Sondermülllager in Frankreich: Auf einem Haufen Giftmüll
Umweltverbände fordern seit mehr als 20 Jahren, giftigen Müll aus einer Salzmine im Elsass zu bergen. Doch Paris hat andere Pläne.
K napp 30 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, ein wenig nördlich der elsässischen Stadt Mulhouse, liegt das Gelände des ehemaligen Kalibergwerks Mines de Potasse. Hinter einem hohen Metallzaun ragen zwei Fördertürme in den bewölkten Himmel: Joseph links, Else rechts. Die roten Räder auf den Türmen, die früher die Aufzüge mit den Bergleuten in und das Salz aus der Mine befördert haben, stehen still.
Empfohlener externer Inhalt
Seit 2002 wird hier kein Kalisalz mehr gefördert. Das Gelände hinter dem Zaun ist nicht viel größer als ein großer Supermarktparkplatz – aber 500 Meter darunter erstrecken sich kilometerweit die alten Gänge und Stollen des Salzbergwerks. Durchlöchert wie ein Schweizer Käse ist das Elsass an dieser Stelle, sagen Ortskundige. Problematisch wird es, wenn man nochmal 25 Meter weiter nach unten geht, unter die alten Salzminen.
Hier lagern, in einem Gitternetz aus Gängen, 42.000 Tonnen giftiger Industriemüll. Quecksilber, Asbest, Chrom, Pflanzenschutzmittel, alles in große Plastiksäcke – sogenannte BigBags – verpackt.
Direkt darüber erstreckt sich im Rheingraben das größte Grundwasserreservoir Europas, von Basel bis nach Mainz. Auf deutscher und französischer Seite hängen sieben Millionen Menschen von dieser Trinkwasserversorgung ab.
Expert*innen schätzen, dass das Lager in spätestens 70 Jahren voll Wasser laufen wird. Umweltschutzorganisationen und die regionale Politik fürchten, dass der hochgiftige Müll dann das Grundwasser und den Rhein kontaminieren könnte. Außerdem weisen sie darauf hin, dass in Stocamine immer noch illegal eingelagerte brennbare Stoffe liegen.
Seit über 20 Jahren fordern Umweltverbände wie der BUND und Protestgruppen wie Destocamine, die Säcke zu bergen. Die Betreiberfirma Mines de potasse d’Alsace (MDPA), deren alleiniger Eigentümer der französische Staat ist, will aber lieber versiegeln lassen. Zu viele Giftstoffe seien schon ausgetreten, man könne keine Minenarbeiter*innen mehr dort hinunterschicken.
Sechs Meter dicke Betonwände sollen deshalb vor alle Zugänge gegossen werden und verhindern, dass der Giftcocktail aus dem Lager herausgespült werden könnte. Oben, neben dem Turm Joseph, stehen schon die Silos bereit, in denen Zement und Sand dafür gemischt werden sollen. Ab September soll mit den Versiegelungsarbeiten begonnen werden, so der Plan der französischen Regierung.
„Eigentlich dürfte hier gerade gar nicht gearbeitet werden“, kommentiert Roland Dübel einige geschäftige Arbeiter*innen auf dem Förderturm Else, die man außerhalb vom Rand des Geländes aus beobachten kann. Dübel war früher als Techniker für die Sicherheit auf dem Gelände und in der Salzmine zuständig. Heute ist er Mitglied in der Überwachungskommission des Lagers.
Die Betreiberfirma ist verpflichtet, eine solche Überwachungskommission aus Anwohner*innen, Mitarbieter*innen, Verwaltungsangestellten und regionalen Politiker*innen einzusetzen. Die Kommission trifft sich regelmäßig, sie wird zu allen Beschlüssen und Vorkommnissen informiert und sie begutachtet – zumindest soweit möglich – das Lager.
Versiegelung noch nicht beschlossen
Im Juli 2021 hatten lokale Investigativjournalist*innen der Zeitung Rue89 Strasbourg Beweise dafür zusammengetragen, was kritische Beobachter*innen schon lange vermuten: In Stocamine liegen nicht nur giftige, sondern auch illegal eingelagerte Abfälle.
Der Umweltverband Alsace Nature hat daraufhin eine Klage vor dem Gericht in Straßburg eingereicht. Aktuell befindet sich die Klage noch im Berufungsverfahren. Die Vorbereitungsarbeiten für die Versiegelung müssen deshalb erst einmal pausieren. Trotzdem fahren an diesem Tag Mitte Juli ein paar Schaufellader über das Gelände, was genau sie machen, kann sich Roland Dübel auch nicht erklären.
