„Gestern waren wir noch Kinder“ im ZDF: Bluttat mit Vorlauf

Warum hat ein glücklicher Vater seine Frau umgebracht? Um diese Frage entspinnt sich eine Serie, die Thriller und Familiendrama in einem ist.

Szene: Vier junge Menschen in Schuluniformen

Spiel mit den Zeitebenen: Warum tötet Peter (r.) fünfundzwanzig Jahre später Anna (2. v. l.)? Foto: Walter Wehner/ZDF

Ein Mädchen in ziemlich derangierter Schuluniform humpelt vorbei an zwei Obdachlosen, bricht zusammen, fängt an zu heulen. Eine Männerstimme spricht aus dem Off, offenbar zu ihr: „Vor 16 Stunden war deine Welt noch in Ordnung. Meine auch. Wir waren eine so verdammt glückliche Familie. Aber irgendwann musste es wohl zur Katastrophe kommen.“

Schnitt auf eine Villa mit Garten, dazu die Einblendung „16 Stunden vorher“. Da war die Welt noch in Ordnung, das haben wir schon gehört, jetzt wird es uns gezeigt: die verdammt glückliche Familie aus Vater, Mutter, drei Kindern und Bruno, dem Hund.

Mehr Standard geht nicht. Konventioneller ließe sich der Einstieg in einen öffentlich-rechtlichen Fernsehthriller kaum gestalten – oder wie es in der Diktion des ZDF heißt: „eine Serie ganz auf der Höhe der Zeit“. Dazu gehört nicht nur das obligatorische Vorgreifen am Anfang, die Rahmenhandlung, sondern auch das Ausbreiten der Geschichte auf verschiedenen Zeitebenen.

An ihrem vierundvierzigsten Geburtstag ersticht der Vater (Torben Liebrecht) die Mutter (Maria Simon) mit dem Küchenmesser. So meldet er es der Polizei – die Tat selbst wird an dieser Stelle nicht gezeigt. Die Gründe nicht genannt. Es bleiben Zweifel. Gab es möglicherweise doch einen anderen Täter? Was ist zum Beispiel mit diesem leicht psychopathisch wirkenden Jungpolizisten (Julius Nitschkoff)? Dem hat die sterbende Mutter mit letzter Kraft nämlich noch ins Ohr geflüstert: „Pass auf meine Kinder auf.“ Also, wenn man ihm glauben darf.

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Die Geschichte wird im linearen TV als Dreiteiler und in der ZDF-Mediathek in sieben Episoden erzählt. Am Ende, unmittelbar vor der Auflösung der Bluttat, wird die Frau zum Mann sagen: „Ich habe jemanden geliebt, den es einfach nicht gibt. Du bist Fake. Du bist einfach Fake!“

Dann gibt es noch die Geschichte, dass der Vater mit 18 „schon vier Menschen auf dem Gewissen hatte“. Das wird in diesen Worten zu Anfang als ganz großes Rätsel aufgebaut, dann aber nach einer Stunde schon wieder aufgelöst. Es war ein Dummejungenstreich mit Folgen, ausgerechnet auf der Abiturfeier. Dieser ein Vierteljahrhundert zurückliegende Zeitstrang breitet dann aus, wie der Vater und die Mutter damals zusammengekommen sind. Für sie war er (in der jüngeren Version gespielt von Damian Hardung) die große Liebe – er dagegen hatte eigentlich eine andere Favoritin, ihre beste Freundin. Schicksalhaft wird unterstellt: Hätte er die auf der Abifeier nur zum Tanz aufgefordert, wäre sein Leben vielleicht ganz anders verlaufen.

Seine Schwester ist außerdem als Kind an einem Wespenstich gestorben, die Mutter (Karoline Eichhorn) darüber verrückt geworden, sodass er seinem eigenen Vater, einem Choleriker, quasi alleine ausgeliefert war. Nach den Regeln der Küchenpsychologie trägt dieser Vater des Vaters die Verantwortung für alles Unglück in dieser Geschichte. Eine Paraderolle für Ulrich Tukur, keine Frage.

Überhaupt ist die Serie herausragend besetzt, alle Darsteller spielen hervorragend – mit einer Ausnahme, ausgerechnet in der weiblichen Hauptrolle der ältesten Tochter. Darstellerin Julia Beautx ist sonst eine YouTuberin in Sachen Beauty. Das wundert nicht, weil das ZDF den Altersschnitt seines 60+-Publikums etwas senken möchte.

Regisseurin Nina Wolfrum („Nord bei Nordwest“) und Autorin Natalie Scharf (27 „Frühling“-Filme mit Simone Thomalla) wollen viel mit „Gestern waren wir noch Kinder“. Die beiden machen hier mindestens zwei Filme in einem. Einerseits einen bis zur letzten Minute spannenden Thriller und dann noch das ins Mark gehende anrührende Familiendrama.

Der Genrefilm hat es hierzulande, mal abgesehen vom Regionalkrimi, recht schwer. Hier nun mäandert ein Mehrteiler orientierungslos zwischen den beiden genannten Genres. Das zeigt leider vor allem, wie wenig seine Urheberinnen anscheinend bereit waren, eines der beiden Genres wirklich ernst zu nehmen.

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