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Debatte um Berliner FreibäderDie Macht der Bademeister

Kommentar von Plutonia Plarre

Ein Brandbrief, eine kollektive Krankmeldung und die Politik springt. Das Columbiabad in Berlin-Neukölln hätte nicht geschlossen werden dürfen.

Security im Prinzenbad Kreuzberg. In Regel hat die Aufsicht in den Bädern einen eher lauen Job Foto: dpa

D ie Schwimmbäder sind aus den Schlagzeilen, zum Glück. Eine Löwin, angeblich am Berliner Stadtrand gesichtet, ist der Grund. Was bleibt, ist der bittere Nachgeschmack, dass durch diese Debatte ohne wirkliche Not der Ruf der Berliner Bäder ruiniert worden ist. Selbst der Deutschlandfunk, für besonnene Berichterstattung bekannt, begann eine Reportage über bayrische Freibäder zu Wochenbeginn mit der Frage: Ob es dort so zugehe wie in „den“ Berliner Bädern?

Hauptstädtern, die sich mit ihren Freibädern identifizieren, stellen sich da die Nackenhaare auf. Natürlich kommt es an Hitzetagen, wenn die Bäder überfüllt sind, zu Stress. Ernsthafte Konflikte wie Massenschlägereien und Randale, die zu einem Polizeieinsatz und zur Räumung des Bades führen, bewegen sich aber im absoluten Promillebereich.

Es gibt in Berlin keine Brennpunktbäder, in die sich normale Besucher nicht trauen. Was es gibt, sind Bäder, die für Jugendliche besonders attraktiv sind. Das Columbiabad in Neukölln liegt da mit der längsten Großrutsche in Berlin ganz vorn. Kids gehen nicht ins Schwimmbad, um sich zu sonnen, sie wollen Spaß, über die Stränge schlagen. Jeder kennt das aus seiner Jugend.

Um nicht missverstanden zu werden: es gibt Grenzen, und die sind bei körperlichen Angriffen und Anfeindungen erreicht. Klare Ansage, gegebenenfalls Badverbot und Strafanzeige – das muss die Antwort sein. Durchsetzbar ist das natürlich nur, wenn genug Personal vor Ort ist. Aber auch das alleine reicht nicht: Es braucht selbstbewusste Beschäftigte in den Bädern, die ihre Pappenheimer kennen und wissen, wann die Reißleine gezogen werden muss, weil Spannung in der Luft liegt, Verstärkung vonnöten ist.

Das alles kann nur gelingen, wenn es zwischen den Bädern und der Führungsetage der Berliner Bäder Betriebe (BBB) einen kurzen Draht gibt. Jederzeit direkt und persönlich ansprechbar. Einen Brandbrief an den Vorstand zu schreiben, wie es offenbar im Juni geschehen ist, reicht nicht aus.

Schlechte Kommunikation

Die Kommunikation zwischen Angestellten und Führung hat ganz offensichtlich nicht funktioniert. Stattdessen haben alle Seiten Öl ins Feuer gegossen: Am 9. Juli, zuvor hatte die Polizei das Columbiabad nach einer Randale geräumt, meldeten sich große Teile der Badbelegschaft krank. Absprachegemäß, wie es scheint. Polemisch könnte man das auch ärztlich bescheinigte Arbeitsverweigerung nennen.

Und wie reagiert der Arbeitgeber, immerhin sind die BBB ein Landesunternehmen? Das Bad wird eine ganze Woche dichtgemacht. Transportiert wird damit für die Öffentlichkeit die Botschaft: so schlimm sind die Jugendlichen.

Die Schließungsentscheidung war eine kapitale Fehlentscheidung der BBB. Mehr noch, es war ein Offenbarungseid. Unterschlagend, dass es sich bei den Randalen um überschaubare Einzelfälle handelt, hat das Landesunternehmen den Medien und interessierten Teilen der Politik die Berliner Freibäder ans Messer geliefert und deren Ruf so massiv beschädigt.

Es hätte durchaus Alternativen gegeben: Columbiadbad offen halten, deutliche Aufstockung des Personals an Hitzetagen – das wäre das richtige Signal gewesen. Dass zusätzliches Personal vorhanden ist, zeigt sich jetzt. Notfalls hätte sich die BBB-Führungsetage aber auch selbst in das Columbiabad stellen müssen.

Bemerkenswert ist, dass sich an dem Vorgehen der Bäder Betriebe keinerlei öffentliche Kritik regt. Auch nicht am Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der die Schließung des Bades dazu nutzte, sich mit Symbolpolitik als Mann der Tat zu gerieren: Selbst an schwachbesuchten Tagen werden Berlins Freibäder nun mit Personal geflutet. Polizeifahrzeuge stehen vor den Badeanstalten, die Besatzungen drehen Däumchen.

Erstaunlich, was für eine Macht Bademeister mit einem Brandbrief und Krankschreibungen entfalten können. Und die Politik lässt sich erpressen. Sogar gern, der Regierende Wegner zumindest macht diesen Anschein. Die Methode könnte Nachahmer finden, zumal es Berufsgruppen gibt, die deutlich mehr Grund zum Klagen hätten als Bademeister, die zumeist eher einen lauen Job haben. Da wären zum Beispiel die Lehrer oder die Polizisten, die grundsätzlich immer die Suppe auslöffeln müssen. Einfach mal ordentlich kollektiv blau feiern. Krankschreibung reicht.

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Redakteurin taz.Berlin
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13 Kommentare

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  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Die Macht der Bademeister... taz.de/#!tom=2002-09-12



    ("/" slash - Sie wissen schon)



    Warum lese ich nie Bademeister*innen?

