Studie zu Bioindikatoren: Unscheinbare Superpflanzen
Die Flechte zeigt Wissenschaftler:innen an, wie gut die Luftqualität ist. Ein Forschungsteam hat nun 28 weitere Arten entdeckt.
Lebewesen wie Pflanzen, Tiere und Bakterien reagieren auf Veränderungen in ihrer Umwelt. Wenn sich etwa durch menschliche Aktivität die Luftqualität verschlechtert, passen sie sich an. Im schlimmsten Fall verschwinden sie. Die feinfühligsten dieser Organismen nennt man Bioindikatoren, da sie Umweltveränderungen frühzeitig anzeigen können. Die Flechte zählt zu dieser Gruppe. In Deutschland findet man sie als gelbe, grüne, rote oder weiße Farbtupfer auf Steinen und Rinden.
Biologisch betrachtet ist eine Flechte eine Gemeinschaft aus Pilzen und Grünalgen oder Cyanobakterien. Dieses Konzept der Natur ist clever, da alle Beteiligten davon profitieren. Die Algen oder Bakterien ernähren die Gemeinschaft durch Photosynthese. Das Pilzgeflecht dient als Reservespeicher und schützt vor Austrocknung und UV-Licht.
Da Flechten keine Schutzschicht vor Wind und Wetter haben und keine Wurzeln besitzen, um Wasser zu filtern, nehmen sie Wasser und Nährstoffe direkt über die Oberfläche auf. Deshalb sind sie schädlichen Umweltveränderungen fast schutzlos ausgesetzt. Außerdem können sie die aufgenommenen Schadstoffe nicht wieder ausscheiden, sondern lagern sie ein. Das ist für Wissenschaftler:innen praktisch, jedoch nicht für die Flechten selbst.
Die Studie
In der im Fachmagazin The Bryologist veröffentlichten Studie untersuchte ein internationales Forschungsteam einen bis dahin unangetasteten Schatz. Im Herbarium des kolumbianischen Amazonas gibt es eine Sammlung von 1.861 Flechten, die bisher nicht systematisch erforscht wurden. Das Forschungsteam analysierte die Sammlung mit vier verschiedenen Mikroskopen und katalogisierte die Ergebnisse: Sie fanden 574 verschiedene Arten, davon 28, die der Wissenschaft bisher unbekannt waren.
Sie haben die Ergebnisse mit anderen kolumbianischen Listen verglichen und erstmals eine Liste veröffentlicht, die alle bekannten Flechten im kolumbianischen Amazonas auflistet. Da es schwierig ist, im dichten Regenwald zu forschen, waren bisher hauptsächlich Flechten aus den Anden bekannt.
Was bringt’s?
Zweierlei. Kolumbien hat eine hohe Artenvielfalt und zählt neben Brasilien, Indonesien, China und Mexiko zu den sogenannten mega-diversen Ländern. Dennoch sind mehr Flechtenarten in Frankreich oder Italien bekannt, da sie dort systematischer erforscht werden. Die Studie zeigt die hohe Biodiversität Kolumbiens.
Andererseits ist der Amazonas stark gefährdet. Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass bis 2030 etwa 1,5 Millionen Hektar natürliche Ökosysteme im kolumbianischen Amazonas verloren gehen könnten. Viele Tiere und Pflanzen, die dort noch weitestgehend ungestört leben, würden verschwinden. Flechten sind ein bedeutender Teil des Ökosystems im Amazonas – und sie unterstützen die Wissenschaftler:innen, die dortigen Umweltveränderungen zu bestimmen.