Griechische Sagen: Horrorfilme der Antike

Gewalt und Strafe stehen in der griechischen Mythologie an der Tagesordnung. Warum die antiken Geschichten heutigen Gruselfilmen ähneln.

Statue der griechischen Göttin Athene

Statue der griechischen Göttin Athene Foto: Theastock/imago

Wie ich es geliebt habe im Lateinunterricht, die Eigenschaften und Merkmale der verschiedenen Götterfiguren auswendig zu lernen. Artemis mit ihren Hirschen, Hermes mit diesen tollen Flügeln an den Sandalen. Dann diese winzige Göttin Nike, die sogar richtige Flugflügel hatte und Athene in die Hand passte.

Bei den Griechen stand sie eher für Siege im Sport als in Kriegen. Und wie ich kürzlich lernte, hatte sie ab und zu ein Huhn dabei. Bei der Nikestatue von Epidauros, die auf circa 380 v. Chr. datiert ist, ist das ein Rebhuhn, das für Heilkräfte steht. Ich stelle mir aber gerne eins dieser gelben Plastikhühner vor, die eine meiner Berliner Lieblingsdragqueens früher am Gürtel trug. Fand ich in seiner Camphaftigkeit auch unfassbar heilsam.

So witzig das mit den Accessoires war, sind die griechischen und lateinischen Sagen mit ihren drakonischen Strafen, Morden, Gewalt- und Hybrisgeschichten eigentlich eher die Horrorfilme der Antike. Es gibt tausende Versionen für die jeweiligen Origin Stories.

Bei Athene fällt das besonders auf. Muskellady und Allround-Talent des Olymps. Göttin der Weisheit, der Wissenschaften, der Künste, des Kampfes. Die mit dem Brustpanzer, dem Speer und dem Schild. In Athen hält sie statt Nike oft eine Eule in der Hand.

Athene, das Allround-Talent

Den Sagen nach kommt sie im Bauch von Zeus zur Welt, nachdem dieser ihre Mutter Metis gefressen hat. Von wegen Horrorfilme. Mal ist sie in diesen Geschichten die „Kopfgeborene“, die aus Zeus’ Kopf in voller Rüstung aufsteigt, weil er von ihrem Rumspuken in diesem Kopfschmerzen bekommt und ihn sich von Hephaistos aufschlagen lässt. In anderen Erzählungen kämpft sie sich komplett selbst heraus und springt ihm schließlich aus dem Mund.

In wieder anderen Versionen hat sie sich mit Hilfe ihrer Mutter in einen Gedanken verwandelt und ist so bis in den Kopf von Zeus vorgedrungen. Oder es ist Metis, die selbst in den Kopf hinaufkraxelt, um Athene den Weg heraus zu bahnen.

Meist zentrieren die Erzählungen Zeus, der seinen Vater Kronos verbannt hatte, nachdem dieser aus Angst vor Machtverlust seine Geschwister gefressen hatte. Kronos also, der wiederum seinen Vater killen musste, um an die Macht zu kommen. Von wegen Kreislauf der Gewalt.

Orgie der Gewalt

Ausgerechnet Metis hatte Zeus angeblich mit Senfpulver geholfen, Kronos zum Kotzen zu bringen. Nur um dann selbst von ihm gefressen zu werden, weil ihre Tochter ihm laut Orakel gleichrangig sein würde und sein Sohn ihn stürzen könnte.

Metis also, Inbegriff des praktischen, komplexen und impliziten Wissens, die Göttin der Klugheit, die sich in Pflanzen, Tiere, Steine und Gedanken verwandeln konnte und laut den Sagen die Rüstung schuf, mit der sich Athene schließlich befreite.

Über die Okeaniden, zu denen Metis gehörte, haben wir damals im Unterricht, soweit ich mich erinnern kann, nicht wirklich viel gelernt. Sie sind Meerwesen, die ersten Meerjungfrauen, wenn man so will, nur meist ohne Flossen. Kein Wunder also, dass sich Athene die tritonischen Gewässer der Meerwesen als Wahlheimat suchte.

Interessant auch, dass Athene Tritogeneia vielleicht am wenigsten bekannt ist: sie ist aus dem Wasser selbst geboren und braucht das angehängte Drama gar nicht erst. Von der Fanfiction, in der sie mit Tritons Tochter Pallas eine wilde Affäre hat, ganz zu schweigen.

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Redakteurin für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA. 2020 Promotion "Chrononauts in Chromotopia" zum Lusterleben in der abstrakten Malerei. Themen: zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

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