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Endergebnis der Berlin-WahlSPD mit 53 Stimmen vor den Grünen

Laut offiziellem Endergebnis der Berliner Wiederholungswahl kann sich die SPD knapp auf Platz zwei retten. Offen bleibt, wer künftig regiert.

Wer regiert bald Berlin? Bettina Jarasch (Grüne), Kai Wegner (CDU) und Franziska Giffey (SPD) Foto: Frederic Kern/imago

Berlin taz | Am Ende sind es nur 53 Stimmen Vorsprung der SPD vor den Grünen: Der Landeswahlausschuss hat am Montag in einer öffentlichen Sitzung das amtliche Endergebnis der Berliner Abgeordnetenhauswahlen beschlossen. Wahlgewinner CDU kam auf 428.228 Stimmen (28,2 Prozent), gefolgt von SPD mit 279.017, die hauchdünn vor den Grünen mit 278.964 Stimmen liegen. Beide kamen damit auf 18,4 Prozent. Im vorläufigen Wahlergebnis lag der Abstand zwischen SPD und Grünen noch bei 105 Stimmen. Die Linke kam auf 12,2 Prozent, die AfD auf 9,1 Prozent. Die FDP flog mit 4,6 Prozent aus dem Abgeordnetenhaus.

Eine Fortsetzung des rot-grün-roten Senats wäre also unter SPD-Führung möglich, die mit zusammen 90 Mandaten eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus stellen könnten. Aber auch die CDU könnte eine Parlamentsmehrheit zusammen mit der SPD oder den Grünen hinter sich vereinen. Sondierungsgespräche liefen zuletzt in alle Richtungen, der Koalitionspoker ist noch offen. Eine Entscheidung über Koalitionsgespräche soll Mitte der Woche fallen.

Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler, ein grauhaariger Mann mit Brille, resümierte erleichtert und zufrieden: „Die Durchführung der ersten Wiederholungswahl war ein Erfolg.“ Sie habe Vertrauen in die Demokratie wiederhergestellt und gezeigt, das „Berlin Wahl könne“, so Bröchler. Das war zuletzt nicht mehr selbstverständlich – nachdem das Landesverfassungsgericht der Abgeordnetenhauswahl 2021 „schwere systemische Fehler“ bescheinigt hatte, sodass die komplette Wahl für das Landesparlament wiederholt werden musste. Die Wahl fand zeitgleich zu einem Marathon statt, es gab unter anderem lange Wartezeiten und fehlende Wahlzettel.

Aber auch bei der Wiederholung hatte es kleinere Fehler gegeben, so mussten im Wahlkreis Lichtenberg 466 Wahlbriefe erst nachträglich öffentlich ausgezählt werden. Zuvor waren sie von der Briefwahlstelle nicht sofort ins Bezirksamt weitergeleitet worden, sondern versandeten in der Hauspost. Bröchler regte an, aus Fehlern wie diesem zu lernen und forderte eine Wahlstrukturreform: „Denn nach der Wahl ist vor der Wahl.“

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Das Ergebnis war mit Spannung erwartet worden, weil der Abstand zwischen SPD und Grünen bis zuletzt denkbar knapp war. Kurz vor Beginn der öffentlichen Sitzung hieß es noch, dass die Verkündung eventuell noch einmal verschoben werden müsse – wegen einer beantragten Neuauszählung im besonders engen Wahlkreis Lichtenberg. Nun bleibt es bei zehn Stimmen Vorsprung des CDU-Kandidaten Dennis Haustein vor der Linken Claudia Engelmann.

Anträge auf Neuauszählung verwarf der Landeswahlausschuss allerdings mit 4 zu 2 Stimmen. Auch der am Montag anwesende Bezirkswahlleiter Axel Hunger argumentierte, dass diese rechtlich nicht geboten seien, weil keine Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der einzelnen Stimmbezirke festzustellen gewesen wären. Ein Antrag zur Neuauszählung war auch von der Linken gekommen, deren Kandidatin Claudia Engelmann sich wegen der abgelehnten Neuauszählung eine Verfassungsbeschwerde vorbehielt.

Sondierungsgespräche laufen

Die Sondierungsgespräche zwischen CDU, SPD, Grünen und Linken gab es bislang in unterschiedlichen Kombinationen. Sie blieben bislang vertraulich und liefen nach der Auffassung von Be­ob­ach­te­r*in­nen zwischen CDU und Grünen etwas herzlicher, und sachlich zwischen SPD und CDU sowie etwas ernüchtert beim noch bestehenden Bündnis Rot-Grün-Rot. Die Grünen hatten im Wahlkampf für die Weiterführung des aktuellen Senatsbündnisses geworben. Für die Linken ist bei einer erneuten Koalition der Umgang mit dem erfolgreichen Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“ maßgeblich, den wiederum die angeschlagene Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ablehnt.

Ein Bündnis von CDU und Grünen wurde zuletzt als wirklicher Neuanfang und Möglichkeit der Zusammenführung der verschiedenen Milieus der Stadt angepriesen – auch weil die Innenbezirke auf der Wahlkarte überwiegend grün erscheinen und die Außenbezirke schwarz. Aber auch hier gibt es starke inhaltliche Differenzen etwa beim Verkehr. Aber auch der rassistische CDU-Wahlkampf nach den hochgejazzten Silvesterrandalen hatte nicht nur viele Grüne verstört.

Parallel zur Sitzung des Wahlausschusses sondierte am Montag Rot-Grün-Rot. Am Dienstag wollen CDU und Grüne erneut Gespräche führen. Der geschrumpfte Vorsprung der SPD hat nach Einschätzung der grünen Spitzenkandidatin Bettina Jarasch keinen Einfluss auf die Mitte der Woche anstehenden Entscheidungen von Parteigremien.

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11 Kommentare

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  • Es wird weiterhin ein Tabuthema bleiben, wie es zu diesem Wahldebakel kommen konnte.

  • Es wäre sehr erfreulich, wenn sich eine rot grün rote Regierung zusammen findet.



    Wenn Protestwahlen zugunsten der AfD ausfallen, werden diese von den demokratischen Parteien bisher ebenfalls ignoriert.



    Die Berliner CDU fiel zuletzt mit sehr rechten Äußerungen auf. Merz ebenso.



    Es wäre ein gutes Zeichen für eine parlamentarische Demokratie, wenn rechtes Gedankengut nicht regiert.

    • @Philippo1000:

      Wenn eine rot-grün-rote Regierung zusammenfindet, wird es weiter so laufen wie vorher.

      Es wird sich nichts ändern.

      Der vorletzte Absatz im Artikel von Frau Yademir zeigt exemplarisch, was Berlin aktuell kennzeichnet:

      taz.de/Erdbeben-in...5915433&s=aydemir/

      Die Berliner CDU ist traditionell nicht sehr rechts.

      Es ist ein schlechtes Zeichen für eine Demokratie, wenn der Wahlgewinner nicht regiert, weil die Parteien keine Kompromisse findet.

      Das würde ich übrigens genau so sagen, wenn die Linke die Wahl gewonnen hätte.

      • @rero:

        Für die Einordnung einer Partei sollte nicht nur die "Tradition" sondern auch die Gegenwart eine Rolle spielen.



        Sie behaupten, die Berliner CDU sei nicht besonders rechts, sie hat aber einen solchen Wahlkampf geführt.



        "Sicherheit", flankiert mit rechten, rassistischen Statements.



        Zudem gibt Parteivorsitzender Merz die große Richtung an und die zeigt weg von der Mitte.



        Für die Regierungskoalition in Berlin würde es keinesfalls so weiter gehen, wie bisher.



        Es ist Niemandem entgangen, dass die Wählenden hier die gelbe Karte gezückt haben.



        Wenn die AFD die Stimmenanteile der CDU hätte, blieben Sie dann bei Ihrem Statement?

