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Russische Botschaften im AuslandOhne Vertretung in Estland

Im fremden Land bietet die Botschaft Hilfe und Unterstützung. Anders ist es, wenn sie den Staat vertritt, den man aus politischen Gründen verlassen hat.

Die Botschaft der Russischen Föderation im estnischen Tallinn Foto: Valery Sharifulin/Itar-Tass/imago

F rüher konnte man auf Demos in Moskau und St. Petersburg oft diese Parole hören: „Sie vertreten uns nicht mal.“ Menschen mit demokratischen Ansichten in meinem Alter, also um die 30 Jahre und jünger, hatten den Machthabern in Russland nie ihre Stimme gegeben. Vereinzelt brachten sie progressive Stimmen in die Regionalparlamente, auf kommunaler Ebene bildeten sie zeitweise sogar die Mehrheit. Aber für höhere Positionen gibt es in Russland eine eiserne Schranke aus Putin’schen Sicherheitsbeamten, Gerichten und Wahlkommissionen.

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Ich lernte die Parole erneut schätzen, nachdem ich St. Petersburg Richtung Tallinn verlassen hatte. Meine Freunde, Kollegen und ich, alle die nicht das Glück haben, eine weitere Staatsangehörigkeit neben der russischen zu haben, sind über ein Dutzend Länder verstreut. Keines davon hat eine uns freundlich gesonnene Vertretung. Die russische Botschaft, die mir formell in schwierigen Situationen helfen sollte, vertritt alles, vor dem ich geflohen bin.

In der Pikk-Gasse in Tallinn steht ein Gebäude, das an eine Torte erinnert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es vom Architekten Jacques Rosenbaum gebaut, der später auch für die NS-Bautruppe Todt gearbeitet hatte. Auf dem Haus weht eine Trikolore – es ist die Botschaft der Russischen Föderation in Estland.

Ich weiß, dass ich irgendwann einmal durch die Tür dieser Einrichtung gehen muss, für eine Bescheinigung, eine notariell beglaubigte Übersetzung oder einen neuen Pass. Selbst um meine Staatsbürgerschaft abzugeben, braucht es den guten Willen russischer Diplomaten. So einfach lässt einen die Heimat nicht gehen. Jeder russische Staatsbürger wird von der Machtvertikale als Subjekt wahrgenommen. Ich weiß, dass ich in der Botschaft nicht auf Wohlwollen zählen kann. Im besten Fall werde ich dort mit der gesamtrussischen Unhöflichkeit und mit Unbehagen konfrontiert, im schlechtesten mit Willkür und direkter Rechtsverletzung.

Am 13. Januar hatte das estnische Außenministerium eine weitere Gruppe russischer Diplomaten aus Tallinn ausgewiesen – um eine personelle Parität mit der Botschaft der Republik Estland in Moskau zu erreichen. Die Gefühle dazu sind gemischt. Einerseits ist es schwierig, diese Idee nicht zu unterstützen – denn die Botschaft der Russischen Föderation ist quasi das Sprachrohr des Krieges.

Gleich auf der ersten Seite ihrer Internetpräsenz steht ein Banner, das dazu einlädt, die russische Version von „Nachrichten zur Spezialoperation“ zu lesen. Andererseits verringern sich die Möglichkeiten der konsularischen Hilfe für mehr als 80.000 russische Staatsbürger in Estland noch mehr und alles hängt noch mehr vom guten Willen der verbliebenen Diplomaten ab.

„An einer Kette zusammenhängen“, schrieb der Lyriker Iwan Kormilzew 1984 über Sowjetbürger. Fast 40 Jahre später spüre ich als Russe sogar in der Emigration das Gewicht dieser Kette.

Aus dem Russischen von Gaby Coldewey

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