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Kulturfestival zur Lage in AfghanistanIn ihnen brennt Kabul

Das Projekt „Goethe-­Institut im Exil“ rückte am Wochenende mit einem Kulturfestival Afghanistan in den Mittelpunkt. Die Lage im Land ist desaströs.

Das mittlerweile geschlossene Goethe-Institut in Kabul Foto: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Zwei Jahre ist es her, dass die internationalen Truppen aus Afghanistan abzogen. Bilder vom Kabuler Flughafen zeugten von ungeheurem Chaos, von Panik, die die Menschen vor Ort angesichts der Machtübernahme der Taliban ergriff. Stetig hatte die islamistische Terrorgruppe Provinz für Provinz zurückerobert. Kabul fiel in wenigen Stunden. Seitdem ist weltpolitisch viel passiert.

Damit Afghanistan und seine über 40 Millionen Be­woh­ne­r:in­nen nicht ins Vergessen geraten, machte am Wochenende ein Kulturfestival in Berlin auf die desaströse Lage im Land aufmerksam: Das Goethe Institut widmet seinen dritten Schwerpunkt des Projekts „Goethe-Institut im Exil“ nach der Ukraine und Iran nun Afghanistan. Kulturschaffende, die das Land am Hindukusch verlassen mussten, geben im Berliner Kunsthaus Acud fortan bis Ende des Jahres mit Filmvorführungen, Lesungen, Konzerten und Diskussionsrunden Einblick in ihre Arbeit.

„Seit 40 Jahren herrscht in Afghanistan Krieg“, sagt Ibrahim Hotak, der das Kabuler Büro des Goethe-Instituts bis 2019 leitete und zusammen mit Armeghan Taheri und Olga Sievers das Festival kuratiert, bei dessen Eröffnung. Dieser Krieg verschlinge astronomische Summen, dabei gehöre der Staat zu den ärmsten Ländern der Welt. In den letzten 20 Jahren nach Vertreiben der Taliban sei die afghanische Literatur vielstimmig geworden, Kino und Theater konnten sich entwickeln. Gearbeitet habe man jedoch unter schwierigen Bedingungen, sagt Hotak und erzählt von einem Selbstmordattentat bei einer Theateraufführung, zu der Hotak aufgrund des stockenden Kabuler Verkehrs zu spät erschien.

Gewalt ist stets präsent in der Kultur Afghanistans. So trägt die Schriftstellerin Muzghan Schaffa am Freitagabend ihr Gedicht „Bamiyan und sein Buddha“ vor. „In mir brennt Kabul“, heißt es darin, und: „Ich bin das Geräusch von Raketen und Mörsern.“ Traurige Aktualität hat heute wieder ein Musikvideo von 2003. In „Burka Blue“, das im Acud auf einem Bildschirm im Hof flimmert, musizieren drei vollverschleierte Frauen – zumindest nimmt man das an, denn wie die Burka Band, die erste Girlgroup Afghanistans, über krachende Schlagzeugbeats trocken anmerkt, könnte sich unter dem weiten blauen Tuch auch der Onkel oder Großvater verstecken.

Armut und niederschmetternde Stimmung

Seit der erneuten Machtübernahme der Taliban 2021 ist die humanitäre Lage im Land verheerend. Schätzungen zufolge leben 97 Prozent der Af­gha­n:in­nen unterhalb der Armutsgrenze. Die Stimmung im Land sei niederschmetternd, selbst die Tiere seien depressiv, sagt bei einer Diskussionsrunde die Schauspielerin und Menschenrechtlerin Malalai Zikria. Seit ihrer Kindheit lebt sie in Frankreich, besucht Afghanistan jedoch regelmäßig.

Die unter der Vorgängerregierung im Land grassierende Korruption, die sie anspricht, hat auch den neben ihr sitzenden Kabir Mokamel beschäftigt. Der afghanisch-aus­tralische Künstler hatte 2015 begonnen, zusammen mit Freiwilligen die weiß strahlenden Sicherheitsmauern in Kabul zu bemalen; zunächst mit Motiven, die Korruption beklagten, später mit Bildern, die das geschundene Land einen sollten. Mit der Rückkehr der Taliban verschwanden freilich auch die Wandbilder.

Die Diskussion wird hitzig an diesem Samstagmorgen. Spätestens als Zikria auf den afghanischen Film zu sprechen kommt, der, unter den Taliban weiterlebend, die Grenzen des Erlaubten ausloten müsse. Als Beispiel nennt sie Iran, wo es Fil­me­ma­che­r:in­nen auch unter den Mullahs möglich sei, Filme zu produzieren. Ob sie vorschlage, Filme über den Dschihad zu drehen?, fragt ein Mann im Publikum sarkastisch. Von einer Annäherung an die Taliban möchte im Saal keiner etwas wissen, scheint es. Immer lauter werden die kaum mehr simultan zu übersetzenden Rufe der großteils afghanischen Zuschauer:innen. Einige verließen unter gefährlichen Umständen vor knapp zwei Jahren Afghanistan.

Sie mache es wütend, wenn Menschen, die in der Diaspora leben, das Taliban-Regime verharmlosen, sagt Faiqa Sultani nach der Diskussion im Gespräch mit der taz. Die Künstlerin und Fotografin erzählt von den drei Tagen, die sie mit ihrer Familie im Gefängnis ausharren musste, von der Gewalt, die ihrem Mann dort vor ihren Augen angetan wurde, bevor sie im November 2021 nach Deutschland fliehen konnte. Millionen von Mädchen und Frauen würden unterdrückt, könnten weder arbeiten noch zur Schule gehen. Menschenrechte, sagt Sultani, gelten in Afghanistan nicht. Gerechtigkeit werde es unter den Taliban schlichtweg nicht geben.

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