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Justizreform in IsraelMit Energie für Demokratie

Judith Poppe
Kommentar von Judith Poppe

Die israelische Regierung will die Justizreform um einige Wochen verschieben. Das ist vor allem den Massenprotesten zu verdanken.

Benjamin Nethanjahu steht am Montag in der Knesset in Jerusalem Foto: Ronen Zvulun/reuters

N etanjahu steht mit dem Rücken zur Wand. Die israelische Regierung hat sich entschieden, die Justizreform um einige Wochen zu verschieben. Zwar ist es alles andere als sicher, dass Netanjahu tatsächlich einen Rückzieher von der geplanten Justizreform machen wird. Die Massen, die auf die Straßen ziehen, sind jedenfalls sehr groß.

Und dennoch: Die israelische Protestbewegung hat damit einen Riesenerfolg eingefahren. Dass sich mit friedlichen Massenprotesten ein geplanter Staatsstreich – zumindest vorerst – verhindern lässt, dürfte all jenen, die nicht mehr daran geglaubt haben, Tränen der Freude in die Augen treiben.

Es sind nicht nur die Proteste, die zu der jetzigen Situation geführt haben. Eine große Rolle spielen Reservesoldat:innen, die angesichts der drohenden Justizreform ihren Dienst verweigern, außerdem der ökonomische Druck aus der IT-Branche. Und doch wäre all das ohne die Bilder von Massenprotesten nicht möglich gewesen. In ganz Israel zogen Menschen spontan auf die Straße und entfachten Lagerfeuer auf Autobahnen.

Bei aller Euphorie über die Protestbewegung: Sie richtet sich in erster Linie gegen den Demokratieabbau des jüdischen Staates. Ein Ziel von größter Wichtigkeit. Es sollte nicht ganz ungesagt bleiben, dass die Demokratie – blickt man auf die Rolle der Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen – ihre Schwachstellen hat. Das Thema Besatzung in den Kampf zu integrieren, ist eine Herausforderung. Doch darin liegt auch eine Chance, und die Protestbewegung muss aufpassen, dass der Etappensieg nicht verpufft.

Es ist davon auszugehen, dass Netanjahu an seinem politischen Kurs festhalten wird. Auf den Moment, in dem die Regierungskoalition den Versuch unternimmt, die Reform wieder anzugehen, muss die Zivilgesellschaft vorbereitet sein. Gleichzeitig sollte Vorsicht walten. Sollte es zu einem Abblasen der Justizreform kommen, dürfte der Frust der Be­für­wor­te­r*in­nen enorm sein. Er könnte sich an vielen Fronten entladen. Wohin dieses Land driftet, weiß derzeit niemand genau. Doch die Standhaftigkeit und Energie der Protestbewegung gibt Hoffnung.

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Judith Poppe
Auslandsredakteurin
Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.
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4 Kommentare

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  • Judith Poppe hat Recht, das palästinensische Problem wird fast ganz ausgeblendet beim Verteidigen des Status quo durch die Protestbewegung. Reem Hazzan, die Mitglied der kommunistischen Partei (KPI) ist wurde eingeladen in Haifa am 18. Feb. einen Redebeitrag bei den Protesten zu halten. Doch ihre Rede wurde von den Organisator:innen als negativ kritisiert, er würde sich nicht dazu eignen die israelischen Palästinenser:innen zu mobilisieren, sodass sie wieder absagte. Sie hatte in ihrer Rede geschrieben, dass diese erst dann daran teilnehmen könnten, wenn der Kampf für die Demokratie auf eine wirkliche Demokratie hinauslaufe: nicht nur eine Demokratie für die Juden, sondern eine Demokratie für alle.



    Der Redebeitrag ist in dem Artikel „Where are the Palestinians in Israel’s protest movement?“ auf mondoweiss.net zu finden:



    mondoweiss.net/202...s-protest-movement

  • Wer sind denn die Befürworter der Justizreform? Ist die denn ein Anliegen aus der Gesellschaft, egal welchen Lagers? In wessen Interesse soll die denn sein? doch nur von Netanjahu der seinem Prozess entkommen will u den rechten Siedlern, die (sich) berechtigt glaubt, ihre Siedlungsprojekte ohne den Widerstand des obersten Gerichtshofes durchziehen zu können (Auch wenn dessen Widerstand ohnehin nie besonders groß war). Außerdem in der Pipeline im Rahmen der "Reform", vereinfachte Kriterien um arabische Parteien aus der Knesset auszuschließen, ebenfalls faktisch ohne Einspruchsrecht des Verfassungsgerichts. Wer hat dem rechten Mob auf welcher Grundlage eingeredet, sie hätten auf irgendwas dergleichen ein Recht und der anderen Seite, sie dürften die Rechte jetzt nicht völlig frustrieren? Wenn Sie jetzt schon so artig sind sich zu einem Dialog herabzulassen, nicht wirklich von Einsicht getrieben, muss ihnen jetzt ein Bonbon gegeben werden?

  • Die Rechtsextremen bekommen dafür jetzt eben erst einmal eine Schlägertruppe - äh, Nationalgarde! Kann man bestimmt noch mal gebrauchen...

  • "Im Gegenzug werde eine "Nationalgarde" unter der Führung des rechtsextremen Ministers eingerichtet. Was dies konkret bedeutet, ist noch unklar." NTV -

    besser gerüstet für den Straßenkampf dann ?