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Turbo-Abi in HamburgDas falsche Angebot

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Obwohl viele Eltern ihr Kind am G8-Gymnasium anmelden, bedauern sie es später. Deshalb ist es nie zu spät, zu streiten, ob der Bildungsweg gut ist.

Schulzeit ist auch wichtig als Phase, in der ein junger Mensch noch nicht wissen muss, was er will Foto: Julian Stratenschulte/dpa

D ie Frage, ob G8 oder G9, ist in Hamburg ein altes Dilemma. Keine Eltern sind gezwungen, ihr Kind aufs G8-Gymnasium zu geben, gibt es doch Stadtteilschulen, wo ihr Kind in neun Jahren das Abitur erreichen kann. Aber dann kommt in Klasse 4 die Frage, wie es mit dem Kind in Klasse 5 weitergeht. Wenn dann die Freunde zum Gymnasium gehen und auch die Lehrkräfte das empfehlen – warum nicht, denken sich die Eltern.

Dass das Ganze wirklich stressig wird, wird dann erst in der weiteren Schulzeit klar. Die Elterngruppe G9 Hamburg artikuliert einen Leidensdruck: Dass es den Kindern nicht gut tut, so viel Druck zu haben, dass ihnen Zeit auch für die soziale Reife fehlt. Schulsenator Ties Rabe redet daran vorbei, wenn er die täglichen Minuten zählt. Es geht ja auch um die Lebensphase Schulzeit, in der noch gilt: „Ich muss noch nicht wissen, was ich will.“

Schon 2019 kochte das Thema Turbo-Abi hoch. Laut einer Umfrage wollten 76 Prozent der Hamburger den Kindern mehr Zeit gönnen und die CDU war versucht, das im Wahlkampf zu nutzen. Dann fädelte Rabe schnell einen neuen „Schulfrieden“ mit CDU und FDP ein. Mit dem Ergebnis, dass es neue Bildungspläne mit noch viel mehr Inhalt geben sollte, die den Druck erhöhen. Das ist paradox, wenn man die damalige Ausgangslage – Kritik am Turbo-Abi-Stress – bedenkt.

Rabe hat sich damit nun eingebrockt, dass die Zustimmung der Gymnasien zum G8 schwindet. Die nun schon 20 Jahre Turbo-Abi haben auch gezeigt: Es strömen nicht weniger Kinder zum Gymnasium, nur weil es dort zur Strafe G8 gibt. Aber so wie Eltern und Lehrkräfte die Probleme schildern, ist es das falsche Angebot.

Warum also nicht die Debatte neu führen? Dabei hat die Linke nicht unrecht. Das Gymnasium muss mehr Verantwortung übernehmen, darauf verzichten, Schüler abzuschulen. Und auch an Stadtteilschulen könnte es Schüler geben, die im eigenen Tempo schneller fertig werden. Überhaupt könnte das auch von der GEW befürwortete Modell des „Abiturs im eigenen Takt“ eine goldene Brücke in diesem alten Streit sein. Dass all so was Geld kostet und Aufwand bedeutet, wie Rabe stöhnt, ist kein echtes Gegenargument.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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