Polizeipräsenz in Berlin: Wache mit Aussicht

Die Polizei hat am Mittwoch ihre Räume oberhalb des Kottbusser Tors eröffnet. Ihre Präsenz ist in dem problembelasteten Kiez weiter heftig umstritten.

Protest gegen die Kotti-Wache im April 2022

Es gab schon Proteste, da war die Eröffnung noch weit weg Foto: picture alliance/dpa / Christoph Soeder

BERLIN taz | So blau war das Kottbusser Tor schon lange nicht mehr. Funkwagen der Polizei, so weit das Auge reicht, Absperrgitter, an denen Uniformierte Ausweise kontrollieren. Nur wer auf der Gästeliste steht, erhält an diesem Mittwoch Einlass in die neue Polizeiwache im ersten Stock des Neuen Kreuzberger Zentrums, auf der Brücke, die die Adalbertstraße überquert. Direkt nebenan befindet sich das Café Kotti, ein beliebter Treffpunkt von Refugees, Illegalisierten und der linken Kreuzberger Szene.

Auf dem Platz protestieren rund 200 Leute gegen die Wache, von ihren Sprechchören dringt aber kaum etwas ins Innere der neuen Polizeistation, die wie ein Wachturm über dem Platz thront.

„Wow, ist das ein Ausblick“, ruft Innensenatorin Iris Spranger (SPD) vor einem der bodentiefen Fenster aus Sicherheitsglas, bevor die Eröffnungszeremonie beginnt. Nach Norden reicht der Blick bis zum früheren Mauerstreifen, nach Süden bis zum U-Bahn-Viadukt mit dem Bahnhof Kottbusser Tor. Rund 200 Quadratmeter groß ist die in sechs Räume unterteilte Wache. Früher befand sich hier ein Wettbüro.

Alles ist ist hell, modern und mit neuester Technik ausgestattet. Besucher müssen klingeln. Wenn geöffnet wird, gelangen sie als Erstes in eine Sicherheitsschleuse, die mit einem Schalter aus Sicherheitsglas und einer Durchreiche für Papiere ausgestattet ist. Eine Tür weiter, die nur von innen auf Knopfdruck geöffnet werden kann, befindet sich der richtige Schalter, wo Face-to-face-Gespräche stattfinden können.

Die „Nebenwache am Kottbusser Tor“, wie sie offiziell genannt wird, befindet sich auf der Galerie des Hochhauses über der Adalbertstraße. Die Kosten für den Umbau der Räume betrugen laut Senat rund 3,24 Millionen Euro. In sechs Sprachen steht das Wort „Polizeiwache“ am Eingang. Die Wache soll rund um die Uhr mit drei Polizeikräften besetzt und 24/7 offen sein. Auch ein Arbeitsplatz für das Bezirksamt ist vorgesehen. Mit dem Hauseigentümer Gewobag wurde ein 10-Jahres-Mietvertrag geschlossen, die Monatsmiete beträgt rund 4.250 Euro.

Mit der Wache habe man nun endlich mitten in Kreuzberg einen Anlaufpunkt, sagte Innensenatorin Spranger (SPD) am Mittwoch. Die nächste große Polizeiwache sei zwei Kilometer entfernt. Das Kottbusser Tor sei als Ort stark belastet mit Kriminalität: 3.100 Drogendelikte seit 2018, 1.400 Körperverletzungen, dazu kämen Nötigungen, Bedrohungen, sexuelle Übergriffe, Überfälle, Raubtaten. (taz, dpa)

Sorge vor Anschlägen

Erst am Morgen hat der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Benjamin Jendro, im rbb-Inforadio seine Sorge um die Sicherheit des Personals geäußert: Die Wache sei zu klein, die Lage wie auf einem Präsentierteller. „Wir können wahrscheinlich die Uhr stellen, wann es dort die ersten Attacken gegen­ die Polizei gibt“, hatte Jendro schon früher im Gepräch mit der taz kritisiert.

