Wulffs heiraten zum 3. Mal: Ein Ende muss kein Scheitern sein
Die Ehe muss dringend reformiert werden. Christian und Bettina Wulff machen vor, wie es geht.
Z u ihrer Hochzeit musste ich meiner großen Schwester nur eines versprechen: nicht weinen. Ich brach mein Versprechen schon vor der Zeremonie. Die Vorstellung, dass zwei Menschen vor ihren Freund*innen und Familien sagen, dass sie sich lieben und füreinander sorgen wollen, finde ich wahnsinnig rührend. So viel Liebe in diesen grausamen und von Krisen gebeutelten Zeiten. Und dann auch noch die Party: gemeinsam feiern, bestes Essen, Alkohol, Tanzen und Musik. Ach, ich bin ein Hochzeits-Fan.
So scheint es auch Bettina (49) und Christian Wulff (63) zu gehen. Die beiden haben „Ja“ gesagt – und das schon zum dritten Mal. Am vergangenen Samstag haben sie „im Familien- und Freundeskreis“ in Hannover gefeiert. Erstmals hatten der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident und seine damalige Pressereferentin 2008 geheiratet.
Nach Wulffs Wahl zum Bundespräsidenten, seinen politischen Affären und dem daraus folgenden Rücktritt trennten sich die beiden im Januar 2013. Zwei Jahre später waren sie wieder ein Paar und heirateten erneut. Im Jahr 2020 folgte die Scheidung. Und im Juni 2021 gaben sie ihr Comeback als Liebespaar bekannt – was sie nun standesamtlich besiegelt haben.
Die Presse reagierte auf die erneuten Hochzeits-News vor allem hämisch. Die Bunte befragt eine Paartherapeutin, warum das Paar schon wieder heirate. Die FAZ schrieb, dass das nun hoffentlich das endgültige „Happy End“ sei. An vielen Stellen las man von „zwei gescheiterten Ehen“.
Der Kopf sagt: nein
Doch muss das Ende einer Ehe gleich ein Scheitern sein? Ist doch schön, dass die beiden sich immer wieder aufs Neue füreinander entscheiden. Außerdem sagte meine Quasi-Schwiegermutter mal sinngemäß: Wenn Menschen nicht mehr heiraten, kommt die Großfamilie nur noch zu Beerdigungen zusammen.
Und ja, es gibt Alternativen zur Hochzeit. Aber waren Sie schon mal auf einem dieser sagenumwobenen „Liebesfeste“? Besonders etabliert sind die bisher noch nicht.
Doch so sehr mein Herz für Hochzeiten schlägt, so sehr ist mein Kopf dagegen. Die Institution Ehe ist rückwärtsgewandt und patriarchal: Verheiratete Paare, die unterschiedlich verdienen, werden vom Staat belohnt. Dieses sogenannte Ehegattensplitting führt meist dazu, dass es sich finanziell für ein Paar lohnt, wenn die Frau weniger lohnarbeitet – was ihre finanzielle Unabhängigkeit beschneidet.
Das muss sich ändern. Doch statt Hochzeiten und Ehen abzuschaffen, sollten sie reformiert werden. Nur, weil zwei Menschen eine Ehe eingehen, sollten sie nicht steuerlich bevorzugt werden. Und warum überhaupt zwei Menschen? Wäre es nicht viel schöner, jede Person könnte sich überlegen, wie viel Verantwortung sie für wie viele Personen übernehmen möchte?
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Schließlich kann eine beste Freundin genauso gut über eine nötige Organspende entscheiden wie ein Ehemann. Auch Adoptionen, Kinderwunschbehandlungen, Erbe oder Sorgerecht müssten nicht über Ehen geregelt werde. Diese Privilegien könnten auch vielfältigeren Lebensgemeinschaften zustehen – sogar die Ampel-Regierung hat über Ähnliches schon nachgedacht. Bloß lässt die Umsetzung noch auf sich warten.
Dass die Ehe die stabilste Beziehungsform ist, stimmt wenn überhaupt auch nur deswegen, weil uns über Jahrzehnte eingeprügelt wurde, dass man sie unter keinen Umständen verlassen darf. Viel zeitgemäßer wäre es da, sich ständig neu zu überlegen, wem man ganz offiziell ein verbindendes Ja-Wort geben will. Wie die Wulffs eben. Und wenn man sich dabei alle Jahre wieder für den selben Menschen entscheidet, ist das auch völlig in Ordnung.
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