Autolobby und Letzte Generation auf IAA: Einladung mit Haken
Der Verband der Autoindustrie hat Klima-Aktivist*innen aufgefordert, sich an der Automobilausstellung zu beteiligen. Was nun?
HAMBURG taz | Der Kapitalismus ist dafür bekannt, seine Kritiker*innen zu vereinnahmen. So könnte man auch das Angebot der Internationalen Automobilausstellung (IAA) an die Letzte Generation verstehen: Der Verband der Automobilindustrie (VDA), der die Messe ausrichtet, hat die Letzte Generation eingeladen, sich mit einem Stand zu beteiligen. Die IAA 2023, die keine Automesse mehr sein will, sondern eine Mobilitätsmesse, findet von 5. bis zum 10. September in München statt.
Der VDA-Sprecher Simon Schütz bestätigte die Einladung gegenüber der taz, wollte sich zu den Gründen aber nicht äußern, solange die Letzte Generation nicht eindeutig zu- oder abgesagt habe. Gegenüber der taz äußerte sich die Sprecherin der Letzten Generation, Carla Rochel, ablehnend auf die Einladung.
„Die IAA stand in den vergangenen Jahren vor allem für Einschränkungen der Presse- und Versammlungsfreiheit anstatt für die mutige Verkehrswende, die wir so dringend brauchen“, sagte sie. Dadurch, dass die Bundesregierung so einfache Maßnahmen wie ein Tempolimit verschleppe, werde das Leben kommender Generationen weiter mit Füßen getreten. „Es ist zynisch, dass der Autoverkehr in Deutschland immer noch besser geschützt wird als unser Überleben“, sagte Rochel.
In der Tat würde es die Letzte Generation in eine schwierige Position gegenüber der restlichen Klimabewegung bringen, wenn sie mit einem Stand an der Messe teilnehmen würde. Mehrere Protest-Bündnisse haben angekündigt, gegen die IAA zu demonstrieren. Für den 10. September ist eine Großdemonstration geplant, an den Tagen davor sollen an dezentralen Orten Blockaden und andere Protestaktionen den Ablauf der Messe stören. Das Verkehrswende-Bündnis „Sand im Getriebe“ sowie „Block IAA“, „Smash IAA“ und „No Future IAA“ mobilisieren seit mehreren Wochen dafür.
Oktoberfest verdrängt Protestcamp
Auch ein Camp für die Aktivist*innen soll es dieses Jahr wieder geben. Am Mittwoch einigten sich die Autogegner*innen und die Stadt München auf eine 1,8 Hektar große Fläche im Luitpoldpark im Stadtteil Schwabing. Denn die Theresienwiese, auf der die Aktivist*innen vor zwei Jahren gecampt hatten, ist dieses Mal schon für den Aufbau des Oktoberfests belegt.
Die Camp-Sprecherin Vanessa Probst zeigte sich zufrieden mit dem neuen Standort, der sehr gut zu erreichen sei. Neben Schlafplätzen und Infrastruktur sollen auf dem Camp, das für 1.500 Personen ausgelegt ist, auch Vorträge und Workshops stattfinden. Abgesehen von Attac beteiligt sich laut Probst aber in diesem Jahr keine der großen Klima-NGOs.
Vor zwei Jahren, als die Messe zum ersten Mal in München stattgefunden hatte, hatten sich Greenpeace, die Naturfreunde Deutschland, der Nabu und der BUND noch maßgeblich an der Organisation der Großdemonstration beteiligt. Uwe Hiksch von Naturfreunde Deutschland hatte damals beim Start der Demo dazu aufgerufen, sich nicht von der Polizei in gute und schlechte Demonstrant*innen spalten zu lassen.
Das Protestspektrum war durchaus heterogen: Während sich mehrere Aktivist*innen von Autobahnbrücken abseilten, drangen andere in ein Bosch-Werk ein und besetzten Pavillons auf den Außen-Werbeflächen der Messe. Wieder andere besetzten ein leerstehendes Haus in der Innenstadt.
Die bayerische Polizei ging äußerst repressiv gegen die Klimaschützer*innen vor und behinderte Pressevertreter*innen bei der Berichterstattung. Anders als etwa bei Antikohle- und Anti-LNG-Protesten der vergangenen Jahre konnten die Protestierenden in München nicht mal gemeinsam das Camp verlassen. Die Polizei hinderte sie mit Schlagstöcken und Pfefferspray daran. Auch deshalb wird sich der Protest in diesem Jahr – genau wie die Messe – wohl wieder über die ganze Stadt erstrecken.
Leser*innenkommentare
Encantado
"Carla Rochel, ablehnend auf die Einladung... „Die IAA stand in den vergangenen Jahren vor allem für Einschränkungen der Presse- und Versammlungsfreiheit... Dadurch, dass die Bundesregierung so einfache Maßnahmen wie ein Tempolimit verschleppe...""
Also bei aller Liebe, aber IAA und Bundesregierung so komplett gleichzusetzen, ist schon schräg.
Privatkundig
@Encantado Das würde ich mal nicht so leicht dahin sagen, sonst wäre nicht zu erklären, dass zumindest die Automobilbranche die Regierungspolitik derart stark beeinflusst, und sogar vor Betrug gegenüber der Öffentlichkeit, der Käufer und der Aufsichtsbehörde ,TÜV, nicht zurückschreckt (Abgasskandal) und dies anfangs von der Politik weder verfolgt, noch für wichtig genommen wurde. Auch, dass das Tempolimit von der CSU und FDP verweigert wird, obwohl dies in der Bevölkerung eine große Zustimmung hat.
Land of plenty
Hoffentlich gelingt nicht diese spaltende Vereinnahmung. Podiumsdiskussionen gibt es viele wenn das Jahr lang ist.
Milliarden für den Autoexport ist das Thema dieser "Messen".
rero
@Land of plenty Sich aber vor Ort direkt an die Autofans richten zu können, ist doch eigentlich eine Chance.
Besser und zielgerichteter kann man die Adressaten seines Protestes kaum erreichen.
95820 (Profil gelöscht)
Gast
"for trying to change the system from within..."
www.youtube.com/watch?v=fpAHxJ7AoN4
Wie wäre eine Diskussionsrunde mit Armin Laschet über Tempolimits für E-Autos? - auf dem Stand des ADAC
Troll Eulenspiegel
Sabotage.
Weil als ob Autokonzerne das umsetzen wollen, was FFF und LG fordern: Enteignung, Umwandlung in Straßenbahnproduktion und Lohnerhöhung der Arbeiter.
Christian29
@Troll Eulenspiegel Warum sollten die Konzerne das auch umsetzen? Wäre ja komplett verrückt und außer FFF und LG steht in Deutschland eh kaum jemand hinter dieser Forderung