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Korruption in der UkraineIn Kyjiw läuft es wie geschmiert

In der Ukraine kommen Korruptionsfälle auf den höchsten Ebenen ans Licht. Präsident Selenski kündigt personelle Konsequenzen in der Regierung an.

Für ihn sieht es jetzt schlecht aus: Oleksij Resnikow, ukrainischer Verteidigungsminister Foto: Rattay/reuters

Kyjiw taz | In der Ukraine schwappt eine Welle von Korruptionsskandalen durch die Nachrichten. Regierungsmitglieder und Parlamentarier sind involviert. Einige Fälle haben die Antikorruptionsbehörden aufgedeckt, andere wurden von investigativen Journalisten ans Licht gebracht. Bereits in dieser Woche soll es deshalb zu einem wichtigen Personalwechsel in der Regierung kommen.

Ende letzter Woche haben Journalisten des Onlineportals ZN.UA eine Recherche veröffentlicht, die darauf hindeutet, dass das Verteidigungsministerium Lebensmittel für das Militär zu Preisen kauft, die zwei- bis dreimal höher sind als im Einzelhandel in Kyjiw. Eine Kopie des Vertrags zeigt, dass Lebensmittel im Wert von über 13 Milliarden Hriwna (etwa 324 Millionen Euro) erworben wurden.

In der ukrainischen Gesellschaft löste dies heftige Reaktion aus. Im Parlament wurde Verteidigungsminister Oleksij Resnikow vorgeladen, um die Lage zu erklären. Parallel dazu haben der staatliche Rechnungshof und die Justizbehörden bereits mit Inspektionen im Ministerium begonnen.

„Die veröffentlichten Daten werden mit Anzeichen von bewusster Manipulation verbreitet und sind irreführend“, ließ das Ministerium erklären. „Gleichzeitig führt das Ministerium unabhängig von Inhalt und Art der Informationen eine interne Prüfung durch.“

Veruntreuung von Haushaltsmitteln

Der Verteidigungsminister forderte den Obersten Rat auf, in Anwesenheit des Nabu (Nationales Antikorruptionsbüro) und des DBI (Staatliches Büro für Ermittlungen) dringend einen Bericht über die Beschaffung von Produkten in seiner Behörde anzuhören. Würde ein Missbrauch nachgewiesen, werde der Verantwortliche „nach dem Gesetz bestraft werden“.

Das Ministerium teilte außerdem mit, dass es einen Appell an den Sicherheitsdienst (SBU) vorbereite, um „die Verbreitung absichtlich unwahrer Daten, die den Verteidigungsinteressen schaden, zu einem besonderen Zeitpunkt“ zu überprüfen.

Ebenfalls am Samstag gab es auch im Ministerium für Infrastruktur einen Skandal. Das Nabu ließ den ersten stellvertretenden Minister, Wassyl Losinskyj, wegen des Verdachts der Veruntreuung von Haushaltsmitteln festnehmen. Im Moment der Festnahme soll er 400.000 Dollar als unrechtmäßige Vergütung erhalten haben.

„Der stellvertretende Minister erhielt diese Geldmittel durch die Ermöglichung von Verträgen für den Kauf von Ausrüstung und Maschinen zu überhöhten Preisen“, erklärte das Nabu. Einen Tag später wurde Losinskyj in einer außerordentlichen Kabinettssitzung von seinem Posten entlassen. Wenn seine Schuld vor Gericht bewiesen wird, drohen ihm 12 Jahre Gefängnis.

„Entscheidungen sind bereits vorbereitet“

Am Montag wurde ein weiterer Korruptionsskandal bekannt. Nach einer Recherche der Ukrainska Pravda hat der stellvertretende Vorsitzende der Parlamentsfraktion Diener des Volkes, Pavlo Chalimon, im Sommer eine Luxusvilla im Zentrum von Kyjiw zu einem Preis weit unterhalb des Schätzwerts gekauft und auf eine andere Person registriert. Wenige Stunden nach der Veröffentlichung gab die Fraktion bekannt, Chalimon von seinem Posten im Parlament zu entlassen.

Am Sonntag kritisierte Wolodimir Selenski Korruptionsfälle in seiner Abendansprache. Er bezeichnete die Verhaftung des stellvertretenden Ministers für Infrastruktur als ein Signal an all diejenigen, deren Handeln und Verhalten gegen das Prinzip der Gerechtigkeit verstößt.

