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Mangel an Medikamenten für KinderPreispolitik für mehr Fiebersaft

Mehr Geld soll die Versorgungskrise bei Kindermedikamenten kurzfristig beheben. Eine Geste ohne Wirkung, kritisieren die Pharmahersteller.

In diesem Winter kommt es vielerorts immer wieder zu Engpässen bei Arzneimitteln Foto: Ute Grabowsky/photothek/imago

Berlin taz | Für die Versorgungsengpässe bei Kinderarzneimitteln soll es endlich Abhilfe geben. Die Festpreise unter anderem bei Fiebersäften werden für drei Monate ausgesetzt – an die sind die Krankenkassen sonst gebunden. Das kündigte der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) am Dienstag an. Aber führt das tatsächlich zu größeren Vorräten an derzeit knappen Medikamenten in den Apotheken?

Bereits im Dezember hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) als Sofortmaßnahme vorgeschlagen, dass es möglich werden soll, höhere Preise als die bisher verhandelten Festbeträge zu übernehmen. Beim GKV-Spitzenverband sah man das kritisch, vermeldete am Dienstag aber eine Einigung. Ab Februar sollen für 180 Kindermedikamente die Festpreise ausgesetzt werden.

Tatsächlich gilt die Preisgestaltung als eine der Hauptursachen für die seit Jahren auftretenden Versorgungsprobleme bei Medikamenten. Die Krankenkassen vereinbaren für die Kostenübernahme verschriebener Medikamente Festbeträge. Bei Generika, also Medikamenten, bei denen der Patentschutz abgelaufen ist, richten sich diese nach dem günstigsten Preis – für Fiebersaft beispielsweise ist ein Festbetrag von unter 2 Euro vorgesehen. Ein Preisdruck, der dafür sorgte, dass die Hersteller die Rohstoffherstellung vielfach nach Asien verlagert und sich teilweise vom deutschen Markt zurückgezogen haben.

Kein zusätzlicher Fiebersaft

Die Kapazitäten der verbliebenen Hersteller seien komplett ausgelastet, heißt es vom Branchenverband Pro Generika. Zusätzlicher Fiebersaft käme also durch eine kurzfristige Anhebung der Preise nicht auf den Markt. „Eine Geste“ sei die Maßnahme, so Geschäftsführer Bork Bretthauer.

Auch ein Einkauf bei anderen europäischen Herstellern ist nicht einfach. Allein das in der Regel notwendige Umpacken in eine deutschsprachige Verpackung ist laut dem europäischen Generika-Branchenverband Medicines for Europe angesichts herrschender Papierknappheit eine Herausforderung für die Hersteller. In Einzelfällen erteilt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hier eine Ausnahmegenehmigung – zuletzt für einen Fiebersaft, der eigentlich für den ukrainischen Markt bestimmt war.

Beim GKV-Spitzenverband fürchtet man, dass mit der von Lauterbach angeregten Maßnahme lediglich zusätzliche Gewinne für die Pharmahersteller ermöglicht werden, ohne dass dies eine nachhaltige Lösung herbeiführe. Ohnehin sei der Scheitelpunkt der Kinder-Infektionswelle bereits erreicht, so ein Sprecher. Wenn die Regelung am 1. Februar in Kraft tritt, könnte sich der Versorgungsengpass bei Fiebermedikamenten und Antibiotika für Kinder also bereits beruhigt haben.

Bei anderen Arzneimitteln – darunter lebenswichtige Krebsmedikamente – sind die Probleme aber ähnliche, wie die Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie erst am Montag warnte. Auch hier wartet man, wie beim GKV-Spitzenverband, auf den für Anfang des Jahres vom Bundesgesundheitsministerium versprochenen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung.

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8 Kommentare

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  • "Bei Generika, also Medikamenten, bei denen der Patentschutz abgelaufen ist, richten sich diese nach dem günstigsten Preis – für Fiebersaft beispielsweise ist ein Festbetrag von unter 2 Euro vorgesehen." Genau der günstigste Preis mindestens eines Unternehmens ist das Thema und nicht die GKV setzt den Preis fest.

    Wie reden hier auch zumeist von Medikamenten die in eine Routine-Produktion übergegangen sind, zusätzliche Übergewinne müssen dann nicht sein (außer man ist Aktionär). Also die Tränen der Pharmariesen werden groß, aber das sollte uns Menschen egal sein. Sie verdienen meist TROTZDEM damit. Und wenn man den Billigproduzenten aus x,y eben zuläßt dann setzt er eben den Preis.

  • Ich versteh das nicht: Während Corona hat Politik die Alten gerettet, die dann doch gestorben sind, da sie ja auch alt waren, aber die Kinder hat Politik vor die Hunde gehen lassen.



