Abholzung des Waldes: Bewirtschaften, aber schützen
Intensivere Landwirtschaft zerstört die Natur, ist eine These. Eine neue Studie zeigt, dass Indigene es trotzdem schaffen, ihren Wald zu erhalten.
Wenn die landwirtschaftliche Produktion intensiver wird, etwa durch neue Technologien oder effektivere Pestizide, benötigen Landwirte weniger Nutzfläche und schützen Ökosysteme so automatisch mit. So lautet die in den Umweltwissenschaften verbreitete „land sparing“-These. Die Gegenseite, das sogenannte „rebound effect“-Lager, behauptet, dass mehr intensive Landwirtschaft zu mehr Landnutzung und Naturzerstörung führt. Die Produktion werde profitabler und der Mensch, zumindest in der Ausführung des „homo oeconomicus“, könne nur schwer genug bekommen. Welches Lager hat recht?
Die Studie
Eine im Februar im Fachmagazin Nature Sustainability veröffentlichte Studie hat für tropische Trockenwälder wie den Gran Chaco in Argentinien oder die Caatinga in Brasilien berechnet, dass höhere Erträge aufgrund einer intensiveren Landwirtschaft die Rodungsrate in den vergangenen 20 Jahren eindeutig beschleunigt haben, anstatt sie zu verringern. Das Team unter der Leitung von Marie Pratzer vom Geographischen Institut der Humboldt-Universität Berlin vereinte Satellitendaten zur Waldzerstörung, Daten zur Intensivierung der Landwirtschaft und Daten zu indigenen Territorien in einem statistischen Modell.
Auf drei Kilometer genau analysierte Pratzers Team, wo Wald wächst und wo nicht, wo sich dies mit indigenen Territorien überschneidet und wie sich die landwirtschaftlichen Erträge in einem Land entwickelt haben. Das Ergebnis: Überall, außer in indigenen Territorien, nimmt die Abholzung zu, wenn die Landwirtschaft intensiver wird. „In indigenen Territorien wurde der Wald trotz des Intensivierungstrends weniger stark abgeholzt“, sagt Pratzer.
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Was bringt’s?
Zweierlei. Erstens: Die Studie ist ein Argument für die „rebound effect“-These. „Die vereinfachende Perspektive, dass der Markt es schon richten wird, kann viel Schaden anrichten“, sagt Pratzer. Die Logik des „land sparing“ habe in der Vergangenheit als Grundlage für Nachhaltigkeitszertifikate gedient oder wurde gar unter dem Anspruch nachhaltiger Entwicklung gefördert, obwohl der Ansatz natürliche Ökosysteme nachweislich nicht geschützt habe.
Zweitens: Indigene Territorien zu schützen heißt Ökosysteme zu bewahren. Indigene Völker verwalten mehr als ein Viertel der globalen Landmasse und folgen dabei oft keiner marktwirtschaftlichen Logik. „Es ist wichtig, diese Praktiken zu stärken und rechtlich abzusichern“, sagt Pratzer.
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