Selenski kündigte außerdem Personalentscheidungen an, was auf Rücktritte in der Regierung hindeutet. „Diese Entscheidungen sind bereits vorbereitet und sie werden fair sein“, kündigte Selenski an.

Einige ukrainische Ex­per­t:in­nen vermuten, dass die gleichzeitige Veröffentlichung über eine Reihe von Korruptionsfällen Teil einer russischen Operation sein könnte, vor denen der ukrainische Geheimdienst vor einigen Wochen gewarnt hatte. Demnach wäre das Ziel, die Bevölkerung zu spalten, die ukrainische Armee zu demotivieren und das Vertrauen der westlichen Partner in die ukrainischen Behörden zu schwächen.

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25 Kommentare

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  • Frei zitiert aus "The Australian":



    "Ein guter Krieg ist es dann, wenn wahre Patrioten Geld verdienen!"



    Wann immer die EU Geld verteilt fehlt eins garantiert: Mittelverwendungskontrolle. Siehe Ungarn, Griechenland, Italien - ach was soll die Erbsenzählerei - bei Allen!

  • Schön, wenn auch hierzulande mal gegen Korruption und Seilschaften durchgegriffen würde. Zb gegen die fossile Lobby, die in nahezu allen Ministerien in Form von Beratern und Staatssekretären vertreten ist und immer noch die Energiewende sabotiert.

  • "Wäre der Krieg nicht geschehen, dann wäre Selenski vermutlich bei der nächsten Wahl abgewählt worden."



    Und weiter ...



    Jetzt mal Butter bei die Fische !

    • @LeKikerikrit:

      Seine Beliebtheit war vor dem Krieg drastisch gesunken, nachdem die Wähler gesehen haben, dass er sich nicht wesentlich von seinen Vorgängern unterscheidet (die TAZ berichtete). Ist eine Tatsache. Und natürlich ein Anhaltspunkt für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit seiner Korruptionsbekämpfung. Für diese wurde wurde er ja gewählt.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        ... und dann noch unsere Uschi (gewählt mit den Stimmen von Kaczinskys PIS und Orbans Fidesz) verhakelt sich von einem Korruptionsverdacht in den nächsten (zweimal der gleiche Fehler) und schmeißt mit den Milliarden nur so um sich, wenn es um die Unterstützung/Aufnahme in die EU, der Ukraine geht.

        • @LeKikerikrit:

          Hat jemand behauptet, dass es wo anders keine Korruption gibt? Aber die Ukrainer sind damit nun mal besonders geschlagen.

        • @LeKikerikrit:

          ... das war jetzt die Butter.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Gut, daß Niemand in eines Anderen Kopf schauen kann.



        Also stell ich Frage jetzt ganz klar: "Profitiert der Herr Selenski vom Krieg ?"

        • @LeKikerikrit:

          Na ja. Seine Chancen, wiedergewählt zu werden, sind gestiegen.

          PS: Er hat den Krieg nicht angefangen oder bestellt.

    • @LeKikerikrit:

      Galt ganz unten @Martin Eugenio Restrepo

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Gibt es auch auf EU Ebene! Ist doch gerade etwas in der sozialistischen Fraktion ans Licht gekommen.

  • "Selenski kündigte außerdem Personalentscheidungen an, was auf Rücktritte in der Regierung hindeutet. „Diese Entscheidungen sind bereits vorbereitet und sie werden fair sein“, kündigte Selenski an."

    Da Selenski mehrfach der Geldwäsche und Korruption (Panama Papers) überführt wurde, bleibt zu bezweifeln, dass er das Problem in den Griff bekommt.

  • Korruption ist allgegenwärtig und auch in der deutschen Wirtschaft gang und gäbe. Lobbyregister jetzt, sag ich da nur. Die deutsche Politk hält schön dagegen..

  • Man könnte sich vorstellen, dass ganz bald der Druck auf die EU wieder einmal erhöht wird einer vorzeitigen Aufnahme zuzustimmen... Jetzt, da man doch so viel gegen Korruption im Land tut.....

    • @Jean Noire:

      "Man könnte sich vorstellen, dass ganz bald der Druck auf die EU wieder einmal erhöht wird einer vorzeitigen Aufnahme zuzustimmen... ".



      Malen Sie den Putin nicht an die Wand. Es ist ein durchschaubares Spiel. Oben werden die Figuren ausgetauscht, verbunden mit der Hoffnung, dass die sich nicht gleich erwischen lassen.



