piwik no script img

Konzertempfehlungen für BerlinAm Abend, da es kühle war

Ostern ohne Matthäus-Passion ist möglich, aber man verpasst etwas. Vor allem beim RIAS Kammerchor. Das Trio KUF bringt derweil Samples zum Grooven.

Das Berliner Trio KUF kombiniert klassische Jazzinstrumente mit Synthesizern und Samplern Foto: Max Parovsky

N ach einem Jahrhundert Tonkonserven mag es einem nicht mehr selbstverständlich erscheinen, doch Musik ist ja eigentlich eine Kunst, die Aktivität verlangt, eben gemacht wird, während man sie hört. Dass das Ensemble KNM seine Reihe KNM Contemporaries in der Fahrbereitschaft – Teilelager mit dem Zusatz „Music in the Making“ versieht, ist da konsequent. Meint aber auch mehr als diese schlichte Wahrheit, denn es geht um „Musik als offenen, kommunikativen und sozialen Raum“.

Etwas, bei dem Dinge ausprobiert werden können, Workshops ebenso Teil des Programms sind. So stellen am Freitag (31. 3., 20 Uhr) die Komponisten Yang Lin, Minna Leinonen und Alessandro Bosetti kammermusikalische Werke vor. Und zwar buchstäblich, mit Präsentationsrunden und Konzerten (31. 3. – 2. 4., Herzbergstraße 40–43, 8-12 Euro).

Könnte der Spielfilm „Tár“, in dem Cate Blanchett lebensecht eine fiktive Dirigentin mit sehr unangenehmen Machtbedürfnissen verkörpert, der weiblichen Minderheit dieses Berufsstands eigentlich schaden? Man sollte es zumindest nicht hoffen.

Wenn am Sonnabend die litauische Dirigentin Giedrė Šlekytė im Pierre Boulez Saal ihren Einstand mit dem Boulez Ensemble feiert, sollte das eher ein Anlass sein, sich die angekündigten drei kammermusikalischen Kompositionen aus dem 20. Jahrhundert einmal darbieten zu lassen, als da wären Franz Schrekers spätromantische Kammersymphonie, Igor Strawinskys neoklassisches Konzert in Es-Dur „Dumbarton Oaks“ und, als neuester Beitrag, „Meridionale“ von 1994 des litauischen Komponisten Osvaldas Balakauskas (1. 4., 19.30 Uhr, Französische Straße 33d, 15-45 Euro).

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Szenenwechsel. Jazz und elektronische Musik sind seit den Tagen von Fusion längst gute Freude geworden. Wie die Kombination aus Improvisation und Programmieren zusammengeht, kann dabei bis heute auf unterschiedlichste Weise erprobt werden. Das Berliner Trio KUF kombiniert klassische Jazzinstrumente wie Bass und Schlagzeug mit Synthesizern und Samplern, Letztere vor allem für den digitalen Einsatz von kleingeschnippelten und geloopten Stimmen.

Auf ihrem vierten Album, „Yield“, das am Montag in der Kantine am Berghain zur Aufführung gebracht wird, gehen die Stimmen vielfältige Verbindungen mit den übrigen Klängen und einer Reihe weiterer Samples ein. Klingt jetzt womöglich technischer als das Resultat. Denn das groovt sehr intelligent. Will sagen: Es groovt (Kantine am Berghain, 3. 4., 19.30 Uhr, 18 Euro).

Weiterer Szenenwechsel. Da Ostern ansteht, soll der „Kelch“ der Passionsmusik an den Lesern nicht vorbeigehen. Und selbst wenn einem das Christentum herzlich wenig sagen sollte, kann ein österliches Oratorium wie Johann Sebastian Bachs „Matthäus-Passion“ auch bekennende Agnostiker in vieler Hinsicht affizieren.

Dazu muss man im Übrigen nicht einmal zwingend eine Kirche aufsuchen. Am Gründonnerstag bietet sich sogar die Möglichkeit, das Ganze in der Philharmonie und in hervorragender Besetzung zu erleben. Der RIAS-Kammerchor unter Justin Doyle führt das Werk gemeinsam mit der Akademie für Alte Musik Berlin und hochkarätigen Solisten auf. Für Berlin die denkbar beste Konstellation, und auf die Gefahr der Wiederholung hin: Der RIAS-Kammerchor ist unter den Vokalensembles das Äquivalent der Berliner Philharmoniker.

Als Berliner kann man sich einfach freuen, solche Spitzenmusiker vor der Haustür zu haben. Braucht es mehr Gründe? Muss jetzt etwa noch jemand wiederauferstehen? (6. 4., Philharmonie, 20 Uhr, 20-65 €, Tickets können telefonisch unter 030-20 29 87 25 oder per E-Mail unter tickets@rias-kammerchor.de reserviert werden. Direkt zum Ticketshop geht es hier).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Kulturredakteur
Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!