Dabei ist die endgültige Entscheidung für die Versiegelung noch nicht offiziell. Aber der französische Minister für ökologische Transformation, Christoph Béchu, kündigte bei einem Treffen mit elsässischen Abgeordneten Ende Juli an: Ja, der Beschluss für die endgültige Versiegelung werde derzeit ausgearbeitet und soll im September präsentiert werden. Béchus Position in der Diskussion ist bekannt: Er will Stocamine zubetonieren.
130.000 Kubikmeter Beton müssten dafür über den Schacht Joseph in die Mine hinabgelassen werden. Wie viel das den französischen Staat kosten wird, beziffert die Betreiberfirma nicht genau. Dafür weist sie darauf hin, dass eine Bergung der Abfälle die französischen Steuerzahler*innen 470 Millionen Euro kosten würde.
Unabhängige Experten, darunter auch der Geologe Marcos Buser, der das Projekt jahrelang begleitet hat, kritisieren diese Schätzung als viel zu hoch, verglichen mit ähnlichen Projekten in Deutschland. Sie gehen eher von Kosten von maximal 100 Millionen Euro aus. Wie viel es kosten würde, das Grundwasser im Rheingraben zwischen Basel und Mainz und den Rhein von giftigen Abfällen zu befreien, darauf will oder kann Minister Béchu bisher keine Antwort geben. Sicher ist nur: Schon der Unterhalt des Lagers kostet pro Jahr zwischen 5,5 und 8 Millionen Euro.
Unter dem Wittelsheimer Boden stürzen die Hohlräume und Gänge, in denen der Müll gelagert wird, nämlich mehr und mehr in sich zusammen. In einem Video auf der Webseite der Betreiberfirma MDPA sind rissige Gesteinswände und mit Drahtgittern abgestützte Deckengewölbe zu sehen. Wasser tritt durch die Risse im Gestein und läuft in die Mine.
„Vor 20 Jahren wäre es noch einfacher gewesen, die Abfälle herauszuholen“, sagt Romain Challamel, der technische Direktor der MDPA, in einem Interview mit dem Fernsehsender. „Heute haben wir leider das Problem, dass schon zu viele Giftstoffe in den Lagern ausgetreten sind, um noch Bergeteams dort hineinzuschicken.“
Roland Dübel hingegen ist davon überzeugt, dass es technisch möglich ist, die Mine doch noch zu stabilisieren und den Müll zu bergen. „Es ist ganz normal, dass Minen abgestützt werden müssen. Als Minenarbeiter ist man es gewohnt, zuallererst für seine eigene und die Sicherheit seiner Kameraden zu sorgen.“
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden unter dem Boden, auf dem er heute steht, große Kalisalzvorkommen entdeckt. Die Mines de Potasse d’Alsace wurden gebaut und Kalisalz gefördert: ein Rohstoff, aus dem zum Beispiel Kaliumdünger hergestellt wird. In den 90er Jahren begann dann die Planung des Projekts Stocamine zur Einlagerung von giftigen Industrieabfällen, etwa 25 Meter unter der Salzmine.
Der Amtsbezirk Haut-Rhin genehmigte damals das Projekt unter drei Bedingungen: 100 Arbeitsplätze sollten geschaffen werden, das Projekt soll von einem Recherchepool der Universität Mulhouse begleitet werden, der zum Beispiel zum Recycling der Abfälle forscht. Außerdem sollen die Abfälle jederzeit wieder geborgen werden können. 13 verschiedene Abfallkategorien wurden definiert, die im Lager angenommen werden sollten. Brennbare Materialien und radioaktive Abfälle waren nicht erlaubt.
Ab 1999 rollten die ersten Mülltransporte auf dem Gelände bei Wittelsheim an. 2002 brannte das Lager für mehrere Wochen. Seitdem liegen Mine und Lager still, kein Salz wird mehr gefördert, kein neuer Müll mehr darunter eingelagert. Ein Recherchepool war nie gegründet worden, Arbeitsplätze wurden laut der Organisation Destocamine nur 27 geschaffen. Geblieben sind nur die teils unbekannten Abfälle im Elsässer Boden.
Seitdem diskutieren Politiker*innen, Betreiberfirma und Umweltschutzverbände, was mit diesen Abfällen weiter passieren soll. Zwar wurde zwischen 2014 und 2017 ein Teil der giftigsten Abfälle geborgen, der Rest liegt aber bis heute unter der alten Salzmine. Wie genau es dort unten aussieht, wisse niemand, sagt Philippe Aullen.
Der 60-jährige Aullen ist wie sein Kollege Dübel Teil der Überwachungskomission des Lagers und engagiert sich mit der Organisation Destocamine gegen seine Versiegelung. Er organisiert gemeinsam mit seinem Kollegen Yann Flory, dem Sprecher von Destocamine, Treffen mit französischen und deutschen Politiker*innen, informiert über das Lager und initiiert Demonstrationen.
Mit der Kommission konnte er im Mai die Mine besichtigen und sich ein Bild der Lage machen. Allerdings war Aullen nur in der Mine, nicht in den Räumen, in denen der Müll lagert. Weder die Mitglieder der Überwachungskommission noch die Mitarbeiter*innen der MDPA selbst hätten Zugang zu den vergifteten Räumen, erzählt er. Aullen schätzt, dass die letzten, die den Müll zu Gesicht bekommen haben, die Mitarbeiter*innen der Firma sind, die bis 2017 für die Bergung der giftigsten Abfälle zuständig war.
Sandra Regol, Abgeordnete der Grünen in französischen Nationalversammlung
„Es wurde ein Cocktail an hochgiftigen Dingen eingeliefert“, sagt auch Aullens deutscher Kollege Axel Mayer am Telefon. Er war Mitglied des BUND und seit 1997 bei Protesten gegen Stocamine dabei. Lasche Eingangskontrollen hätten dazu geführt, dass nicht genau protokolliert worden sei, welche Stoffe in welchen Mengen unter Tage gelagert wurden, so Mayer.
Die meisten der angelieferten BigBags wurden gar nicht aufgemacht, bei anderen wurde nur eine Probe von 200 Gramm auf den oberen Zentimetern des Inhalts genommen – das zeigt die Recherche von Rue89. So sind wohl auch die Materialien in das Lager gelangt, die 2002 zu dem Brand geführt hatten. Auch wenn ein Teil dieser illegal gelagerten Stoffe zwischen 2014 und 2017 wieder heraus geholt wurden – Axel Mayer geht wie andere kritische Beobachter*innen davon aus, dass immer noch illegal eingelagerte Abfälle in der Deponie sind.
Durch Risse im Gestein, Bohrlöcher oder die Zugangsschächte kann Grundwasser aus dem Reservoir darüber in das Lager sickern, wo es dann durch die giftigen Abfällen kontaminiert wird. „Eine Betonversiegelung verhindert nicht, dass Grundwasser in das Lager läuft. Eine Mine kann niemals 100 Prozent dicht abgeschlossen werden“, sagt Dübel. „Da unten laufen ununterbrochen Pumpen, um das einsickernde Grundwasser wieder herauszupumpen.“
Im Kampf gegen Umweltzerstörung, Erderwärmung und ihre Folgen werden sogenannte „Klima-Klagen“ zunehmend zu einem probaten Mittel. Nach einer Untersuchung des Grantham Institute der London School of Economics gab es zwischen 1986 und 2022 global etwa 2.000 solcher Klagen, davon erfolgten rund ein Viertel in den letzten drei Jahren. Angeklagt wurden in erster Linie Staaten. Rechtsgrundlagen sind etwa das Pariser Klima-Abkommen oder das deutsche Klimaschutz-Gesetz, auf die sich Kläger*innen berufen.
Zunehmend richten sich Klagen von Aktivist*innen und NGOs auch gegen einzelne Unternehmen, welche die ökologischen Kosten in Form von Treibhausgasemissionen allerdings „externalisieren“. Da inzwischen zumindest grob der Anteil bestimmter Unternehmen an den globalen Gesamtemissionen berechnet werden kann, lässt sich so die Forderung untermauern, sie für die ökologischen Folgen ihrer Aktivitäten verantwortlich zu machen.
Während die USA in Sachen Klimaklagen als Vorreiterin gelten, hat sich zuletzt in den Niederlanden eine besondere Dynamik entwickelt: 2015 gewann die NGO Urgenda einen Prozess, in dem sie vom niederländischen Staat eine Senkung der CO2-Emissionen um 25 Prozent gefordert hatte. 2019 wurde dies in letzter Instanz bestätigt.
