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Minister für straffreies ContainernDafür noch kein Applaus

Grüne und FDP wollen, dass Containern künftig nur bei Hausfriedensbruch bestraft wird. Ein echter Vorstoß gegen Verschwendung sähe anders aus.

Wird dabei kein Schloss aufgebrochen, könnten Aktionen wie diese künftig legal sein Foto: Julian Röder/Ostkreuz

Wer schon einmal Lebensmittel aus Tonnen hinter Supermärkten gerettet hat, weiß: Es lohnt sich, denn weggeschmissen wird ohne Ende. Eine einzige schimmelnde Avocado und zack, landet das komplette Netz im Abfall. Eine leicht zerquetschte Banane und die anhängenden müssen auch dran glauben. Am schlimmsten ist es wohl im Sommer: Kaum beginnt die Grillsaison, landet das unverkaufte Fleisch im Container. Die umsonst getöteten Tiere werden dort beerdigt, zusammen mit Schnittblumen, die noch nicht ihren Glanz verloren haben.

Dieser Lebensmittelverschwendung wollen Grüne und FDP nun beikommen. Wenn auch eher indirekt – sozusagen über die Verbraucher:innen. Am Dienstag erklärten Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP), dass sie den Hamburger Vorschlag aus 2021 unterstützen wollen. Der sieht vor, das sogenannte Containern, also das Retten noch genießbarer Lebensmittel aus Müllcontainern, straffrei zu stellen. Bisherige Versuche, das Containern zu entkriminalisieren, scheiterten an der CDU.

Darüber hinaus wollen die Minister die Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel abschaffen: Anlass für beide Vorschläge sind die anhaltend hohen Lebensmittelpreise. Schade, dass hier erst etwas passiert, nachdem die Inflation die angestiegenen Preise für alle fühlbar machte. Und ebenfalls schade, dass die Verschwendungsbekämpfung dort ansetzt, wo sie wohl die wenigsten Auswirkungen haben wird.

Denn laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sind lediglich 7 Prozent der Lebensmittelabfälle auf den Handel zurückzuführen. Das meiste hingegen, mit 59 Prozent und insgesamt 6,5 Millionen Tonnen – dem Gewicht von ungefähr 1 Million Elefanten –, entsorgen die privaten Haushalte. Zu den erfassten Abfällen zählt zwar ebenso nicht essbarer Müll wie Nussschalen, Kaffeesatz oder Knochen. Vergammelte Lebensmittel, die zu lange in der hintersten Ecke des Kühlschranks verbrachten, dürften aber den Großteil ausmachen.

Es braucht mehr Wertschätzung für unsere Nahrung

Hinzu kommt, dass Containern den Ministern zufolge nur noch bestraft werden soll, wenn Hausfriedensbuch vorliegt, „der über die Überwindung eines physischen Hindernisses ohne Entfaltung eines wesentlichen Aufwands hinausgeht“ oder „den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt“. Da die allermeisten Supermärkte ihre Abfallcontainer nicht offen stehen lassen, sondern hinter Zäunen versteckt halten, hat sich für die Mehrheit der Con­tai­ne­r:in­nen de facto nichts verändert.

Wollen Özdemir und Buschmann die Lebensmittelverschwendung ernsthaft anpacken, gibt es weitaus mehr Baustellen, an denen sie arbeiten können. Und die fangen bei der Aufklärung über bestimmte Bezeichnungen an. Vielen Ver­brau­che­r:in­nen ist der Unterschied zwischen Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) und Verfallsdatum nicht klar – Letzteres sollte aus gesundheitlichen Gründen beachtet werden, Ersteres hingegen ist kein Grund, das Essen auf der Stelle zu entsorgen.

Das MHD gibt nur an, ob das Produkt spezifische Eigenschaften wie Geschmack, Farbe oder Konsistenz behält. Noch wichtiger ist, dass wir unsere Lebensmittel wertschätzen, insbesondere Tierprodukte. Der Kapitalismus hat dafür gesorgt, dass uns zu jeder Zeit und an jedem Ort möglichst günstig zur Verfügung steht, wonach uns gerade der Geschmackssinn steht.

Spenden, Gebühren, Verwerten

Insgesamt sollte sich Deutschland ein Beispiel an anderen Ländern nehmen, die der Lebensmittelverschwendung längst den Kampf angesagt haben. So hat Frankreich seinen Supermärkten 2016 gesetzlich verboten, noch genießbare Lebensmittel wegzuwerfen. Stattdessen müssen die Geschäfte das Essen an die Tafel oder an Wohltätigkeitsvereine spenden.

Japan entschied sich 2001 dazu, Lebensmittelabfälle zu Tierfutter und Dünger zu verarbeiten. Und in Südkoreas Hauptstadt Seoul muss die Bevölkerung seit 2016 eine Recyclinggebühr für ihre Lebensmittelabfälle zahlen. Darüber hinaus verlangen Be­trei­be­r:in­nen vereinzelter All-you-can-eat-Restaurants eine Strafe, wenn Gäste ihre eigens zusammengestellten Portionen nicht aufessen. Drohen Konsequenzen, ist das mit der Wertschätzung also plötzlich gar nicht mehr so schwer.

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6 Kommentare

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  • "Kaum beginnt die Grillsaison, landet das unverkaufte Fleisch im Container."



    Hier sollte man aber schon mitbedenken, dass genau das Waren sind, die ein Verfallsdatum haben. Diese aus dem Müll zu holen, ist also gesundheitsgefährdend.

  • Irgendwie scheint mir das eine Scheindebatte zu sein. Die tatsächliche Anzahl an Anzeigen, die so vermieden werden sollen, wäre interessant. Könnte man ja mal für eine Artikel recherchieren.



    Herr Özdemir scheint sich gerade eher mit Scheinerfolgen für den Posten des Ministerpräsidenten in Baden-Wütremberg warm zu laufen. .

  • Man kann es auch so sehen, dass die Regierung angesichts ihres totalen Versagens und der Verelendung der Armen etwas gegen den Hunger in den untersten Schichten der Bevölkerung tut.

    Die Tafeln sind ja völlig überlastet und da ist es doch barmherzig, um nicht zu sagen geradezu großherzig, den Ärmsten zu erlauben sich von Abfällen zu ernähren.

    Applaus ! Applaus ! Applaus !

  • Unvorstellbar wie gigantisch das Ausmaß der Missgunst sein muss und was für ein absurd eskalierter Geiz nötig ist um in das Wegsperren seines Mülls (!!) zu investieren, damit kein Hungriger sich daran bedienen kann. Es ist jenseits meiner Vorstellungskraft, wie kaputt und ein Mensch sein muss um sowas zu tun, emotional verkümmert und moralisch verkommen. In unserem christlich geprägten Abendland wird das Begehen der sieben Todsünden gefördert wo immer möglich....

    • @Eva Kern:

      Viele Worte zu moralischem Defiziten.

      Dahinter steckt aber - auch - die Angst der Supermärkte, vor eine Klage, falls jemand beim Containern ein nicht-geniessbares Lebensmittel erwischt hat.

      Der Ansatz ist ein anderer. Man müsste verbieten, dass man jemand diesbezüglich klagen kann.

      Die Supermärkte haben durchaus Interesse daran Müll zu reduzieren - der kostet schliesslich. Daher wird Müll aber auch immer abgeschlossen, denn jede offene Mülltonne wird von freundlichen Nachbarn schnell für eigene Zwecke genutzt. Besonders die großen Tonnen sind attraktiv, z.B. für Renovierungsabfall.

  • Das kann man doch begrüßen. Gefällt mir.