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Zahlen zu Armut und sozialer Ausgrenzung17,3 Millionen Menschen betroffen

Mehr als jede fünfte Person gilt in Deutschland als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Das zeigen Daten, die sich aber auf 2021 beziehen.

6,1 Prozent der Bevölkerung waren im Jahr 2021 von materieller und sozialer Entbehrung betroffen Foto: Federico Gambarini/dpa

WIESBADEN epd/taz | Rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung bleibt nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Wie das Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mitteilte, waren laut einer Erhebung aus dem Jahre 2022 gut 17,3 Millionen Menschen betroffen. Das entsprach 20,9 Prozent der Bevölkerung. Nach der Erhebung aus dem Jahre 2021 lag der Anteil bei 21 Prozent.

Die Zahlen von 2022 bedeuten allerdings nicht, dass sich die Quoten auch tatsächlich auf dieses Jahr beziehen. 2022 ist lediglich das Jahr der Befragung und die Befragten geben im Rückblick ihr Jahreseinkommen an. Die Fragen zum Einkommen „beziehen sich auf das Vorjahr der Erhebung, in diesem Falle also auf das Jahr 2021“, heißt es in der Mitteilung des Statistischen Bundesamtes. Die Zeiten der hohen Inflation im Jahre 2022 sind also in den Antworten nicht berücksichtigt.

Eine Person gilt in der Europäischen Union (EU) als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, wenn mindestens eine von drei Bedingungen zutrifft: Ihr Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze, ihr Haushalt ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen, oder sie lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung.

Laut der Erhebung war demnach etwa jede siebte Person (12,2 Millionen Menschen) in Deutschland armutsgefährdet. Eine Person gilt als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Nach der Studie lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland mit Bezug auf 2021 nach Steuern und Sozialabgaben bei 1.250 Euro im Monat.

6,1 Prozent der Bevölkerung (5,1 Millionen Menschen) in Deutschland waren laut der Erhebung von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen. Das bedeutet, dass ihre Lebensbedingungen aufgrund von Geldnot deutlich eingeschränkt waren. Die Betroffenen waren den Angaben nach zum Beispiel nicht in der Lage, ihre Rechnungen für Miete, Hypotheken oder Versorgungsleistungen zu bezahlen, eine einwöchige Urlaubsreise zu finanzieren, abgewohnte Möbel zu ersetzen oder einmal im Monat im Freundeskreis oder mit der Familie etwas essen oder trinken zu gehen.

9,7 Prozent der Bevölkerung unter 65 Jahren (6,1 Millionen Menschen) lebten in einem Haushalt mit sehr niedriger Erwerbsbeteiligung. Das heißt, die Haushaltsmitglieder waren insgesamt sehr wenig oder nicht in den Arbeitsmarkt eingebunden. Das wird laut Statistischem Bundesamt dann konstatiert, wenn die Erwerbsbeteiligung der erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder im Alter von 18 bis 64 Jahren insgesamt weniger als 20 Prozent betrug. Das sei zum Beispiel der Fall gewesen, wenn in einem Haushalt mit zwei Personen in dieser Altersgruppe eine Person überhaupt nicht arbeitete und die andere insgesamt nur in vier von zwölf Monaten erwerbstätig war.

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4 Kommentare

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  • Wir (also die Bürgerinnen und Bürger) erfahren jetzt durch die Statistiken von diesen Zuständen.



    Die Regierendinnen und Regierenden haben die Zahlen selbstverständlich schon länger.



    Und Leugnen die nach Kräften.



    Aber es ist denen doch offenbar scheißegal.

    Allen Lippenbekenntnissen zum Trotz.

    Wie man in Bremen brühwarm sehen konnte werden die Menschen langsam "unruhig". Ich fürchte allerdings, das Rascheln in des Volkes Seele ist viel zu leise um bis in des Polits Ohr zu gelangen ...

  • Nach der benannten Definition sind auch Privatière und Vermieter von Armut betroffen.

    Eine Armutsgefährdung an einer bestimmten Quote des Durchschnittseinkommens indexieren zu wollen ist ebenfalls unlauter. Steigen beispielsweise obere Einkommen bei ansonsten unveränderten Faktoren rutscht die untere Mittelschicht allein aus statistischen Gründen in den Armutsgefährdung. Steigen dagegen beispielsweise Lebensmittelpreise bei unveränderten Einkommensdaten erheblich an, wird die echte wachsende Armutsgefährdung dagegen nicht statsisch abgebildet.

  • Da sind sie wieder, die "neuesten" Zahlen, die schon ziemlich alt sind.



    Akzeptierte Armut, akzeptierte Ausgrenzung, das ist auch



    ein fortschreitendes Modell.



    Keiner regt sich wirklich noch auf.



    Die abgekoppelten Menschen stehen in der gesellschaftlichen Landschaft



    herum, wie Blumentöpfe ohne blühende Pflanzen.

  • Und da erfahrungsgemäss nur sehr wenige dieser Menschen überhaupt noch zur Wahl gehen, kümmert sich keine (!) Partei wirklich um diese Gruppe. Vielleicht noch die LINKE, doch die sind mit sich selbst beschäftigt.