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„Thin Blue Line“ bei der Polizei BerlinNicht alle Tassen im Schrank

In der Kotti-Wache wurden Kaffebecher mit dem rechts konnotierten Symbol „Thin Blue Line“ entfernt. Der Polizeigewerkschafter Jendro kritisiert das.

An die Polizeiwache am Kottbusser Tor hat die GdP Tassen mit der „Thin Blue Line“ verschenkt Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin taz | Weil in der neuen Polizeiwache am Kottbusser Tor offenbar Kaffetassen fehlten, half die Gewerkschaft der Polizei GdP kürzlich aus – und schenkte der Polizeiwache ein paar Becher. Das wäre an sich unproblematisch, wenn auf den Bechern neben dem Zeichen der GdP nicht auch noch eine dünne blaue Linie zu sehen wäre.

Die nämlich ist in der Polizei ein bekanntes und durchaus kontrovers diskutiertes Symbol. Getragen als Aufnäher an der Uniform etwa sieht die Polizei Berlin das Zeichen im Konflikt mit dem Neutralitätsgebot. Das bayerische LKA rät sogar auch außerhalb des Dienstes vom Tragen des Symbols ab. Wohl auch deswegen wurden die Tassen nach einer „Sensibilisierung seitens der Leitung der Direktion 5“ wieder entfernt, wie die BZ berichtete. Der GdP-Sprecher Benjamin Jendro kritisierte das.

Warum die Aufregung? Nun: Die „Thin Blue Line“, zu deutsch „Dünne Blaue Linie“, ist ein Symbol, das in den USA in Bezug auf die Polizei entstanden ist. Die dünne blaue Linie soll die Polizei symbolisieren, die als letzte Abwehrreihe oder Schutzschild zwischen Bür­ge­r*in­nen und dem gesellschaftlichen Chaos und Kriminalität steht. Problematisch ist dabei nicht nur das autoritäre Gesellschaftsbild, sondern auch, dass das Zeichen gern in der rechtsextrem durchsetzten Blue-Lives-Matter-Bewegung benutzt wird, die sich als Gegenpol zur antirassistischen Black-Lives-Matter-Bewegung sieht.

Ebenso ist die Blue Line bei White Supremicists beliebt – zu sehen war das Symbol unter anderem auf rechtsextremen Kundgebungen wie in Charlottesville 2017 oder beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, wo auch ein Polizist ums Leben kam. In Deutschland bezog sich AfD-Politikerin Alice Weidel in der rechtsextremen Jungen Freiheit positiv auf die „dünne blaue Linie“.

GdP-Sprecher Jendro versteht das Problem nicht

Kri­ti­ke­r*in­nen sehen das Symbol ungeeignet als Identifikationsmerkmal für eine demokratisch-rechtstaatliche Polizei, weil das Zeichen Angst vor Chaos erzeugen solle und dazu diene, die Polizei vor Kritik zu immunisieren. Die Deutung des Symbols ist in der Polizei allerdings umstritten. In einem Fall vor zwei Jahren sprach die Polizei von fehlender Sensibilisierung und dass das Symbol oftmals in bester Absicht und in Gedenken an im Dienst verstorbene Kol­le­g*in­nen getragen werde. Jedenfalls gibt es in Merchandise-Shops für Po­li­zis­t*in­nen bis heute alle erdenklichen Artikel mit der Blauen Linie – eben auch Kaffetassen.

Benjamin Jendro, Sprecher der GdP Berlin, sieht in der blauen Linie auf der Tasse jedenfalls kein Problem, wie er nach dem Entfernen der Tassen unter dem Hashtag „#meinetassebleibt“ twitterte: Er postete ein Bild einer Uniform, auf der ebenfalls eine blaue Linie auf einem Schulteraufsatz zu sehen ist: „Liebe Azubis der Polizei Berlin, wir unterstellen Euch übrigens keine rassistischen/rechten Einstellungen, die Zweifel an Neutralität, Objektivität, Verfassungstreue aufkommen lassen, weil ihr eine dienstlich gelieferte dünne blaue Linie auf der Schulter habt“. In der BZ sagte er, es gebe kein Verbot, die gegen „unsere Tassen“ sprechen und man solle die Kirche im Dorf lassen – oder wohl eher die Tassen im Schrank. Jendro wehre sich gegen die Vereinnahmung von Symbolen wie der „Thin Blue Line“.

Die Polizei Berlin machte demgegenüber darauf aufmerksam, dass die Blue Line auf offiziellen Symbolen, Führungs- und Einsatzmitteln sowie Uniformen nicht angebracht werden dürfe, aber in anderer Form die Verwendung frei sei. Allerdings riet die Polizei zu einer „zurückhaltenden Nutzung innerhalb des Dienstbetriebes“.

Unsensibel war übrigens kürzlich auch das Finanzministerium von Christian Lindner, dass eine Blaue Linie kurzerhand auf eine Polizei-10-Euro-Sammlermünze prägte. Die solle allerdings keinen Bezug zur „Thin Blue Line“ haben, wie ein Sprecher betonte.

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5 Kommentare

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  • In einer perfekten Welt hätte die Leitung der Direktion 5 einfach nur dafür gesorgt, dass da rechtzeitig neutrale Tassen in den Schränken sind.

    Aber erst keine Tassen zu haben, dann hin zu rennen und zu sensibilisieren und erst danach die Tassen zu besorgen geht natürlich auch.

    • @Nafets Rehcsif:

      Aus dem Artikel geht überhaupt nicht hervor, ob die Direktion überhaupt wusste, dass keine Tassen da sind. Ich habe auch keine Ahnung, ob Kaffeebecher zur Standardeinrichtung einer Polizeiwache gehören oder nicht. Abgesehen davon hätten sich die Polizist*innen dort doch sicherlich auch Katzenbecher anschaffen können. Ich finde hier fehlen Informationen, die Ihren Schluss belegen.

  • Wird vielleicht Zeit, die Polizei mal wieder umzufärben. Wieder grün? Oder zur Abwechslung mal rosa?