Im Mai 2021 entschied ein Gericht in Den Haag, Shell müsse seinen CO2-Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent senken. Geklagt hatte Milieudefensie, ein Ableger der Umweltorganisation Friends of the Earth. Shell hat Berufung eingelegt.
Ebenfalls 2021 wurde Shell in Den Haag wegen Öllecks des nigerianischen Tochter-Unternehmens im Nigerdelta verurteilt. Vier nigerianische Bauern hatten Shell mit Hilfe von Milieudefensie verklagt. Erstmals wurde damit gerichtlich die Haftbarkeit eines multinationalen Unternehmens für die Aktivitäten eines Tochterunternehmens festgestellt. 2022 zahlte der Konzern 15 Millionen Dollar Entschädigung. Auf der Website http://climatecasechart.com/ findet sich eine Datenbank mit ausführlichen Informationen zu Klima-Klagen weltweit, unterteilt in Verfahren gegen Regierungen und Unternehmen. (Tobias Müller)
Er deutet auf den Boden, auf dem er steht. Über einen längeren Zeitraum betrachtet werden die Hohlräume, in denen der Müll lagert, von den Erdmassen darüber zusammengedrückt. Die Mischung aus Wasser und Müll wird dann wie aus einem Schwamm durch ebenjene Risse, Bohrlöcher und Schächte nach oben in das Grundwasser gepresst. Dies zeigen auch die Forschungen von Marcos Buser. Der Schweizer Geologe beriet die MDPA schon bei der Planung des Lagers und erzählt der taz am Telefon, dass er davon ausgeht, dass das Grundwassers in den nächsten 100 bis 150 Jahren verunreinigt werden wird: „Mit der Versiegelung exportieren wir das Problem in die Zukunft“, sagt er. „Eine Mine ist kein Endlager – auch nicht, wenn man sie versiegelt.“
Die MDPA selbst wollte trotz mehrfachen Kontaktversuchs durch die taz keine persönliche Stellungnahme zu Stocamine abgeben. Aber sie verweisen auf ihrer Webseite auf eine Studie, die davon ausgeht, dass das vergiftete Wasser erst in 20.000 Jahren wieder aus dem versiegelten Lager austritt.
„Unter den Teppich kehren, das ist die Strategie der französischen Politik im Umgang mit diesem Problem“, sagt Sandra Regol bei einer Limonade in einer Straßburger Kneipe. Sie ist Abgeordnete der Grünen in der Assemblée Nationale, der französischen Nationalversammlung, und engagiert sich gegen die Versiegelung des Giftmülllagers. Gerade kommt Regol aus Paris zurück. Dort ist sie zwei Tage pro Woche und versucht die Interessen aus ihrem Wahlkreis in die große Politik zu tragen. Hier im Elsass seien alle gegen die Versiegelung der Deponie. „Grüne, konservative und sogar rechte Abgeordnete arbeiten zusammen, um das zu verhindern.“
Für Paris sei Stocamine aber perfekt, um ein Exempel zu statuieren, schätzt Regol. „Und irgendwann wird Zubetonieren die gängige französische Praxis im Umgang mit Problemmüll.“ Die könnte dann auf andere umstrittene Lager übertragen werden, fürchtet sie. So zum Beispiel auf das Atommüllzwischenlager in Bure nahe der Schweizer Grenze. „Wir sind darauf angewiesen, dass auch aus Deutschland diplomatischer Druck kommt. Die französische Regierung muss verstehen, dass dies nicht nur eine nationale Entscheidung ist, sondern weitreichende Folgen für alle umliegenden Länder haben wird“, sagt die Abgeordnete Regol.
Bärbel Schäfer, Präsidentin des Regierungspräsidiums Freiburg sieht, anders als Regol, das Grundwasser für baden-württembergische Bürger*innen nicht gefährdet. Als Regierungspräsidentin vertritt sie die Anliegen der Region bei der baden-württembergischen Landesregierung. Sie verweist auf dieselben Studien wie die MDPA, die nicht von einer akuten Gefährdung des Trinkwassers ausgehen. Trotzdem habe die Landesregierung französische Behörden aufgefordert, den Müll zu bergen und das Grundwasser zu überwachen. Darüber hinaus sieht Schäfer aber wenig Einflussmöglichkeiten: „Die Entscheidung der französischen Regierung müssen wir erst mal so akzeptieren“, sagt sie am Telefon.
„Wir können nur hoffen, dass die Klage von Alsace Nature gegen die Versiegelung in letzter Instanz doch noch durchkommt“, sagt Regol in Straßburg. Wann das Gericht die Entscheidung fällt, weiß die Abgeordnete nicht. An eine Kehrtwende der Politik glaubt sie indes nicht mehr: „Auf eine Erleuchtung unseres Ministers für ökologische Transformation brauchen wir, denke ich, nicht mehr zu hoffen.“
Alain Carrier, der zuständige Unterpräfekt in Mulhouse, hat am 27. Juli bereits seine Zustimmung zur Versiegelung gegeben. Sie alle verweisen auf die Studien, die von der MDPA in Auftrag gegeben wurden und eine Gefährdung für das Grundwasser erst in vielen tausend Jahren sehen.
Doch genau das sei das Problem an diesen Studien, sagt Philippe Aullen vor Ort bei der Mine: „Diese Studien wurden alle von der Betreiberfirma beauftragt, also vom französischen Staat finanziert – unabhängige Expert*innen kommen zu anderen Ergebnissen.“ Deshalb hat der Umweltschutzverband Alsace Nature gemeinsam mit dem BUND auf deutscher Seite Mitte Juli ein Crowdfunding gestartet – um eine unabhängige Kommission von Expert*innen zu bezahlen, die das Risiko einer Versiegelung nochmal neu bewertet.
Eine weitere Möglichkeit, gegen die Versiegelung vorzugehen, wäre eine Klage wegen Ökozid einzureichen. Die Stop Ecocid Foundation setzt sich aktuell dafür ein, dass Ökozid vor dem Internationalen Strafgerichtshof als ein internationales Verbrechen anerkannt wird. Gravierende Umweltschäden, die „mutwillig“ in Kauf genommen werden, könnten dann wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt werden. Der französische Ableger von Stop Ecocid prüfe das derzeit auch für Stocamine in Wittelsheim, bestätigt eine Sprecherin auf taz-Anfrage.
Technologien zur Bergung von giftigem Müll werden auf der deutschen Rheinseite schon entwickelt. Dagmar Dehmer ist Leiterin der Unternehmenskommunikation bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Das Problem von giftigen Abfällen in einem maroden Bergwerk kennt sie gut, erklärt sie am Telefon. Die BGE sucht aktuell eine Lösung zur Bergung der radioaktiven Abfälle im 100 Jahre alten Salzbergwerk Asse im niedersächsischen Wolfenbüttel.
Wasser läuft in die Mine
Ähnlich wie bei Stocamine im Elsass läuft hier Wasser in die Mine, das Gestein verschiebt sich und die Lagerräume und Gänge sind instabil. Bis 2033 soll hier eine Lösung für die Bergung des radioaktiven Mülls gefunden werden. „Dafür muss ein neuer Schacht gebohrt werden. Dann müssen die gefährlichen Abfälle mit ferngesteuerter Bergtechnik, vergleichbar mit Tunnelbohrmaschinen, aus dem Gestein herausgekratzt, in Überbehälter verpackt und heraustransportiert werden“, erklärt sie.
Dehmer kann sich vorstellen, dass eine ähnliche Technik auch für Stocamine im Elsass angewandt werden könnte. Technisches Vorbild für die nötige Bergtechnik findet sich nur 90 Kilometer nördlich von Mulhouse, auf der deutschen Seite des Rheins. Hier stellt die Firma Herrenknecht Tunnelbohrmaschinen her, auf deren Prinzip man für die Bergungsmaschinen aufbauen könnte, schätzt Dehmer.
„Hier, das Gebäude hinter dem Turm Joseph, das ist das Maschinenhaus. Da sind der Motor und die Zahnräder drin, über die man früher das Salz aus der Mine gezogen hat“, sagt Roland Dübel, und zeigt auf ein rotes Backsteingebäude, aus dem Drahtseile hin zu dem roten Rad auf dem Förderturm Joseph verlaufen. Ein bisschen wehmütig betrachtet er das Gelände, auf dem er früher gearbeitet hat. „Die ganze Technik da drin funktioniert noch“, erklärt er.
Das nächste Mal könnte sie in Gang gesetzt werden, um den Beton, der hier schon für die Versiegelung vorbereitet wird, unter Tage zu bringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein