Der Kampf von Spaniens Fußballerinnen: Einberufungsbefehl zum Spiel
Gegen ihren Willen werden Spielerinnen des spanischen Weltmeisterteams für die Auswahl nominiert. Den Streikenden drohen hohe Strafen.
Bei der Berufung handelte es sich nämlich um eine Einberufung. In den Krieg ziehen müssen Spaniens beste Fußballerinnen zwar glücklicherweise nicht, sie sollen nur am Freitag in Göteborg zum Nations-League-Spitzenspiel gegen den Weltranglistenersten Schweden antreten.
Aber dass sie auch das nicht wollen, hatten 39 von ihnen – darunter 21 der 23 Weltmeisterinnen – noch am Freitag unmissverständlich dargelegt. „Null Toleranz“ gegenüber „Personen, die aus einem Verbandsamt heraus Verhaltensweisen gezeigt, ermuntert, verschleiert oder beklatscht haben, die gegen die Würde von Frauen verstoßen“, hatten sie gefordert.
Umso größer war dann nicht zuletzt ihre eigene Verblüffung, als 15 Weltmeisterinnen und sogar fünf Spielerinnen, die im Rahmen der seit einem Jahr andauernden Krise zwischen Team und Verband auf die WM verzichtet hatten, am Montagnachmittag von der neuen Nationaltrainerin Montse Tomé nominiert wurden. Denn Reformen hatte es über das Wochenende nicht gegeben
Dreiste Lügen
Und anwesend bei Tomés Inthronisierung waren etliche Personen, die für den abgetretenen Skandalpräsidenten Luis Rubiales in den letzten Jahren die Frauenabteilung gemanagt hatten. Auf mehrfache Nachfrage versicherte sie außerdem, mit den Profis gesprochen und also die Nominierung abgesprochen zu haben.
Das war offenbar glatt gelogen. Nach spanischem Sportrecht kann mit bis zu fünf Jahren Spielverbot – auch auf Klubebene – belegt werden, wer den Appell einer Landesauswahl ignoriert. Die meisten Spielerinnen denunzierten das Manöver noch am Montagabend. Sie erklärten in einem Kommuniqué, dass sich „an unserem festen Willen, nicht berufen zu werden, nichts geändert hat“.
In einer eigenen Mitteilung fügte Stürmerin Jenni Hermoso, Opfer von Rubiales’ Kuss-Attacke nach dem WM-Finale und nun von Tomé „zu ihrem Schutz“ nicht berufen, spät in der Nacht hinzu: „Es handelt sich um eine weitere Strategie der Spaltung und Manipulation, um uns einzuschüchtern.“
Das nächste Groteske
Die Renitenz sinistrer Methoden unter dem von Rubiales ausgesuchten Nachfolger Pedro Rocha überrascht inzwischen selbst Szenekenner. Wie schon einmal bei Rubiales’ anfänglichem Beharren im Amt hatten Verbandsquellen nämlich noch bis kurz vor der Tomé-Show – bei der sich die Trainerin sichtlich unwohl fühlte – gestreut, dass keine Streikenden berufen würden. Heraus kam die nächste Groteske.
In dem ganzen Schauspiel gab die schwächste Figur nach dem Verband zunächst wieder einmal die Regierung ab. Jahrelang stützte sie Rubiales – Sohn eines ehemaligen Bürgermeisters und sozialistischen Parteifreunds – gegen alle Verdachtsmomente und teils sogar Anzeigen wegen Korruption und sexueller Belästigung. Dann gelang es ihr nicht, ihn zum Rücktritt zu bewegen – das tat er aufgrund des Drucks aus der Fifa, oder substanzielle Verbandsreformen anzuschieben.
Nun versicherten Sportstaatssekretär Victor Francos und Regierungssprecherin Isabel Rodríguez den Spielerinnen zwar ihre „Unterstützung“, gaben sie ihnen in der entscheidenden Frage des Streiks aber nicht.
Etliche Blamagen bis zum nächsten Schritt
„Die nächsten Partien sind sehr wichtig für die Qualifikation zu den Olympischen Spielen, deshalb will die Regierung sie spielen und gewinnen sehen“, erklärte Rodríguez. Medaillen schlagen Werte, so weit der sonst oft gern betonte Feminismus.
Die Spielerinnen aus Madrid sollten sich unterdessen am Nachmittag mit denen anderer Klubs in Valencia treffen, um dort – und nicht im kontaminierten Las Rozas – die Matchvorbereitung anzugehen. Ob das Team vollständig erscheint, war vorerst noch unklar, ob die Regierung gegen eventuell Abtrünnige „das Gesetz anwenden muss“ (Francos) auch.
Dem Vernehmen nach wollte der Staatssekretär erstmals selbst mit den Spielerinnen in Kontakt treten und vermitteln. Etliche Blamagen mussten aufgeführt werden, damit er diesen Schritt als notwendig erkannte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke