piwik no script img

Die WahrheitVerblödeter Wackelklotz

Der Dodo soll zurückkehren. Ausgerechnet das vor Jahrhunderten ausgestorbene Nutzloswesen.

Rechterhand: Dodo. Linkerhand: Dodo, Reste Foto: ap
Von Zarras

Um Himmels willen! Der Dodo soll wiederauferstehen! Das verkündete kürzlich das amerikanische Unternehmen Colossal Biosciences, das daran arbeitet, ausgestorbene Arten wieder zum Leben zu erwecken – wie den Dodo! Den Dodo? Ja: den Dodo! Aber: Wer oder was ist der Dodo?

Der Dodo erhielt seinen merkwürdigen Namen einstmals von portugiesischen Seefahrern im 17. Jahrhundert. Zunächst gab es jedoch in Sturm geratene Holländer. Sie strandeten auf der Insel Mauritius und stießen dort auf der Suche nach Nahrung erschrocken auf ein seltsames Wesen: den Dodo – eine etwa halbzentnerschwere, einen Meter hohe und maßlos verfettete Kreuzung aus wuchtiger Pelikan-Ente und völlig verblödetem Truthahn. Völlig verblödet, weil der Dodo seinen ausgehungerten Besuchern spontan und widerstandslos entgegenwatschelte, worauf er in tiefster Dankbarkeit sofort auf dem nächsten Hackklotz endete. Auch wird berichtet, dass der Dodo nicht einmal zuckte, derweil seine Artgenossen um ihn herum reihenweise abgeschlachtet wurden.

Doch die Freude unter den Niederländern über diese fette und leicht in die Arme getriebene Beute währte kurz. Denn auch nach zahllosen Joints und tagelangem Durchkochen schmeckte das Fleisch vom Dodo immer noch zäh, ranzig, faulig und in hohem Maße kränklich ungesund – mit einem Wort: scheiße. Und so gaben die Holländer dem Dodo deswegen seinen vorläufig ersten Namen: „Walchvoghel was so viel bedeutet wie ekliges Federvieh. Doch auch für das tägliche Frühstücksei war der Dodo gänzlich unbrauchbar: Der Dodo legte nur ein Ei. Pro Jahr. Eins.

Noch vor den Holländern landeten die Portugiesen auf Mauritius. Und mit den Portugiesen erhielt der Dodo schließlich auch seinen endgültigen Namen: Dodo. Dodo, was im Portugiesischen Idiot heißt und dort auch Idiot bedeutet. Idiot schon deswegen, weil der Dodo trotz des ­vorherigen Beinah­genozids an seiner Art durch die Holländer offenbar immer noch nichts begriffen hatte und wieder treudoof seinen neuen Besuchern entgegenstapfte. Diese trieben ihn dann in Dankbarkeit und Scharen auf die Schiffe ihrer Seefahrer, wo der Dodo schließlich, in Massen verarbeitet, als Brechreiz erregende Protein­zufuhr für Fahrten nach Übersee diente.

Dodo Dido

Doch den letzten Schlag versetzten dem Dodo die auf Mauritius von Menschen eingeschleppten Ratten und Schweine. Alles fressende Allesfresser, die nicht so sehr abhängig waren vom zähen und fauligen Geschmack ihrer Beute. Und wahrscheinlich wackelte auch hier wieder der Dodo seinen neuen Besuchern genauso freudig entgegen wie seit jeher, wie schließlich der Letzte seiner Art, der sich offenherzig in die schwingende Keule eines portugiesischen Seefahrers stürzte.

Eine andere Überlieferung behauptet, ein toter Dodo sei nach England verschifft worden. Doch bei Ankunft dort habe man eine erschütternde Entdeckung gemacht: Der tote Dodo war komplett von Motten zerfressen. Gänzlich. Restlos. Was in England dann auch die bekannte Redewendung „As dead as a dodo“ ins Leben rief. Nach dem Motto: Wenn schon tot, dann richtig tot.

