Bergkarabach nach der Waffenruhe: Ein Eindruck von Siegerjustiz
Aserbaidschan sollte vermeintliche Kriegsverbrecher aus Bergkarabach nur vor ein internationales Gericht stellen. Und die armenischen Grenzen anerkennen.
A serbaidschan fordert von den Separatisten eine Auslieferung von vermeintlichen Kriegsverbrechern. Das sind also die Prioritäten bei der Integration der Karabach-Armenier:innen. Man hätte den Separatisten ja auch erst mal eine aserbaidschanische Verfassung in armenischer Sprache übergeben können. Aserbaidschan will das armenische „Das ist ein Genozid“ mit einem aserbaidschanischen „Das ist ein Genozid“ beantworten. Und das geht am besten mit Schauprozessen und dem Präsentieren von Massengräbern.
Und wie entdeckt man Massengräber? Ganz einfach: Die aserbaidschanischen Dienste haben Listen von Armeniern, die ihren Informationen nach Kriegsverbrechen begangen haben und den Ort von Massengräbern kennen müssten. Jetzt können sie in Karabach jede x-beliebige Person verhaften.
Gleichwohl täte Aserbaidschan gut daran, vermeintliche Kriegsverbrecher vor ein internationales Gericht zu stellen. Ansonsten könnte schnell der Verdacht aufkommen, dass es sich hier um Siegerjustiz handelt. Aserbaidschan hat im Namen der territorialen Unversehrtheit seiner Grenzen gehandelt. Das ist völkerrechtlich genauso in Ordnung wie der ukrainische Versuch, die Krim militärisch zurückzuholen. Gleichwohl ist die Inkaufnahme von Dutzenden und Hunderten Toten nicht akzeptabel. Nun muss Aserbaidschan aber auch die Unversehrtheit der armenischen Grenzen anerkennen. Und deswegen muss es mit dem Gerede von „Westaserbaidschan“, wie man Armenien gerne nennt, und der Forderung nach einem „Korridor“ aufhören. Würde Aserbaidschan einen derartigen Korridor durch armenisches Gebiet zur Exklave Nachitschewan erzwingen, würde dies die territoriale Integrität von Armenien verletzen. Eine normale Landverbindung muss reichen.
Wo der Hass groß ist, ist auch die Gewalt nicht weit. Die in Bergkarabach stationierten russischen Friedenstruppen werden kaum die Menschenrechte der dort lebenden Armenier schützen. Es ist höchste Zeit für eine Präsenz von Menschenrechtsorganisationen in Karabach.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen