China und Europa: Doppelzüngiger Macron

Groß ist die Aufregung um Macrons Abrücken von den USA in der Taiwan-Frage. Dabei mischt nicht nur Frankreich geopolitisch in der Region mit.

Präsident Macron mit Mikrofon bei einer Rede

Präsident Macron bei einer Rede an der Universität in Guangzhou am 7. April Foto: Thibault Camus/ap

Ganze 72 Kampfflugzeuge plus zehn Kriegsschiffe aus China zählte das Verteidigungsministerium in Taipeh. Diese waren dabei, Taiwan zu umkreisen, als Übung für Chinas Strategie, die Insel in einigen Jahren anzugreifen. Nun regt sich in Europa die politische Öffentlichkeit auf, wie Frankreichs Präsident Emmanuel ­Macron ­Europa die Leviten liest, sich nicht durch „andere Großmächte“ – also die USA – in Konflikte wie den rund um Taiwan verwickeln zu lassen.

Annalena Baerbock indes versuchte jetzt während ihres Besuchs in China zu beschwichtigen: Die französische Chinapolitik spiegele „eins zu eins“ die europäische Chinapolitik wider, meinte sie auf ihrer ersten Station in der Hafenstadt Tianjin, aber das waren nur diplomatische Beteuerungen.

Chinas Militärmanöver gegen Taiwan wie Macrons Mahnung an Europa, sich herauszuhalten, fanden kurz nach dem Ende von ­Macrons Chinabesuch statt. So wollte Peking dem Zauderer aus Frankreich eine Chance geben, sich in Chinas „innere Angelegenheiten“ gar nicht erst einzumischen. Die Botschaft: Ihr Europäer könnt uns als die einzige Großmacht, die die USA herausfordert, so oder so nicht das Wasser reichen, also lasst das gleich sein. So oder so ähnlich klang denn auch Emmanuel Macron: Wenn die Europäer allein schon den Krieg in der Ukraine nicht händeln könnten!

Die bittere Ironie ist: Frankreich war es, das sich längst in – wenn auch scheinbar andere – „innere Angelegenheiten“ Chinas eingemischt hatte. Paris war in Europa an erster Stelle, 2018 seine „Indo-Pazifik-Strategie“ aus der Taufe zu heben und so mit der amerikanisch-japanischen Strategie gleichen Namens von Europa aus zu korrespondieren.

Bewaffnete Patrouille

Dem Vorbild folgte später Berlin. Frankreich entsandte seinen Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ in das umstrittene Südchinesische Meer, um mit den USA, Japan, Australien, Kanada und Indien bewaffnet Patrouille zur Sicherung freier Handelswege zu fahren, klar gegen Chinas Expansionspolitik gerichtet, die das Südchinesische Meer als Chinas Binnensee beansprucht. Anfang 2022 folgte Deutschland auch diesem Vorbild mit der Fregatte „Bayern“.

Frankreich hatte sich längst in „innere Angelegenheiten“ Chinas eingemischt

Haben sich zuerst Franzosen, dann alle anderen Europäer in die Strategie der USA, in Konflikte nur unfreiwillig verwickeln lassen, die sie so gar nicht sahen? Wohl kaum. Denn europäische Großmächte, allen voran Frankreich und Deutschland, haben längst kundgetan, wie interessiert sie an einer Indo-Pazifik-Konzeption als einer die Zukunft sichernden Geopolitik sind: Indien, der Subkontinent mit bald mehr und weitaus jüngerer Bevölkerung als das alternde China, winkt schon mit einem Marktvolumen, das Europa für Jahrzehnte überlebenswichtige Aufträge sichert.

Indes hat Frankreich mit allen vier Teilnehmern der sogenannten Quad – USA, Japan, Indien und Australien – den sicherheitspolitischen 2-plus-2-Mechanismus (Verteidigungs- und Außenministertreffen in festen Intervallen) eingerichtet; in vollem Bewusstsein, gegen wen der Block gerichtet ist. Ähnliches passiert auch zwischen Berlin und Tokio sowie Berlin und Canberra.

Dies entgeht Peking nicht, trotz Macrons beschwichtigenden Worten. Xi Jinping ist bewusst: Man hat mit dem gesamten Westen zu tun, nicht bloß mit den USA. Das zeigt der Krieg in der Ukraine, wo dieser Westen, ohne selbst in den Krieg einzusteigen, mit Waffenlieferungen und anderen Hilfen eingreift.

Denn da gilt es etwas zu verteidigen, das der Westen nicht aufgeben will oder kann – für die einen ist das die Sicherheit, für die anderen die Demokratie; für die Dritten zukünftige Märkte, siehe die europäische Indo-Pazifik-Strategie, die nicht allein aus Worten, sondern auch aus Taten resultiert.

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