Nun kann man sich fragen: Warum hat der Dodo das getan? Wieso dieses eigentümlich chronische und unfassbar dämliche Suizidverhalten? War der Dodo einfach nur dumm? Eine mögliche Antwort auf diese Frage könnte im Fressverhalten des Dodos liegen: Der Dodo ernährte sich fast ausschließlich von Fallobst. Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass durch die vielen nach unten stürzenden Früchte, die dem Dodo auf der Suche nach fauligem Futter ständig auf den Kopf schlugen, eine gewisse Blödheit zur festen Charaktereigenschaft des schrägen Vogels wurde.

Die erste aller Arten

Wie auch immer. Die komplette Ausrottung des Dodos wird jedenfalls auf das Jahr 1690 datiert und gilt seitdem als Ausrufezeichen für ein neues Phänomen in der Menschheitsgeschichte, das bis dato offenbar noch niemand bemerkt hatte: das Artensterben. Nun soll man das Artensterben aufrichtig und ehrlich bedauern und auch wirklich herzhaft beweinen, doch im Falle des Dodos könnte eine Ausnahme gemacht werden. Denn wie immer in der Natur steckt ein tiefer Sinn dahinter, warum eine fette, halbzentnerschwere, einen Meter hohe, verblödete Bibo-Wackeltonne mit tief verankertem Sui­zid­be­dürf­nis aus der Welt der Fauna verschwinden musste. Somit stellt sich auch die Frage: Warum sollte man diesen optisch verunglückten und kaum genießbaren Biounfall wieder zum Leben erwecken?

Das ehrgeizige Unternehmen Colossal Biosciences hat sich allerdings genau dies zur Aufgabe gemacht. Ein Name, der sofort die Assoziation weckt, dass aus den Laboren der Amerikaner bald wuchtige Zombies stapfen, um grunzend die Gegend für Nachwuchs abzusuchen. Doch tatsächlich befassen sich dortige Mitarbeiter nur mit belanglosen Dingen wie dem Wiederbeleben der Mammuts oder der Auferstehung des Tasmanischen Tigers. Und in weiterer Überflüssigkeit neu obendrauf: des Dodos.

So bleibt am Ende eine letzte, schmerzhaft bohrende Frage: Wieso kann man nicht endlich mal was Intelligentes klonen? Ein Chlorophyll-Protein-Fleisch-Rüssel-Monster zum Beispiel, das mit seinem gewaltigen Saugrohr CO2 aus der Atmosphäre schlürft, in seinem Innern Kohle zu Asche verstoffwechselt und als Verdauungsgas reinen Sauerstoff in die vom Klimawandel angegriffene Luft pupst. Das wird doch nicht so schwer sein!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Wollte Dodo nicht allein im tropischen Regen stehen lassen. Ansonsten sind Helmut Höge u. die weitere Taz-Autorenriege der ernsthaften Erforschung der lustigen Tierwelt aber unverzichtbar und unerreicht.







    Habe eben mal aus Neugier kurz die elektrische Suchmaschine angeworfen und von „H. H.“ erstaunliches entdeckt:







    *Die Wahrheit: Süffisante Spitzhörnchen: Die nachtaktiven Kletterer neigen in nicht geringem Maße zum Alkohol.*

    taz.de/Die-Wahrheit/!5511422/

    *„…wie die SZ vom Bayreuther Tierphysiologen Frank Wiens erfuhr. Ihr wichtiger Nahrungsbestandteil ist der zu Alkohol fermentierte Blütennektar der Bertram-Palme, der 3,8 Prozent Alkohol enthält. Sie müssten eigentlich ständig betrunken sein, aber anscheinend ist ihr Stoffwechsel sehr viel „effektiver“ als unserer.“*

    Das ist es also. Dodo hat evolutionsmäßig also nur Pech gehabt. Vielleicht hätte nicht viel gefehlt und diesen Leckermäulern wäre ein ähnliches Schicksal widerfahren wie ihm. Denn:

    *„Zeigen die alkoholisierten Winzlinge ähnlich verringerte Stress- und Angstlevel wie ihre zweibeinigen Verwandten nach dem dritten Glas?“ / Wobei sie [andere Autoren] anscheinend davon ausgehen: „Was beim Menschen von Vorteil sein kann, könnte im Urwald schnell zum Nachteil werden“ – also dass die Kleinsäuger ihren Fressfeinden entspannt entgegensehen, statt reaktionsschnell zu fliehen. Eigentlich müsste das im Widerspruch zu ihrer gegenüber der SZ geäußerten Hypothese stehen, wonach der Stoffwechsel der Hörnchen vermutlich sehr viel „effektiver“ als unserer ist.*

    Und: Der „Tierische Rausch“ wirkt so menschlich:

    *Auf der nördlichen Halbkugel ermöglichen andere Drogen eine Bewusstseinserweiterung (vulgo: Realitätsflucht): Rentiere zum Beispiel „fressen schon seit ewigen Zeiten Magic Mushrooms. Im Winter graben sie gezielt unter der Schneedecke nach Fliegenpilzen, die ähnliche Halluzinationen wie LSD hervorrufen.*

    taz.de/Die-Wahrheit/!5393789/

  • Wo ist denn wohl ein Helmut Höge zur Ehrenrettung des Dodo's?

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Das denke ich auch. Armer Dodo - von uns geschmäht und verspottet und dann auch noch von uns ausgerottet.

      Was kann der Dodo denn dafür, dass er so dodo ist? Ich vermute, der arme Kerl hatte keinen Erfolg damit, sich evolutionsmäßig eine Überlebensniesche zu erobern. Wikipedia weißt darauf hin, dass der Dodo sich weit überwiegend von "vergorenen Früchten" ernährte. Wir wissen, was die alkoholische Gärung anrichten kann: Siehe Feuerzangenbowle.

      Man stelle sich vor: Der Genuss von Alkohol über Generationen hinweg. Dass musste ja Schäden hinterlassen bei dem Guten. Sein Körper schaffte es einfach nicht, genügend genetische Ressistenz gegen dass Zeug zu entwickeln.

      Und dann war da noch ein gewisses "Henne - Ei-Problem". Hatt das von oben herab fallende Fallobst zuerst eine gewisse geistige Beeinträchtigung ausgelöst, die dann dafür sorgte, dass Dodo sein Alkoholproblem nicht rechtzeitig mehr erkannte? Oder war es umgekehrt?

      Als dann die Portugiesen kamen war alles zu spät. Armer Dodo.

  • Ist doch noch gar kein 1. April.

  • "Nutzloswesen"



    Sehr "lustige" Glosse.



    Die wahnhafte Idee, mittels Gentechnik Heilungsversuche an der vom Menschen vernichteten Fauna und Flora unseres Planeten vorzunehmen - das sollte Thema dieser Glosse sein.



    Im Senckenberg-Museum kann man sich übrigens einen nach erhaltenem Skelett und Balg rekonstruierten Dodo anschauen. Ein einzigartiges Tier, das nie mehr wiederkommen wird.

    • @Barbara Falk:

      Ich finde diese Idee gar nicht so wahnhaft. Warum eigentlich nicht mit Gentechnik Artenvielfalt zurückholen? Bringt natürlich nur was, wenn auch Habitate da sind, in denen die zurückgeholten Arten leben können. Sonst ist das Ganze in der Tat Machbarkeitswahn ohne sinnvolles Ziel.

      • @Reisehank:

        "Bringt natürlich nur was, wenn auch Habitate da sind, in denen die zurückgeholten Arten leben können."



        Eben. Sobald das erste Klonprojekt gelingt, ist Habitatverlust nicht mehr schlimm, man hat's ja archiviert, "für später".



        Deshalb: Ins Senckenberg-Museum gehen, den unwiderbringlichen Verlust verstehen, und dann die Habitate der Arten schützen, de es (noch) gibt.

  • Tja - die 🇺🇸 sind’s in Schuld: Wilhelm Reich ist leider dodotot.



    Das bisschen hätte er mit seinen Cloudbuster auch noch locker hinbekommen! Gelle.

    unterm——servíce



    de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Reich



    &



    de.wikipedia.org/w...on_(Wilhelm_Reich)



    & heureka



    www.academia.edu/4...leitung_Einleitung