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Konzert von Lizzo in BerlinQuerflöte unter der Diskokugel

Auf Wiedersehen, Schlampe: US-Superstar Lizzo gastiert in der Berliner Mercedes-Benz-Arena und verzückt auf Deutsch.

Die US-amerikanische Sängerin Lizzo und ihre Big Grrrls während der jetzigen Tournee Foto: Marcus Brandt/dpa

Schon bevor Lizzo die Bühne betreten hat, ist die Stimmung in der Berliner Mercedes-Benz-Arena am Dienstabend hervorragend: Die Menge singt, tanzt und schwingt verschiedene LGBTIQ-Flaggen. Als dann „Hey motherfucker, did you miss me?“ eingespielt wird und Lizzo im neongelb-durchsichtigen Bodysuit aus einem Loch im Boden auf die Bühne fährt, steigert sich die Stimmung noch einmal. Es ist die erste Liedzeile von „The Sign“, dem Auftaktsong ihres zweiten Albums „Special“, mit dem der US-amerikanische R&B-Star seit vergangenem September um die Welt tourt.

Jubel in der gut gefüllten, aber nicht ausverkauften Riesenhalle beantwortet ihre Frage mit einem eindeutigen Ja. Durch den lauten Applaus geht fast unter, dass Lizzos Mikro die ersten paar Takte des Eröffnungssongs nicht eingeschaltet ist. Ein Fehler, den die Sängerin gekonnt ignoriert, sie legt einfach los mit dem zweistündigen Bühnenprogramm ihrer „Special“-Tour.

Zuletzt stand Lizzo vor der Pandemie in Berlin auf der Bühne. Im Juli 2019, kurz nachdem sie mit ihrem Album „Cuz I Love You“ ihren Durchbruch hatte, füllte sie mit knapp 1.000 Zu­schaue­r*in­nen den Festsaal Kreuzberg. Ein energiegeladenes und intimes Konzert. Heilender als eine Therapiestunde, war im Anschluss immer wieder zu hören. Lizzo war damals in der vergleichsweise kleinen Location nicht nur im wörtlichen Sinne zum Greifen nah.

Denn durch ihre Songs und Erzählungen über Selbstliebe in einer rassistischen und dickenfeindlichen Gesellschaft öffnete sie sich dem Publikum und das sog jedes Wort von ihr auf. Wenige Monate später kam sie wieder nach Berlin, dieses Mal schon eine Nummer größer in die Columbiahalle, und jetzt eben die Arena. Der Ort, wo in Berlin die Superstars auftreten.

Intim ist in der Mercedes-Benz Arena erstmal nichts

In der Zwischenzeit folgte für Lizzo neben der Pandemie ihr neues Album „Special“, ein Haufen Preise – unter anderem vier Grammys – und die Amazon-Castingshow „Watch Out for the Big Grrrls“, in der sie Tän­ze­r*in­nen für ihre Tour suchte. Jetzt ist sie wieder da und beendet nach Konzerten in Köln und Hamburg mit Berlin den Deutschland-Part ihrer Welttournee. Zum Greifen nah und intim ist in der Mercedes-Benz Arena erst einmal nichts. Die große Bühne lässt kaum Intimität zu, doch sie gibt Lizzo den Raum für eine fulminante Show.

Für die große Bühne hat Lizzo „ein paar Freundinnen mitgebracht“. Neben DJ und Backgroundsängerinnen steht dort eine vierköpfige Band mit Schlagzeug und Gitarre, durchaus etwas Besonderes bei der Mischung aus Rap und R&B, wie Lizzo sie macht. Und natürlich sind auch ihre „Big Grrrls“ am Start – bis zu zehn Tänzerinnen die zu Megahits, wie „Truth Hurts“ und „Tempo“, eine Performance abliefern, die einen schon beim Zuschauen außer Atem zurücklässt.

Überraschungsbesuche von Stars fallen beim Konzert leider aus, als jedoch Cardi B über ein Handy-Video in den gemeinsamen Song „Rumors“ geschnitten wird, ist der Applaus trotz allem überwältigend.

In den Pausen, in den alle einmal kurz Luft holen müssen, spricht Lizzo mit dem Publikum. „Liebe dich selbst“ und „Du bist toll, genauso wie du bist“ hören sich an wie ausgelutschte Slogans auf Instagram-Kacheln. Doch wenn Lizzo – eine Botschafterin der Body-Positivity-Bewegung und Star der queeren, dicken und Schwarzen Community – sie mantraartig wiederholt, kann man sie auf einmal ernst nehmen. Der Star gibt einem das Gefühl: Heute Abend sind wir nicht nur ein Publikum, wir sind eine Gemeinschaft.

Wenn das nun nach einem ernsthaften Konzert klingt, könnte man nicht falscher liegen. Die Show ist bunt, schrill und laut: Angefangen von Lizzos wechselnden Outfits über die Tanzperformances bis hin zur gigantischen Discokugel, die zu ihrem Smashhit „About Damn Time“ in der Arena-Mittel herunter gelassen wird.

Catchphrase von 10.000 Be­su­che­r*in­nen

Witzig wird es auch dann, wenn Lizzo ihre neu erworbenen Deutschkenntnisse am Mikrofon ausprobiert und die knapp 10.000 Be­su­che­r*in­nen ihre Catchphrase (Bye, Bitch!) auf Deutsch gemeinsam rufen: „Auf Wiedersehen, Schlampe!“ Ihre Interpretation von Rammsteins „Du hast“ führt in der Arena ebenfalls zu Lachern. Dass dies keine spontanen Einfälle sind, sondern Gleiches schon in Köln und Hamburg auf der Bühne zu erleben war – geschenkt! So ist das eben, wenn Stars zu Superstars werden.

Dass Lizzo nicht nur gut unterhalten kann, sondern ein wahnsinniges musikalisches Talent ist, beweist sie an diesem Abend durch ihre Rapreime, aber auch in ruhigen Balladen, in denen sie ihre Stimme in die Höhe treibt und man sich kurz wünscht, es gäbe einen noch größeren Raum, den sie damit füllen kann. Highlight ist wie immer der Bühnenauftritt ihrer „besten Freundin“ Sasha. Wohlgemerkt kein Mensch, sondern ihre Querflöte, die sie selbst beim Twerken perfekt spielen kann.

Intime Momente gibt es dann trotz professioneller Arena-Show doch: Vor der Bühne steht eine junge Frau und hält ein Schild hoch, dass Lizzo nicht versteht. „Wieso ist da ein Bild von Simba drauf?“, fragt sie. Die Frau antwortet, dass, wie bei Lizzo auch, bei ihr vor einigen Jahren der Vater gestorben sei und sie mit ihrer Musik ihr Kraft gebe und damit ihr persönlicher Simba geworden sei. Ein Moment, den der US-Popstar gut auffängt und mehrmals darauf zurückkommt.

Zum Schluss verabschiedet sie sich mit einem „I’m your Simba“ und verschwindet in das Loch im Boden, aus dem sie gekommen ist. Und schon jetzt ist klar: Wir motherfucker werden sie vermissen – bis sie wiederkommt.

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