  • "Kids gehen nicht ins Schwimmbad, um sich zu sonnen, sie wollen Spaß, über die Stränge schlagen. Jeder kennt das aus seiner Jugend."

    Nee, sorry, so kenne ich das nicht. Tut mir leid. Spaß haben, ja. Über die Stränge schlagen? So wie aktuell? Nein. Das kenne ich nicht aus meiner Jugend.

  • "Dass zusätzliches Personal vorhanden ist, zeigt sich jetzt. "

    Dann hat sich das wohl seinerzeit nicht gezeigt. Es ist wohlfeil zu behaupten, dass das mittlerweile organisierte zusätzliche Personal ma so eben mit einem Fingerschnipps organisiert ist. Und dann aus dieser Organisation von zusätzlichen Personal ( haben Mitarbeiter auf Urlaub verzichtet? ) auch noch einen Strick zu drehen ist auch irgendwie überheblich.

  • Die Bäder-Betriebe haben einen extrem starken Personalrat. Alle Beteiligten wollen die Situation lösen. Ob eine illegale Krankmeldung richtig ist? Probleme müssen angegangen und gelöst werden. Von allen Seiten. Natürlich muss sich kein Bademeister anspucken oder beschimpfen lassen. Das geht gar nicht. Aber alle müssen sich zusammensetzen und eine Lösung finden.



    Die Bäder können NICHT zum Austragungsort politischen Versagens werden. Die Probleme entstehen ja nicht im Bad sondern vorher.



    In den Bädern gibt es Konfliktlotsen die helfen und das Personal muß geschult werden. Sowas kann mit Sicherheit der Personalrat im Interesse des Personals organisieren.



    Nochmal: Die Bäder sind nicht schuld an den Konflikten! Aber: Badschließungen und die Sperrung von Attraktionen sind KEINE Lösung.

  • Diese faulen Bademeister.

    Anstatt vernünftig mit ihrer Führung zu kommunizieren, machen sie einfach blau.

    Gibt es da einen Betriebsrat? Wie stark sind die Angestellten gewerkschaftlich organisiert? Wir wissen es nicht.

    Gab es vor diesem Brief keine Versuche, mit der Leitung ins Gespräch zu kommen. Keine Ahnung. Frau Plarre weiß es wohl auch nicht.

    Ist ja auch egal, ist ja alles im Promillebereich. Das bisschen Spucken, Drohen, Schlagen.

    Brandbriefe schreibt man üblicherweise, wenn es brennt, selbst wenn das im Schwimmbad passiert.

    Wie damals bei der Rütlischule. Oder waren die Pauker auch nur Faulpelze?

  • Ich habe selbst erlebt in welcher Form die Angestellten im Schwimmbad angegangen werden und selbst die Polizei wird beschimpft und absolut respektlos behandelt… solche Menschen haben im Schwimmbad nichts verloren die Ausweiskontrollen und Hausverbote für die Wiederholungstäter sind die richtigen Maßnahmen. Es kann nicht sein das ein paar wenige die meinen für sie gelten keine Regeln die Mehrheit terrorisieren.

  • Ich frage mich, ob die Autorin (als Journalistin durchaus möglich) selbst schon einmal in der Situation war, an ihrem Arbeitsplatz und bei der Ausübung ihrer Tätigkeit beleidigt, bespuckt und geschlagen worden zu sein.



    Gleichzeitig das Gefühl zu haben, für die Sicherheit von Schwächeren(/Schutzbefohlenen?) (Badegästen, teilweise Frauen, schwul, Queer ...) verantwortlich zu sein bzw. sich einsetzen zu müssen.

    Dass die Bademeister und Bademeisterinnen trotzdem so schnell an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt sind, hat meinen allerhöchsten Respekt; ich hätte das nicht getan und habe darauf gehofft, dass sie die 6 Wochen Lohnfortzahlung nutzen und zur Ruhe kommen können. Ich hoffe, die Angestellten hatten wenigstens die Wahl und ihre Arbeitsverträge sind nicht in der Weise ausgestaltet, dass sie keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung haben.

  • So schlimm sind die Eltern dieser Jungs: wo bleibt die Vermittlung von Rücksicht, Akzeptanz von Regeln?



    Sie haben in ihrer Reportage ja selbst die gleichaltrigen Mädchen zitiert.



    Es gibt zum Thema seit 2011 einige Veröffentlichungen von Aladan al-Mafaalani und Ahmet Toprak.

    Überfüllung ist ein anderer Faktor. Ein Kino lässt auch niemand mehr rein, wenn es ausverkauft ist.

  • die taz redaktion kann doch gerne mal als sommer workshop eine woche das columbiabad übernehmen.

  • Als sich politisch links begreifender Mensch habe ich das Gefühl von Solidarität mit den Bademeister*innen, die sich an einem gewissen Punkt nicht mehr alles gefallen lassen wollen.



    Als nicht links, sondern reaktionär empfinde ich es, wenn man arbeitenden Menschen vorwirft, für Ihre Interessen einzustehen.



    Zumal es sich hier nicht um eine Hochlohngruppe handelt.

    • @Ringsle:

      Dachte ich auch gleich. Die zugrundeliegende Logik ist letztlich das neoliberale "Dafür zahl ich doch Steuern!"

    • @Ringsle:

      Richtig, ich habe diese Kritik der taz auch nicht verstanden.

    • @Ringsle:

      Danke, das sehe ich auch so.