Justizreform in Israel: Mit Energie für Demokratie
Die israelische Regierung will die Justizreform um einige Wochen verschieben. Das ist vor allem den Massenprotesten zu verdanken.
N etanjahu steht mit dem Rücken zur Wand. Die israelische Regierung hat sich entschieden, die Justizreform um einige Wochen zu verschieben. Zwar ist es alles andere als sicher, dass Netanjahu tatsächlich einen Rückzieher von der geplanten Justizreform machen wird. Die Massen, die auf die Straßen ziehen, sind jedenfalls sehr groß.
Und dennoch: Die israelische Protestbewegung hat damit einen Riesenerfolg eingefahren. Dass sich mit friedlichen Massenprotesten ein geplanter Staatsstreich – zumindest vorerst – verhindern lässt, dürfte all jenen, die nicht mehr daran geglaubt haben, Tränen der Freude in die Augen treiben.
Es sind nicht nur die Proteste, die zu der jetzigen Situation geführt haben. Eine große Rolle spielen Reservesoldat:innen, die angesichts der drohenden Justizreform ihren Dienst verweigern, außerdem der ökonomische Druck aus der IT-Branche. Und doch wäre all das ohne die Bilder von Massenprotesten nicht möglich gewesen. In ganz Israel zogen Menschen spontan auf die Straße und entfachten Lagerfeuer auf Autobahnen.
Bei aller Euphorie über die Protestbewegung: Sie richtet sich in erster Linie gegen den Demokratieabbau des jüdischen Staates. Ein Ziel von größter Wichtigkeit. Es sollte nicht ganz ungesagt bleiben, dass die Demokratie – blickt man auf die Rolle der Palästinenser*innen – ihre Schwachstellen hat. Das Thema Besatzung in den Kampf zu integrieren, ist eine Herausforderung. Doch darin liegt auch eine Chance, und die Protestbewegung muss aufpassen, dass der Etappensieg nicht verpufft.
Es ist davon auszugehen, dass Netanjahu an seinem politischen Kurs festhalten wird. Auf den Moment, in dem die Regierungskoalition den Versuch unternimmt, die Reform wieder anzugehen, muss die Zivilgesellschaft vorbereitet sein. Gleichzeitig sollte Vorsicht walten. Sollte es zu einem Abblasen der Justizreform kommen, dürfte der Frust der Befürworter*innen enorm sein. Er könnte sich an vielen Fronten entladen. Wohin dieses Land driftet, weiß derzeit niemand genau. Doch die Standhaftigkeit und Energie der Protestbewegung gibt Hoffnung.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen