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Landtagswahl in BremenDie SPD lässt sich bitten

Nach der Wahl in Bremen ist offen, ob es wieder Rot-grün-rot oder eine Große Koalition geben wird. Die SPD will "ergebnisoffen" mit fast allen reden.

Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) kann auf viel Zugeständnisse der Koalitionspartner setzen Foto: Sina Schuldt/dpa

Bremen taz | Noch gibt es kein amtliches Endergebnis der Landtagswahl in Bremen, das wird angesichts des komplexen Wahlsystems erst für Mittwoch erwartet. Doch nach den ersten Hochrechnungen am Tag danach ist klar: Es gibt weiterhin eine Mehrheit für ein progressives Bündnis aus SPD, Grünen und Linken.

Ob es am Ende dazu kommen wird, ist aber völlig offen. Die Sozialdemokraten vermeiden auch nach ihrem Wahlsieg – die Hochrechnungen sprechen von 30,1 Prozent der Stimmen – jede Koalitionsaussage. Seine Partei wolle „sehr ernsthaft“ und „ergebnisoffen“ mit allen im Landtag vertretenen Parteien außer den rechten Wutbürgern reden, sagt SPD-Chef Reinhold Wetjen. „Wir wollen so viel von unserem Programm umsetzen wie möglich.“ Eine Ampelkoalition ist angesichts der Gegensätze von FDP und Grünen bei der Verkehrspolitik nahezu ausgeschlossen, auch wenn sie rechnerisch möglich sein sollte.

Die Wahlbeteiligung lag bei 57,5 Prozent – sieben Prozentpunkte niedriger als bei der vorigen Bürgerschaftswahl.

Sowohl die CDU als auch Linke und Grüne werden zu viel Zugeständnissen bereit sein, um am Ende von der SPD als Koalitionspartner ausgewählt zu werden. Die Grünen wollen zunächst einmal ein Signal für den „dringend nötigen Aufbruch“ senden, sagt ihr Landesvorsitzender Florian Pfeffer – ihre Spitzenkandidatin Maike Schaefer kündigte am Montag an, nicht mehr für den Senat zur Verfügung zu stehen. Angesichts von nur 11,9 Prozent der Stimmen in den Hochrechnungen halten sich die Grünen mit inhaltlichen Positionierungen oder gar Forderungen für die Sondierungsgespräche momentan streng zurück.

Selbstbewusste Linke

Die Linkspartei hingegen tritt mit mehr Selbstbewusstsein auf. Mit 11,1 Prozent der Stimmen in den aktuellen Hochrechnungen liegen sie fast gleichauf mit ihrem Ergebnis bei der letzten Bürgerschaftswahl – stehen aber deutlich besser da als Die Linke im Bund. „Das ist ein unglaubliches starkes Ergebnis“, sagt Landessprecher Christoph Spehr und ein „starker Vertrauensbeweis“ für die eigene Politik.

Erste Analysen der Wäh­le­r:in­nen­wan­de­run­gen zeigten, dass es Umverteilungen vor allem innerhalb der Regierungskoalition gab – von den Grünen hin zu SPD und der Linkspartei. Spehr betont, dass bei einer Neuauflage von R2G neben der Bildungs- die Sozialpolitik eine zentrale Rolle spiele: „Es muss um die Frage gehen: Wie leisten wir mehr bei der sozialen Gerechtigkeit?“ In diesem Zusammenhang kritisierte er den Umgang mit der Energiekrise – damit sei die Linkspartei „unzufrieden“ gewesen. Das ist als Geste an die SPD und als Kritik an den Grünen zu verstehen. Trotzdem: „Wir wollen, dass die Mehrheit für Rot-Grün-Rot realisiert wird“, sagt Spehr.

Doch auch die CDU macht sich Hoffnungen auf eine Regierungsbeteiligung: „Wir sind offen für Gespräche mit der SPD“, betont der Landesvorsitzende Carsten Meyer-Heder, dessen Partei in den Hochrechnungen bei 25,4 Prozent der Stimmen liegt. Er sieht „eine Wechselstimmung“, ähnlich wie 2019, als die CDU mit ihm als Spitzenkandidaten erstmals seit Kriegsende die SPD als stärkste Kraft ablösen konnte. Die letzte große Koalition in Bremen gab es unter den Bürgermeistern Henning Scherf und Jens Böhrnsen, 1995 bis 2007.

Gemeinsamkeiten mit der SPD sieht der CDU-Chef vor allem dort, wo es um Verkehr, Inneres und Bildung geht – also die klassischen Politikfelder der Landespolitik. Auch in der Wirtschaftspolitik gebe es „nur graduelle Unterschiede“, so der Unternehmer Meyer-Heder. Einzige Ausnahme: Der kurz vor der Wahl beschlossene, von der Handelskammer bekämpfte Ausbildungsfonds, der von der CDU scharf kritisiert wird, aber ein Herzensanliegen von SPD und Gewerkschaften ist.

Meyer-Heder sieht „mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede“ mit der SPD und spricht immer wieder davon, dass es in der Bremer Politik „kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem“ gebe. Im Falle einer Regierungsbeteiligung wird die CDU angesichts ihrer Schwerpunkte im Wahlkampf neben dem Finanz- sicher auch das Bildungsressort besetzen wollen. Derzeit gibt es neben dem SPD-Bürgermeister acht Senator:innen, drei davon von der SPD.

Die Grünen müssten ein Ressort abgeben

Sollte es zu einer Neuauflage der rot-grün-roten Koalition kommen, werden sich die Gewichte im Senat zugunsten der SPD verschieben: Derzeit stellen die Linken zwei Senatorinnen, die für Wirtschaft und Gesundheit, die Grünen aber drei: die Senator:in­nen für Finanzen, für Soziales sowie für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau. Letzteres Ressort wird bisher von Maike Schaefer geführt. Wer ihr nachfolgen könnte, ist völlig offen, ihre beiden Vorgänger Reinhard Loske und Joachim Lohse (beide Grüne) kamen aber nicht aus Bremen.

Nicht unwahrscheinlich ist, dass dieses Ressort Teile seiner Zuständigkeiten abgeben muss. Zudem ist davon auszugehen, dass die Grünen ein Ministerium abgeben müssen.

Dass die Sozialsenatorin seit 2011 nicht mehr von der SPD gestellt wurde, sondern von den Grünen, hat damals viele Sozis gewurmt; jetzt könnte sich die SPD dieses Ressort – in ihrer eigenen Wahrnehmung ja ein Herzstück der Sozialdemokratie – wieder zurückholen. Dass die SPD den Bürgermeister stellen und das Finanzministerium besetzen darf, gilt hingegen als eher unwahrscheinlich.

Anders als in anderen Bundesländern werden die Se­na­to­r:in­nen in Bremen aber von der Bürgerschaft, also dem Landtag gewählt. Der Bürgermeister ernennt also nicht die einzelnen Mitglieder seiner Regierung.

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1 Kommentar

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  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    na da wünsch ich Bremen eine weitere Runde RRG, den GroKo hat etwas lähmendes