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Internationale Automobilausstellung„Schaufahren gegen den Klimaschutz“

Umweltorganisationen kritisieren die Automesse IAA. Ak­ti­vis­t:in­nen der Gruppe „Attac“ starten in der Nacht zu Donnerstag eine Protestaktion.

Mercedes bei der IAA, Vision One-Eleven hebt bald ab Foto: Sven Hoppe/dpa

Während andere Länder auf der IAA bereits massentaugliche Elektroautos vorstellen, hängt die deutsche Autoindustrie nach wie vor an klimaschädlichen Verbrennerfahrzeugen. Das zeigen Beobachtungen eines von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gesandten Teams zur Verkehrs- und Marktüberwachung, welche die Organisation am Donnerstag mitteilte.

DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch betitelte die IAA dabei als „Greenwashing-Veranstaltung einer am klimaschädlichen Verbrenner festhaltenden Branche“. Während insbesondere chinesische Hersteller bereits elektrische Klein- und Kompaktwagen zeigten, fingen die deutschen Elektro-Modelle „eigentlich erst in der oberen Mittelklasse an und reichen bis in die Super-Luxusklasse“, so Resch. Mit großer Sorge beobachte die DUH die Entwicklung immer größerer, schwererer Pkw und den daraus resultierenden hohen Energieverbrauch im realen Fahrbetrieb.

Ein Beispiel sei etwa das 2.770 Kilogramm schwere Elektro-Spitzenmodell von BMW, welches gegenüber dem Vorjahresmodell noch einmal einen 116 PS stärkeren Motor habe, „um den Koloss in 3,7 Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen“, so die DUH. Dieser Trend spiegelt sich laut der Beobachtungen auch in den Elektro-Modellen wider. So habe sich der SUV-Anteil bei den Elektrofahrzeugen etwa von 23 Prozent in 2021 auf 62 Prozent im bisherigen Jahr 2023 vergrößert.

„Während die deutschen Hersteller mit immer höher motorisierten und wachsenden Diesel- und Benzin-Dinosauriern jeden Ansatz einer nachhaltigen Modellpolitik vermissen lassen, fehlt von Seiten der Bundesregierung der Wille, die dringend notwendige Antriebs- und Mobilitätswende zu gestalten“, so Resch. Er wirft der Bundesregierung vor, die Autokonzerne „beim Schaufahren gegen den Klimaschutz zu unterstützen“.

Proteste gegen die Automesse

Hintergrund ist die am 1. September weggefallene Förderung für gewerblich genutzte E-Autos. Dadurch würde die Nutzung elek­trisch betriebener Dienstwagen für Unternehmen unattraktiver, so die DUH. Sie wirft Wirtschaftsminister Habeck vor, „pünktlich zum Start der IAA den für die Industrie besonders profitablen Verkauf von Dienstwagen mit Diesel- und Benzinmotoren durch die Verteuerung von Elektro-Modellen“ zu unterstützen.

Das Wirtschaftsministerium (BMWK) weist den Vorwurf jedoch zurück und argumentiert gegenüber der taz, dass diese Entscheidung aufgrund des gekürzten Haushaltsbudgets getroffen werden musste, die Förderung jedoch für Privatpersonen weiterhin bestünde.

Währenddessen gehen die Proteste auf der IAA in München weiter. In der Nacht zu Donnerstag tauschten Ak­ti­vis­t:in­nen der Organisation „Attac“ öffentliche Werbeplakate der Automesse gegen ihre eigenen kritischen Persi­flagen aus. Unter der Überschrift „Die Freiheit, die ihr meint“ zeigen die satirischen Plakate ein Auto vor drei verschiedenen Hintergründen: ein von Waldbränden betroffenes Berlin, ein im Meer versunkenes Hamburg und ein von der Wüste verschlucktes München.

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7 Kommentare

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  • Der deutschen Autoindustrie wird es so ergehen, wie einst Kohle und Stahl. Sie versinkt in der Bedeutungslosigkeit.

    • @Wetterleuchten 22:

      Gut so. Die fossile Autoindustrie und ihre reichen Eigentümer verhindern seit Jahrzehnten jegliche Form einer menschenfreundlichen Mobilitätswende. Es wäre nur angebracht, dass diese Firmen verschwinden und es wäre noch angebrachter die Eigentümer zu Rechenschaft zu ziehen.

  • Die Förderung für elektrische Dinosaurier wird gestrichen, und das soll jetzt klimaschädlich sein.

  • Was haben deutsche Hersteller gelacht als Elon the Musk seine ersten Autos baute. Hätte Deutschland nicht die Ihnen zugeneigten Minister aus den jeweiligen Regierungen sähe es schon etwas düsterer aus. Aber die latente Drohung Arbeitsplätze und damit Wähler zu verlieren ist eben ein schlagendes Argument. Fahre ich mit dem Rad durch Holland fällt mir nicht nur die luxuriöse, fast verschwenderische Radweggestaltung auf, sondern auch die Akzeptanz und Rücksichtnahme anderer Verkehrsteilnehme*Innen. Was mir neuerdings auch auffällt ist die nicht mehr übersehbare Infrastruktur für E-Mobilität. Egal ob Fahrrad oder Kraftfahrzeuge. Wir schwelgen in einer nostalgischen Welt, ausgestattet mit Führungsanspruch und grenzenloser Überlegenheit. So suggeriert es uns auch die Industrie mit ihren "Innovativen" Entwicklungen. Wir wollen es so und glauben weiter an die neuen Kleider des Kaisers.

  • Förderung?

    Aber hoffentlich nicht das 2.7-Tonnen-Biest, oder?

    Leute, Ihr seid krank.

  • Die deutsche Autoindustrie befindet sich nicht erst seit heute auf Irrfahrt.

    Jeder der 1 und 1 zusammen zählen kann, konnte schon seit Jahren erkennen, daß der Kurs immer größere Klima- und Menschenfeindliche Gefährte zu bauen scheitern muss..

    Tesla und die Chinesen zeigen uns mittlerweile wo es langgeht. Wohingegen fie deutsche Großmannssucht in Sachen Auto nunmehr unweigerlich an ihre Grenzen stößt.

    Vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe kann man dann auch nur hoffen, daß die deutsche Autoindustrie ab jetzt so richtig gegen die Wand fährt..(und diesmal auch der Staat nicht in der Lage sein wird, deren Wahnsinn finanziell aufzufangen (in Form von Abwrackprämien, Tankrabatten, Dienstwagenprivilegien, usw. usw..))..

    Was für ein Irrsinn..

  • Hahaha, ich sehe es schon kommen. Wenn BMW schon ein Auto mit 2,8 Tonnen auf den Markt bringen will, dauert es nicht mehr lange, bis Elektro-SUVs über 3,5 Tonnen schwer sein werden.

    Durchschnittlicher SUV-Fahrer (und damit Umweltsau) bei Verkehrskontrolle: "Ja, wie denn ich brauche nen LKW-Führerschein???????"

    Ein wahrer Zirkus. Und Grüße gehen raus an Attac und an die Leute die letztens 51 Porsche die Luft rausgelassen haben.