Sehr genau werde man das beobachten, sagt Iris Spranger dazu bei der Eröffnungsfeier. Die Kundgebung gegen die Polizeiwache auf dem Platz betrachtet sie als wenig legitim: „Die Protestler wohnen hier nicht.“ Ganz so einfach ist es aber nicht: Die Meinung von Anwohnern und Gewerbetreibenden ist nach wie vor gespalten.

Das Kottbusser Tor wird von der Polizei als „kriminalitätsbelasteter Ort“ (kbO) eingestuft. Für Verunsicherung sorgen vor allem kriminelle Banden, die im Windschatten der Drogenszene agieren. Diese hat seit Jahrzehnten im östlichen Bereich des Kotti ihren Treffpunkt: an einem Seiteneingang des U-Bahnhofs, wo der freie Träger Fixpunkt im Frühjahr 2022 ­einen sogenannten Druckraum aufgemacht hat.

Die zunehmende Verarmung führe dazu, dass „Junkies und Obdachlose präsenter werden“, hatte die grüne Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann kürzlich gegenüber der taz eingeräumt. Gemeint war damit, dass Menschen in den Hausfluren konsumieren, schlafen und auch ihre Notdurft verrichten.

Wenn sich die Bevölkerung am Kotti in etwas einig ist, dann darin: Es braucht eine Stärkung der Straßensozialarbeit, Toiletten, mehr Beleuchtung und ein besseres Verkehrskonzept.

Rundum Videoüberwachung

Zumindest an der Hauswand der Polizeiwache sind nun riesige Scheinwerfer angebracht worden. Innen- und Außenbereich der Wache sind videoüberwacht. Über große, geschwungene Bildschirme, die am Mittwochvormittag noch nicht angeschaltet sind, lässt sich im Inneren das Geschehen verfolgen. Die Räume sollen rund um die Uhr mit drei Beamten besetzt sein.

Die Behauptung der GdP, es habe sich kein freiwilliges Personal für die Wache gefunden, dementiert Stefan Kranich, Leiter des Kreuzberger Abschnitts 53, dem die Kotti-Wache unterstellt ist. Große Teile der Belegschaft würden aus dem Abschnitt rekrutiert, geplant sei ein Wechsel zwischen sogenannter Präsenz-Streifentätigkeit und Dienst auf der Wache.

Die Fremdsprachenkenntnisse der Polizeikräfte reichten von Türkisch, Russisch und Polnisch bis hin zu fünf verschiedenen arabischen Dialekten und Gebärdensprache. „Wir waren schon immer ein bunter Haufen“, sagt Kranich.

„Ich bin unwahrscheinlich stolz darauf, dass wir es gemeinsam geschafft haben“, sagt die Innensenatorin bei der symbolischen Schlüsselübergabe an den Abschnittsleiter. Sehr viel Gegenwind habe es gegeben. Nach jahrelangen Diskussionen an runden Tischen müsse nun aber auch mehr am Kottbusser Tor geschehen. Sie sei bereit, ihren Beitrag dazu zu leisten.

Aber auch der Bezirk sei in der Pflicht. „Nach fünf Jahren eine Toilette auf den Platz zu stellen wird nichts lösen“, so Spranger. Der Satz geht ins Leere, die Bezirksbürgermeisterin ist nicht zur Eröffnung gekommen. Aus terminlichen Gründen, so Herrmanns Pressesprecherin zur taz.

Ercan Yaşaroğlu, Inhaber des Café Kotti, steht vor seinem Laden und schaut hinüber zu den neuen Nachbarn. Yaşaroğlu war nicht gegen eine Wache am Kotti, aber gegen diesen Standort. Jetzt sagt er, vielleicht werde es ja doch eine bürgernahe Wache, wie die Davidwache in Hamburg. „Mal sehen, was passiert.“

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