beweglichkeit will man mit einer Reform des Kulturinstituts nun wiederherstellen. Dazu sollen laufende Kosten verringert, 9 der insgesamt 158 Institute weltweit geschlossen werden; Bordeaux, Curitiba, Genua, Lille, Osaka, Rotterdam, Triest, Turin, Washington und Straßburg sind betroffen.

24 Millionen Euro sollen so mittelfristig eingespart werden. Dieses Geld wird jedoch an anderer Stelle eingesetzt. „Wir wollen Strukturkosten verringern, um mehr Geld in die Kulturarbeit zu investieren“, sagt Ebert. Laut der Präsidentin des Goethe-Instituts Carola Lentz reagiere man so auf den radikalen Wandel der geostrategischen Koordinaten sowie den zunehmenden Populismus und Nationalismus.

So erklärt sich auch der vorgesehene Ausbau in Osteuropa. Geplant ist ein Ausbau der Präsenzen im Kaukasus, auch in der Republik Moldau will sich das Goethe-Institut stärker engagieren. In Polen soll neben den Instituten in Warschau und Krakau eine weitere Präsenz hinzukommen.

Doch auch in weiter entfernt liegenden Erdteilen sind Kontaktstellen in Planung: im Südpazifik ebenso wie in den USA. Außer in Chicago sei man in den Vereinigten Staaten nur an den Küsten mit Goethe-Instituten präsent, sagt Ebert. Das soll sich nun mit einer weiteren Dependance in Texas und im Mittleren Westen ändern.

Mehr und bessere Sprachkurse

Neben geostrategischen Überlegungen steht auch die Sprachvermittlung im Fokus: Sprachkurse sollen „digitaler und effektiver“ gestaltet werden, heißt es. Im Bereich der Fachkräfteeinwanderung soll die Arbeit insbesondere in Ländern wie Mexiko, Brasilien und Indonesien intensiviert werden.

Die Transformationen werden im Netzwerk des Goethe-Instituts voraussichtlich zum Abbau von 110 Stellen führen. Nicht alle Mit­ar­bei­te­r:in­nen des Goethe-Instituts sind damit einverstanden. Bei der internen Verkündung der Sparmaßnahmen und Institutsschließungen am Donnerstagvormittag habe es Protest gegeben, sagt Axel Stein, der sich im Pariser Goethe-Institut um IT-Fragen kümmert.

Dass in Frankreich drei Institute schließen sollen, kann Stein nicht nachvollziehen. „Wir haben dann in Frankreich nur mehr fünf Institute“. Umgekehrt unterhalte das Institut français in Deutschland 13 Standorte. „Das zeigt, wie unterschiedlich die beiden Länder ihre Prioritäten setzten“.

Auch die Zentrale in München werde von Einsparungen betroffen sein, so Ebert. Konkreteres lasse sich aber erst Mitte des nächsten Jahres sagen, wenn ein entsprechender Strukturplan ausgearbeitet sei. Der nun beschlossenen Transformation ging eine Entscheidung des Haushaltsausschusses des Bundestags voraus. Dieser hatte den gesperrten Anteil des Budgets von 2023 in Höhe von 14 Millionen Euro freigegeben, der an die Vorlage eines Konzepts zur Entwicklung des Goethe-Instituts geknüpft war.

Kürzungen abgewendet

Im vergangenen Jahr sah der Haushaltsentwurf der Bundesregierung eine Kürzung beim Goethe-Institut vor. Statt 235 Millionen Euro sollte es in diesem Jahr nur mehr 226 Millionen Euro aus dem Etat des Auswärtigen Amtes geben. Auch andere Träger der deutschen Kulturpolitik im Ausland, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH), waren zunächst von den Ampel-Sparplänen betroffen.

Letztlich nahm der Haushaltsausschuss im Bundestag die Sparpläne nach anhaltender Kritik zurück und bewilligte für 2023 sogar höhere Budgets als im Vorjahr. Das Goethe-Institut erhielt in diesem Jahr 15,1 Millionen mehr als ursprünglich vorgesehen. Für 2024 sind 226 Millionen Euro eingeplant.

Auch der DAAD soll im kommenden Jahr eine Kürzung des Budgets um knapp 7 Millionen Euro hinnehmen, teilte die Bundesregierung zuletzt mit. Gegenüber der taz teilte der DAAD mit, er werde „die weitere Entwicklung des Haushaltsentwurfs im parlamentarischen Verfahren begleiten“. Heißt: Wenn der Bundestag die Sparpläne einmal zurücknehmen kann, dann kann dies vielleicht auch ein zweites Mal geschehen.

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2 Kommentare

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  • Stellt sich zuletzt die Frage, wie hilflos der Betriebsrat des GI ist. Hätte etwa ein derartiger Stellenabbau (proportional) in der Automobilindustrie stattgefunden, wäre die zuständige Gewerkschaft auf die Barrikaden gegangen. Von den Betriebsräten des Goethe Instituts hört und liest man (noch?) nichts.

  • Merci für diesen Artikel. Auch weil Sie als eines der wenigen Medien die Situation der GI-Mitarbeiter ansprechen, die im Ausland von den Schließungen unmittelbar betroffen sind. Denn dort wird knallhart entlassen – im Gegensatz zum geplanten Stellenabbau in der Münchner Zentrale, der du Vorruhestandsregelungen und nicht nachzubesetzende Stellen geregelt werden soll. Und mit dem man sich bis 2026 Zeit lassen will.

    So werden die GI in Bordeaux und Lille zum 31.12.2023 geschlossen, das GI in Straßburg bereits Ende Oktober. Und Turin macht Ende Januar 24 dicht. Das Institut in Washington D.C. soll dagegen erst 2026 schließen.

    Von einem Sozialplan für die Mitarbeiter der betroffenen Institute ist nichts bekannt. Damit wird deutlich, wie wenig Verständnis man für die anstehenden, enormen Herausforderungen der Betroffenen hat.

    Man mag zu den neuen strategischen Neuausrichtungen des Instituts stehen, wie man will. Wie jedoch mit den betroffenen Mitarbeitern umgegangen wird, grenzt an Lächerlichkeit für ein Institut, das u.a. ein umfassendes, aktuelles Deutschlandbild vermitteln möchte. Und das in erster Linie vom Bundeshaushalt finanziert wird.

    Apropos Finanzierung: Die meisten GI im Ausland sind ohnehin längst angewiesen, Ausstellungen, Lesungen etc. mit sogenannten Drittmitteln, also Sponsoren oder Mäzenen, zu finanzieren. Kulturelle, soziale und politische Unabhängigkeit sieht anders aus!



    Von den Entlassungen sind Mitarbeiter des GI betroffen, die sich im Laufe der vergangenen Jahre eine Existenz an den jeweiligen Standorten aufgebaut haben. Und deren Chance, adäquate Anstellungen vor Ort zu finden, gen Null tendieren. Eben weil es nun, nach den Schließungen der jeweiligen Institute, keine Möglichkeiten mehr gibt, die Kultur Deutschlands zu vermitteln.

    Übrigens werden mit den Schließungen von drei Instituten in Frankreich auch hunderte Deutschlehrer*innen an französischen Schulen „allein gelassen“. Pädagogen, die sich maßgeblich vom GI inspirieren