        • @Philippo1000:

          Womit würden Sie Ihre Sichtweise begründen, die CDU habe in Berlin einen besonders rechten Wahlkampf geführt?

          Sehen Sie mehr als die Frage nach Vornamen?

          Merz ist nicht Berlin, Merz gibt auch nicht die Themen in Berlin vor.

          Die gelbe Karte ist mit Sicherheit niemandem entgangen, da gebe ich Ihnen recht.

          Ich glaube aber nicht, dass Rot-Grün-Rot in der Lage ist, etwas zu ändern.

          Die Interessen aller drei Parteien und deren Klientel liegen dazu zu weit auseinander.

          Eine ehrliche Frage verdient auch eine ehrliche Antwort:

          Ich habe mir natürlich die Linke als Zweitbeispiel rausgesucht, weil sie mir sympathischer ist als die AfD.

          Ich denke aber grundsätzlich, es ist Gift für eine Demokratie, wenn eine Partei, die deutlich die Wahlgewonnen hat, nur durch Trickserei nicht regieren kann.

          Wenn das die AfD ist, ist da bereits vorher so viel falsch gelaufen, dass es diese Trickserei nicht reißen wird.

          Es war Gysi, der mal in einem Interview vor einiger Zeit sinngemäß sagte, es sei schlecht, dass die CDU nach links gerückt ist. Es sei wichtig, dass die CDU ihre konservative Wählerschaft bediene, so hätte man eine erstarkende AfD verhindert.

          Unter diesem Aspekt würde ich es auch begrüßen, wenn Sahra Wagenknecht jetzt eine eigene Partei gründet, die nicht gleich wieder in der Versenkung verschwindet.

          Sie würde damit der AfD das Wasser abgraben.

          Wenigstens leugnet sie den Holocaust nicht, wie die Höckes der AfD. (Vielleicht macht sie das inzwischen auch und ich habe es nur nicht mitgekriegt. Die Zeiten sind skurril geworden.)

          Als Parteiname würde sich "PPD" gut eignen: Putinistische Partei Deutschlands.

  • 63% der Wähler, also fast zwei Drittel, haben Parteien gewählt, die die Enteignung offen ablehnen (CDU, FDP AfD) oder ihr zumindest kritisch gegenüber stehen (SPD) . Ich verstehe nicht wie man immer noch behaupten kann, die Berliner wollen mehrheitlich eine Enteignung.

    • @Rudolf123:

      Das eine sind Parlamentswahlen. Bei der Wahl gibt es viele Themen. Parteien setzen sich unterschiedlich stark für verschiedene Themen ein. Das andere ist der Volksentscheid Deutsche Wohnen enteignen. Bei diesem stimmten 59,1 % der Berliner*innen für die Enteignung. Der Volksentscheid ist immer noch gültig und wird nicht durch eine Wahl ungültig. Das ist doch eigentlich recht einfach zu verstehen.

    • @Rudolf123:

      Um ihre Wahrnehmung zu Wahlen von Parteien noch einmal zu schärfen empfiehlt sich folger Artikel:



      www.morgenpost.de/...s-berlin-wahl.html



      Insb. der Absatz: "Gemessen an der Gesamtbevölkerung"

    • @Rudolf123:

      "Beim Volksentscheid am 26. September 2021 befürworteten mehr als eine Million Berliner das Anliegen. Über 59,1 Prozent der gültigen Stimmen votierten für die Enteignung großer privater Wohnungsunternehmen. 40,9 Prozent lehnten das Vorhaben ab. Zurzeit tagt eine Expertenkommission, die eine Umsetzung des Volksentscheids prüfen soll. "



      de.wikipedia.org/w..._%26_Co._enteignen



      - Jetzt verstanden?

      • @paul meder:

        Ich habe es verstanden! Aber ist jetzt auch egal. Mit CDU und SPD wird es definitiv keine Enteignung geben, stattdessen eine Vergesellschaftung.

        • @Rudolf123:

          Trotz der neuen Sachlage -



          die Berliner wollen mehrheitlich eine Enteignung.