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Friedenspreis für Salman RushdieEine gute, politische Entscheidung

Kommentar von Dirk Knipphals

Unbeirrt verteidigt der Autor Salman Rushdie mit seinen Romanen das Recht auf freie Meinungsäußerung. Ihm und anderen gebührt öffentliche Solidarität.

Bevor es um den Preis gesagt, sei gesagt: Wie froh, dass es dem Autor wieder besser geht Foto: imago

B evor es um den Preis geht, sollte man die Gelegenheit nutzen, um zu betonen: Was für eine Erleichterung, dass sich Salman Rushdie wieder halbwegs erholt hat! Dass er – schrecklich genug – „nur“ ein Auge und nicht sein Leben verlor. Dass er seine Romane weiterschreiben kann und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels im Oktober wird entgegennehmen können. Selbstverständlich war das nicht. Das Attentat auf ihn im vergangenen Jahr war perfide und schlimm.

Seit Ajatollah Chomeini 1989 eine Fatwa gegen ihn verhängte, lebt Rush­die unter Todesdrohungen. Sein Umgang damit muss einem Respekt einflößen. Unbeirrt verteidigt er die Meinungsfreiheit weiter – auch die Freiheit, andere Meinungen zu haben als seine eigene –, und selbstverständlich nimmt er weiterhin sein gutes Recht wahr, Romane zu schreiben und öffentlich aufzutreten. Dazu steht ihm jegliche Solidarität durch die Öffentlichkeit zu.

Weil sie diese Solidarität glaubwürdig symbolisiert, ist der Friedenspreis für Rush­die eine gute Entscheidung. Der Friedenspreis ist zuletzt wieder eindeutiger politisch geworden. Vor zwei Jahren erhielt ihn Tsitsi Dangarembga, die sich in Simbabwe in einem fragwürdigen Gerichtsprozess dagegen wehren musste, mundtot gemacht zu werden.

Alle drei verbindet Einsatz für Menschenrechte

Vergangenes Jahr bekam ihn Serhij Zhadan, der Ukrainer, der sein Land ausdrücklich auch als Schriftsteller gegen den Aggressor Russland verteidigt. Und jetzt Salman Rushdie. Alle drei Entscheidungen leuchten ein, denn alle drei Preis­trä­ge­r*in­nen verbinden einen hohen Einsatz für Freiheit und Menschenrechte mit einem jeweils auf seine Weise beeindruckenden literarischen Werk.

Man wünschte, es könnte irgendwann bei hohen Literaturpreisen ausschließlich um Literatur gehen. Doch danach sieht die Weltlage gerade leider nicht aus. Bis dahin beweist die Jury des Friedenspreises immerhin literarische Expertise und ein Gespür dafür, dass die düsteren Zeiten mit einem Krieg mitten in Europa und Bedrohungen der Demokratie weltweit eines entschlossenen Einsatzes für verfolgte Schrift­stel­le­r*in­nen bedürfen.

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Literaturredakteur
Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).
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4 Kommentare

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  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    Ergänzung zum Leser-Kommentar: Er hat viele Preise bekommen und Frankreich hat bereits im letzten Jahrhundert einen an ihn vergeben.

  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    Warum erst jetzt kann man da fragen. 2016 wäre das ein Anfachen von Hetze gewesen ... leider ist Frankreich immer noch nicht so. weit ihm einen Preis zu geben. Sollte manche Preisverleihung eher anonym vorgenommen worden sein um ihn dadurch zu schützen, dann ist ihm eine bessere freie Zeit zu wünschen. So oder so Glückwunsch für die Preise.

  • "Unbeirrt verteidigt der Autor Salman Rushdie mit seinen Romanen das Recht auf freie Meinungsäußerung. Ihm und anderen gebührt öffentliche Solidarität."

    Schöne Kathederphrase, aber das "Recht auf freie Meinungsäußerung" vertritt ein Donald Trump und ein Björn Höcke weitaus vehementer und lautstärker als Salman Rushdie.

    Rushdie ist erst mal Literat, und zwar ein exzellenter . Die Rolle als Meinungsfreiheitsmärtyrer hat er sich nicht ausgesucht, da wurde er von der religious right hineingezwungen.

    Das ändert nichts an der Tatsache, dass er diesen Preis mehr als verdient hat. Denn was er *nicht* macht, ist, die Meinungsfreiheit zur Hetze zu missbrauchen. Er ist schlicht und ergreifend ein Großmeister des Magischen Realismus, ohne die umständliche Gewundenheit eines John Irving, oder das Konstruierte eines Pynchon, dafür aber mit einem reichlichen Prise Rabelais oder vielleicht Nasreddin, und möge er lange und in Frieden leben!

  • "Bevor es um den Preis gesagt, sei gesagt: Wie froh, dass es dem Autor wieder besser geht "

    Gewöhnungsbedürftig.