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Neue Schilder am C. Kemal-Altun-PlatzSchritt für Schritt zum Gedenken

In Hamburg-Ottensen erinnert ein Platz an Cemal Kemal Altun, der zum Opfer der deutschen Asylpolitik wurde. Offiziell umbenannt wurde der Platz nie.

Parkanlage in Hamburg-Ottensen: Hier soll bald vollständig an Cemal Kemal Altun erinnert werden Foto: Fotogra4en/ Wikimedia Commons/(CC BY-SA 4.0)

HAMBURG taz | Es ist ein sonniger Nachmittag im Februar in Ottensen, dem Hamburger Stadtteil, der einmal Arbeiterkiez war und heute Gentrifizierungsparadebeispiel ist. Adil Yiğit läuft über einen Platz, der Kemal-Altun-Platz heißt und zugleich nicht so. Wenn am Montag die Ergänzungstafeln aufgehängt werden, die erklären, wer Altun war und warum er starb, wird Yiğit seinem Ziel einen großen Schritt näher sein. Yiğit hat 40 Jahre dafür gekämpft.

Auf den neuen Schildern wird „C. Kemal-Altun-Platz“ stehen. Das „C“ steht für „Cemal“, den ersten Vornamen Altuns, an den zu Beginn oft nur als „Kemal Altun“ erinnert wurde. Altun wurde 1960 in der Türkei geboren. Schon als Schüler war er politisch aktiv und organisierte sich in einer linken Gruppe. Weil er Reden hielt und Flugblätter verteilte, wurde er immer wieder von nationalistischen Kräften angegriffen. Nach dem Militärputsch 1980 wurden Re­gime­kri­ti­ke­r*in­nen aus seinem Umfeld verhaftet, gefoltert oder ermordet.

Altun floh als Student nach West-Berlin zu seiner dort lebenden Schwester. Als er erfuhr, dass die türkischen Behörden ihm einen Mord unterstellten, beantragte er politisches Asyl. Die deutsche Justiz erfuhr von seinem Asylantrag und fragte – statt diesen schnell zu bearbeiten – in der Türkei an, ob diese Interesse an einer Auslieferung habe. Sie hatte. Am 21. Februar 1983 bewilligte die Bundesregierung die Auslieferung Altuns an die Türkei.

Es folgten europaweite Solidaritätsbekundungen; die Abschiebung wurde zwischenzeitlich gestoppt. Im August 1983 wurde Altuns Auslieferung in Berlin erneut verhandelt, obwohl laut seinem Anwalt sein Asylantrag anerkannt worden war. Durch das Verfahren in die Enge getrieben, tötete sich Altun am zweiten Verhandlungstag, dem 30. August 1983 selbst.

Solidarität aus Hamburg

Altuns Tod sorgte bundesweit für Aufsehen und führte unter anderem zur Gründung von „Pro Asyl“ und zum Aufkommen des Kirchenasyls. Kurz nach Altuns Tod sprühte jemand „Kemal-Altun-Platz“ auf eine Plakatwand, die den Platz damals eingrenzte. „Wer das gemacht hat, ist unwichtig. Wichtig ist, dass es geschehen ist“, sagt Wolfgang Ziegert, der seit den 1970ern in Ottensen lebt und an den Kämpfen um den Platz beteiligt war. An­woh­ne­r*in­nen hatten das brachliegende Werksgelände der Maschinenfabrik Menck & Hambrock als Freiraum für sich beansprucht. Eine Bürgerinitiative sorgte schließlich dafür, dass es als Park erhalten wurde.

Warum wird hier in Hamburg, einer Stadt, zu der Cemal Kemal Altun keinen Bezug hatte, an ihn erinnert? „Hamburg war eine Hochburg für Solidarität“, sagt der Journalist Yiğit, der ein Freund Altuns war und wie er aus politischen Gründen aus der Türkei flüchten musste. „Ich habe die Türkei mit den gleichen Schmerzen und Sorgen verlassen müssen wie er.“

Das „Abschiebetheater“, so nennt Yiğit es, habe „Altuns Leben und das seiner Familie kaputt gemacht“. Schon während der Gerichtsverfahren hat Yiğit gemeinsam mit anderen auf dem späteren Altun-Platz Solidaritätsaktionen für den Freund organisiert, aber auch andere politische Veranstaltungen und Kinderfeste.

Nachdem der Name „Kemal-Altun-Platz“ zunächst eher in den links-alternativen Bevölkerungsteilen Ottensens benutzt wurde, etablierte sich der Name schon nach zwei bis drei Jahren in der breiteren Bevölkerung. Auch in den folgenden Jahren blieb die Erinnerungsarbeit im wörtlichen Sinn handgemacht. 2012 stellten Bür­ge­r*in­nen selbstgebaute blaue Straßenschilder mit Altuns Namen auf.

„Nach einer Woche waren die weg“, erinnert sich Yiğit. „Wir hatten erst Panik und haben uns gefragt, was da los ist.“ Dann habe man beim Bezirksamt angerufen, das mitteilte, dass die Schilder nicht die gleiche Optik wie die offiziellen Straßenschilder haben dürften. Der Bezirk stellte schließlich die weißen Schilder auf, die bis heute dort stehen.

Inzwischen wirbt die Stadt Hamburg auf ihren touristischen Infoseiten mit der Geschichte des Platzes und An­woh­ne­r*in­nen treffen sich auf dem „Kemal“ im Sommer zum Bier. Aber „viele wissen nicht, wer Kemal Altun ist“, sagt Yiğit. „Ich bin durch die Kneipen gegangen. Die Leute dort sagten mir, dass die Touristen fragen, wer Kemal Altun ist.“ Das sollen die Schilder, die am Montag aufgestellt werden, nun ändern.

Offiziell umbenannt wurde der Platz nie, obwohl die Altonaer Bezirksversammlung das gleich zweimal beantragt hat. Beim ersten Mal, 1991, hatte das türkische Generalkonsulat „scharf protestiert“. Einen zweiten Antrag der Bezirksversammlung aus dem Jahr 2012 lehnte die Kulturbehörde ohne Begründung ab. Ein Sprecher der Behörde erklärte damals gegenüber der taz, dass der Bezug zu Hamburg fehle. Der Linken-Politiker Ziegert vermutet allerdings, dass dies „aus Rücksichtnahme auf das türkische Konsulat“ geschah.

Am Donnerstag teilte die Kulturbehörde auf Nachfrage der taz mit, dass aktuell „kein Beschluss auf Änderung der 2012 gefundenen Lösung“ vorliege. Jenseits von Hamburg scheint man den Ortsbezug weniger wichtig zu finden: In Kassel, zu dem Altun ebenfalls keine biografische Verbindung hatte, gibt es seit 2021 einen offiziellen „Kemal-Altun-Platz“.

Adil Yiğit ist sich sicher, dass der Platz trotzdem irgendwann einmal offiziell umbenannt werden wird. „Wasser findet irgendwann seinen Weg“, sagt der 64-Jährige. Zur Enthüllung der Schilder und Tafeln am Montag sollen 15 bis 20 Menschen kommen, die „die damalige Lage kennen“. Im Sommer plant er zu Altuns 40. Todestag eine große Veranstaltung, zu der auch dessen Bruder Ahmed Altun, Altuns Anwalt und der Liedermacher Wolf Biermann eingeladen werden sollen, der ein Lied über Altun geschrieben hat. Danach will Yiğit abschließen. „Ich habe genug geschafft.“

Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (0800-111 0 111 und0800-111 0 222) oder www.telefonseelsorge.de besuchen.

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