Schnellverfahren nach dem Freibad: Lektion in Gewaltenteilung

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann fiel diese Woche mit der Forderung auf, Freibad-Randalier noch am Tag der Randale zu verurteilen. Geht das?

CDU-Generalsekretär Linnemann.

Entsprechend seiner Rolle: CDU-Generalsekretär Linnemann mit populistischen Forderungen Foto: Michael Kappeler/dpa

Der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte: „Wer mittags im Freibad Menschen angreift, muss abends vor dem Richter sitzen und abgeurteilt werden. Auch am Wochenende.“

Richtig ist:

Die Strafprozessordnung erlaubt schon lange „beschleunigte Verfahren“. Dabei muss die Staatsanwaltschaft zum Beispiel keine Anklageschrift schreiben, sondern kann die Anklage mündlich im Gericht vortragen. Zuständig ist keine Sonderjustiz, sondern die normalen Amts- und Landgerichte. Die unabhängigen Rich­te­r:in­nen entscheiden auch, ob ein Schnellverfahren angewandt wird oder nicht. Die Politik kann das nicht anordnen.

In der Praxis spielen beschleunigte Verfahren bisher kaum eine Rolle. Denn sie sind für die Justiz mit erhöhtem Koordinationsaufwand verbunden. Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung müssen sich kurzfristig auf einen Termin einigen. Prozesse am Sonntagabend für Straftaten vom Wochenende gibt es in der Praxis so gut wie nie. Wenn die Politik von der Strafjustiz mehr Eilverfahren erwartet, müsste sie die Justiz zunächst mit mehr Personal ausstatten.

Allerdings sind Angriffe auf Bademeister kein besonders geeignetes Feld für beschleunigte Verfahren. Denn oft dürften die Verdächtigen noch jung sein. Gegen Jugendliche (unter 18) ist das beschleunigte Verfahren aber gar nicht zulässig und gegen Heranwachsende (18 bis 21) nur unter strengen Bedingungen.

Außerdem sind beschleunigte Verfahren nur zulässig, wenn der Sachverhalt einfach oder die Beweislage klar ist, etwa wenn ein Einzeltäter auf frischer Tat ertappt wird und sofort alles gesteht. Bei einer Freibad-Aggression sind aber meist viele beteiligt und keiner will's gewesen sein. Im deutschen Strafprozess muss jedoch die Schuld des individuellen Täters nachgewiesen werden. Gerade bei unübersichtlichen Sachverhalten ist daher eine komplizierte Beweisaufnahme zu erwarten und ein Eilverfahren deshalb ausgeschlossen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.