      Tatsächlich leidet die Bevölkerung unter diesen Raffges, denn schon die kleinsten, eigentlich für uns völlig normalen, Amtsvorgänge*, müssen geschmiert werden. Und so geht das immer weiter bis ganz nach oben. Ganz unten müssen sich die Leute wehren, um den Laden aus zu missten. Man muß ja nicht gleich alle henken - jeder bekommt Bewährung.



      *Wir zahlen Gebühren und bekommen dafür eine Richtige Quittung.

  • Glaubt denn irgendjemand, dass bei dem, was über Selensky bekannt ist, der wirklich nicht selbst weiß, Vorteile zu nutzen und anzunehmen?



    Jetzt muss er durchgreifen, weil er fürchten muss, dass es sonst auch ihn trifft.

  • Das die Ukraine neben Russland zu den korruptesten Ländern Europas gehört, ist keine Neuigkeit.



    Die Befürchtung, dass bei den Milliarden, die gerade ins Land gepumpt werden, Gelder in den altbekannten dunklen Kanälen verschwinden, wurde im Vorfeld ebenfalls schon geäußert.



    Es ist natürlich, nach wie vor, ein unrechtmäßiger Angriffskrieg, den Putin gegen die Ukraine führt.



    Menschenrechtsverletzungen sind zu verurteilen und aufzuklären.



    Doch nachdem die Ukraine lange Zeit als der Partner mit der weißen Weste präsentiert wurde, kommen nun unschöne Tatsachen zutage, die das Bild etwas zurechtrücken.

    • @Philippo1000:

      "die Ukraine lange Zeit als der Partner mit der weißen Weste präsentiert"



      Wurde sie nie. Das ist die übliche Schwarzweißmalerei. Die Ukraine muss kein Musterstaat sein, um Anrecht auf Schutz vor Massenmord zu haben.

  • Korruption ist schlecht. Gut ist, dass Selensky durchgreift. In Russland hingegen grassiert Korruption systemisch und der Präsident, der mittlerweile einem Diktator gleichkommt, steht dabei ganz an der Spitze (vgl. den Film zu Putins Palast von Nawalny) und ist unantastbar.

    • @JK83:

      "Gut ist, dass Selensky durchgreift."

      Durchgegriffen haben seine Vorgänger auch. Allerdings funktioniert das in der Ukraine und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken so, dass Korruptionsbekämpfung dazu dient, Leute auszuschalten, die man loswerden will. Schließlich muss der Geldfluss in die eigenen Taschen gesichert werden...

    • @JK83:

      Das ist dann doch eine sehr blauäugige Sicht.



      Präsident Selenski ist eine Oligarchenschöpfung, hatte laut Pandora Papers 41 Mio USD in Offshore-Konten, Geld, welches wohl von seinem Oligarchen vor dem Bankrott einer Bank Beiseite geschafft wurde, die Sparer gingen leer aus.

      Kann man googeln und auf Küppersbusch TV gab es dazu vor einigen Monaten eine Folge auf YT.

      Selenski befürchtet zurecht, dass öffentlich bekanntmachte Korruption der internationalen Unterstützung schadet, daher muss er medienwirksam durchgreifen.

      Es gibt hier kein schwarz-weiß, sondern maximal hellgrau und dunkelgrau.

  • Krieg ist immer ein schmutziges Geschäft, bei dem einige sehr, sehr reich werden.



    Zahlen müssen dafür immer die "einfachen" Leute.

  • Es ist doch altbekannt, dass die Ukraine ein korruptes Fass ohne Boden ist. Interessanter ist doch, was Selenski vor dem Krieg in Sachen Korruptionsbekämpfung getan hat, nämlich nichts. Vielmehr hat er die Korruptionsverfolgung eingeschränkt und behindert.

    Im Februar 2021 gab es dazu in der Süddeutschen Zeitung einen langen Artikel namens "Korrupt wie eh und je." Der ist noch immer ohne Paywall online, kann also jeder selber nachlesen, was da zu dem Thema alles geschrieben steht: die sprechen von einer "bescheidenen Bilanz" Selenskis.

    Wäre der Krieg nicht geschehen, dann wäre Selenski vermutlich bei der nächsten Wahl abgewählt worden.

    Und was das Europäische Parlament davon 2021 hielt, kann man hier nachlesen: www.europarl.europ...-2021-0050_DE.html