Sky-Serie „Interview with the Vampire“: Der Vampir ist queer
Endlich weg von der schwülstigen Südstaaten-Gothic-Romantik: Die Serie „Interview with the Vampire“ thematisiert Queerness und Rassismus.
Das Päckchen, dass der Journalist Daniel Molloy eines Morgens aus dem Briefkasten fischt, lässt ihn kurz erstarren. Denn die elegant geschwungene Handschrift auf der beiliegenden Karte gehört einem gewissen Louis de Pointe du Lac, und wer vertraut ist mit Anne Rices Bestseller „Interview with the Vampire“ aus dem Jahr 1976 oder der Neunziger Jahre-Verfilmung mit Brad Pitt und Tom Cruise, weiß, wer sich hinter diesem Namen verbirgt. Und warum Molloy nun in der neuen Serien-Adaption kurz das Blut in den Adern gefriert.
Louis de Pointe du Lac (Jacob Anderson) ist ein Vampir, der dem jungen Molloy (Eric Bogosian) in den Siebziger Jahren bereits einmal Rede und Antwort stand. Die Sache nahm damals kein gutes Ende, doch nun bittet der Untote erneut zur Audienz. Und weil der Journalist inzwischen an Parkinson erkrankt und die Zeit der großen Cover-Geschichten und Buchverträge rar vergangen ist, hat er nichts zu verlieren und setzt sich ins Flugzeug, um in einem Designer-Apartment in Dubai Louis' Biografie womöglich doch noch in einen Bestseller zu verwandeln.
„Interview with the Vampire“, ab dem 6. Januar bei Sky und WOW
Als Beihilfe zum Suizid bezeichnet Louis' Assistent (Assad Zaman) das Projekt: Sobald Moloy die Existenz von Vampiren veröffentliche, dürfte kaum ein Weg daran vorbeiführen, dass Louis aus Rache von Seinesgleichen umgebracht wird. Legt er es genau darauf an? Oder sieht er seine Gespräche mit dem durchaus auf Krawall gebürsteten Molloy vielmehr als dringend nötige Therapiesitzung? In jedem Fall berichtet Louis ausführlich aus seinem Leben – und hat dabei wohl einiges aufzuarbeiten.
Geboren 1878 und aus gutem Hause stammend, schlägt er sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in New Orleans findig und geschäftstüchtig als Bordellbetreiber durch, als ihn der charismatische, aus Frankreich stammende Lestat de Lioncourt (Sam Reid) zum Vampir macht und Louis ihm in glühender Leidenschaft verfällt. Später nehmen die beiden, quasi als Tochter-Ersatz und Rettung bei Beziehungskonflikten, die 14-jährige Claudia (Bailey Bass, aktuell auch im neuen „Avatar“ mit von der Partie) bei sich auf, die durch einen Biss vor dem Tode gerettet wird.
Sexy Schauer-Soap
Über Jahrzehnte ringt Louis mit dem Ungleichgewicht in der Beziehung zu Lestat und mit seinem Dasein als Untoter, inklusive Entfremdung von der Familie und dem Drang Menschen zu essen. Hinzu kommen aber eben auch Alltagserfahrungen als Schwarzer, queerer Mann in den Südstaaten. Klar: Am Ende dieser siebenteiligen ersten Staffel kann kein heiles Vampir-Patchwork-Familienglück stehen.
Rassismus und die lange nachwirkenden Traumata der Sklaverei wurden bei Rice und nicht zuletzt in der Kino-Fassung von Neil Jordan zugunsten schwülstiger Südstaaten-Gothic-Romantik fast komplett ausgeblendet, und auch gleichgeschlechtliches Begehren wurde eher in den Subtext verschoben. Showrunner Rolin Jones kehrt das in seiner Version nun um – und macht die Geschichte, die in ihren Grundstrukturen dem Roman dennoch treu bleibt, so interessant und reizvoll wie nie.
Auch der Serie geht es immer noch darum, in erster Linie eine erotisch aufgeladene Schauer-Soap zu erzählen, was trotz manch läppischem Dialog sehr sexy gelingt, zumal gerade Hauptdarsteller Anderson (bekannt aus „Game of Thrones“) charismatische Bildschirmpräsenz entfaltet. Als Segen erweist sich dabei auch, wie viel Raum für Humor bleibt, sei es in den Gesprächen mit Molloy oder in den Off-Kommentaren Claudias, die im Spagat zwischen pubertierendem Teenager und mordlüsterner Bestie immer wieder an ihre Grenzen kommt.
Doch spannend ist hier eben weniger das blutrünstige, letztlich von Einsamkeit geprägte Vampirtreiben fernab des Tageslichts, sondern alles andere, was diese Figuren ausmacht. Louis und Claudia sind viel mehr aufgrund ihrer Hautfarbe gesellschaftliche Außenseiter*innen als durch ihre Unsterblichkeit oder die Fangzähne. Auch die Deutlichkeit in der Darstellung von Queerness, wenn der bisexuelle Lestat und der sich als schwul identifizierende Louis zusammen in einen Sarg schlüpfen, bereitet Freude. Entsprechend groß ist schon jetzt die Vorfreude auf die nächste Staffel, in der es unter anderem um den Zweiten Weltkrieg gehen soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein