Ruanda und Kongo am Rande des Krieges: Kampfjet in Flammen
Ein kongolesischer Kampfjet soll den ruandischen Luftraum verletzt haben. Er wird beschossen. Martialische Töne folgen aus Kigali und Kinshasa.
Der Sukhoi-Kampfjet landet schließlich sicher auf dem Flughafen der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma. Flammen züngeln am rechten Flügel, Rauch steigt auf, ist auf einem anderen Video zu sehen: Der Pilot öffnet die Cockpit-Tür und krabbelt hastig heraus. Aufnahmen von Anwohnern des Flughafens zeigen schließlich zwei Feuerwehrautos, die Wasser sprühen und die Flammen löschen.
„Heute um 17.03 Uhr ist eine Suckoi-25 aus der DR Kongo in den ruandischen Luftraum eingedrungen, zum dritten Mal“, teilt am Abend die ruandische Regierung kurz und knapp per Presseerklärung mit. „Verteidigungsmaßnahmen wurden ergriffen. Ruanda fordert Kongo auf, diese Aggressionen zu unterbinden.“ Kurz darauf kreuzen ruandische Kriegsschiffe auf dem Kivu-See, der Ruanda vom Kongo trennt.
Später stellt die Militärverwaltung der kongolesischen Provinz Nord-Kivu, in welcher Goma liegt und wo seit fast zwei Jahren das Kriegsrecht herrscht, den Vorfall ganz anders dar: „Das Flugzeug wurde nicht getroffen, es löste sein Raketenabwehrsystem aus, und es war die Flamme, die Sie gesehen haben, und diese Flamme zerstörte die von Ruanda abgefeuerte Rakete.“ Eine offizielle Erklärung aus Kongos ferner Hauptstadt Kinshasa betont ausdrücklich, dass die Maschine „niemals“ den ruandischen Luftraum verletzt habe, sondern innerhalb des kongolesischen Territoriums angegriffen worden sei.
Ziel: Friedensgespräche
Der Vorfall macht klar: Die Region der Großen Seen ist kurz davor, in einem regionalen Krieg zu versinken. Schon am Montag hatte Nord-Kivus Militärgouverneur, General Constant Ndima, vor der Presse Alarm geschlagen: „Alle Signale für einen Krieg sind sichtbar. Wir müssen uns darauf vorbereiten.“ Der Konflikt, der sich seit über einem Jahr im Dreiländereck zwischen der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda und Uganda abspielt, schwappt nun über die Grenzen. Und die Nachbarländer sind umgekehrt bereits im Kongo militärisch präsent.
UN-Ermittlungen haben ergeben, dass ruandische Truppen, die mutmaßlich die Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März) unterstützen, in den Kongo eingedrungen sind. Ugandische und burundische Soldaten sind in unterschiedlichen Regionen präsent, um dortige Milizen zu entwaffnen. In Goma stehen Soldaten aus Kenia im Rahmen einer ostafrikanischen Eingreiftruppe, um einen Rückzug der M23 aus ihren Gebieten zu erreichen und Friedensgespräche zu ermöglichen, die Kongos Regierung allerdings ablehnt, unterstützt von Demonstranten auf Gomas Straßen. Ein Funke genügt, damit die Region erneut in Gewalt versinkt.
Bereits seit einer Woche wird außerhalb von Goma wieder heiß gekämpft. Von Friedensgesprächen, wie sie die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) und die Internationale Konferenz der Großen Seen (ICGLR) in den vergangenen Monaten auf verschiedenen Ebenen initiiert hatten, ist keine Rede mehr. Stattdessen startete Kongos Regierungsarmee eine erneute Offensive gegen die M23-Rebellen – mit Unterstützung von rumänischen Söldnern und den alten russischen Kampfjets, die in den vergangenen Wochen von bulgarischen Ingenieuren flott gemacht wurden.
Die Front verläuft im Bezirk Masisi, in den Bergen nordwestlich von Goma weit entfernt von der ruandischen Grenze. Kongos Regierung behauptet, dass ruandische Truppen in Kollaboration mit der M23 bereits bis vor die Stadt Kitchanga in Masisi vorgedrungen seien. Es sei ein legitimes Recht Kongos, sein Staatsgebiet zu verteidigen.
Unterdessen droht die M23 erneut damit, die Millionenstadt Goma einzukesseln. Die „Löwen“ seien auf dem Weg nach Sake, wurde am Dienstagabend auf dem Twitterkonto von M23-Militärchef General Sultani Makenga angekündigt. Die Kleinstadt Sake liegt rund 20 Kilometer westlich von Goma, am Ufer des Kivu-Sees.
Sollte die M23, die bereits nördlich von Goma die Fernstraßen abschneidet, auch diese für Goma wichtige Verkehrsverbindung nach Westen abschneiden, wäre die Millionenstadt direkt an der Grenze zu Ruanda umzingelt. Der einzige Ausweg bliebe dann per Boot über den Kivu-See, wo bereits Ruandas Marine gesichtet wird. „Sogar die Stadt Goma muss eingenommen werden“, droht die M23.
Die M23-Rebellen hatten bereits bei ihrem ersten Krieg im Jahr 2012 Goma im Sturm erobert und zehn Tage lang besetzt gehalten, um Kongos Regierung an den Verhandlungstisch zu zwingen. Aus Rebellenkreisen verlautet, dass dies nun erneut die Strategie sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!