    Jetzt rettet Politk die Kinder, die sie vernachlässigt hatte, aber läßt dafür Alte und Krebskranke ohne Medikamente sterben. Spahn der Erfolgspolitiker hat völlig überteuerte Masken zugelassen und völlig überteuerte Tests, bis heute, aber keiner war bereit notwendige Medikamente zu zahlen und sicherzustellen. Ich bin kein Schwurbler und zigmal geimpft und krank gewesen, aber das versteh ich nicht.



    Nur dass Scholz, Habeck und Reul so in Lützerath entscheiden, versteh ich jetzt.



    Die haben einfach keine Ahnung und machen Chaospolitik auf Grund opportunistischer Anforderungen.

    Es wird echt Zeit, dass die große Welle kommt.

    • @StefanMaria:

      Die "große Welle" angelehnt an den Film? Brauchen wir das wirklich?



      Wir sollten Politik unabhängig von Lobby und Kapital machen, damit Demokratie endlich wieder leben kann.

      Das Politiker wie Scholz, Spahn und viele weitere Korrupte....nicht zur Verantwortung gezogen werden, liegt halt daran das auch unser Rechtssystem der 3 Säulen mittlerweile massiv untergraben wird. Von unabhängiger Kontrolle ganz zu schweigen. Daran müssen wir arbeiten und nicht an einer "großen Welle" die bekanntlich durch Distanzierung geprägt ist.

  • "Beim GKV-Spitzenverband fürchtet man, dass mit der von Lauterbach angeregten Maßnahme lediglich zusätzliche Gewinne für die Pharmahersteller ermöglicht werden"

    Toll, wie hier die Frechheiten der GKV unkommentiert wiedergegeben werden. Die Krankenkassen setzen - auch für überlebenswichtige Präparate - absolute Dumpingpreise als Höchstpreis fest und maulen dann, daß Hersteller nicht verlustbringend liefern. Ebenfalls geweint wird darüber, daß es "nur noch" 96 gesetzliche Kassen gibt

    • @Wurstprofessor:

      Wurstprofessor? Zum Glück haben Sie es schon selbst gemerkt.



      "Der GKV-Spitzenverband verhandelt mit den Arzneimittelherstellern über Erstattungsbeträge für neue Medikamente (§ 130b SGB V). Zuvor werden die Arzneimittel einer frühen Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) unterzogen." www.buzer.de/130b_SGB_V.htm



      Also die GKV ist es nicht allein die sagt, Medikament X darf nur Y teuer sein. Aber die 5 Sekunden zur Suche, sind halt schwer...

      • @Daniel Drogan:

        Ja, mein Wutausbruch enthielt eine verkürzte Darstellung des Sachverhaltes. Ich hätte erwähnen sollen, daß der G-BA, das macht, in dem 5 Kassenvertreter, 5 Vertreter von Ärzten und Krankenhäusern und 3 "neutrale" (Alt)Politiker und Medizinprofessor_innen stimmberechtigt sind. Und 0 Vertreter der Hersteller, die nicht einmal ein Recht haben, überhaupt gehört zu werden.



        Nächsten Mal recherchieren Sie vielleicht lieber etwas mehr als fünf Sekunden, ja?

        • @Wurstprofessor:

          Sind Sie schon wieder im Wutausbruch? Oder warum wieder nur die Halbe Wahrheit. Bei verschreibungspflichtigen "patentgeschützten" Medikamenten, ist das erste Jahr gar völlig frei für den Unternehmer. Da kann er festsetzen was er will. Ab dem 13.Monat nach Einführung gilt dann der ausgehandelte Preis zwischen Unternehmen und G-BA.

          Vielleicht dann doch nochmal genauer das ganze sich belesen: www.bundesgesundhe...imittelpreise.html

          Und was wollen Sie mit diesem Dummfang? "Und 0 Vertreter der Hersteller, die nicht einmal ein Recht haben, überhaupt gehört zu werden." Der Hersteller erstellt das Dossier und die Anfrage der Bewertung. Wenn er also Kacke in seine Dokumentation schreibt. Ist er selbst dafür verantwortlich.



          Wenn die Aufwendungen in der Produktion fallen, wegen Generika. Dann liegt es ganz allein am Hersteller. Dann muss er eben mit gewissen Krankenkassen eben Extra-Verträge abschließen. So what?! als wenn Pharmaunternenehmen deswegen so schlecht dastehen...oder nur in Deutschland Verluste machen. LoL. Da haben Sie wohl nicht viel Kenntnis zwischen Abgabe+Produktionskosten (all inclusive) und dem Gewinn aus Verkauf.

    • @Wurstprofessor:

      "Dumpingpreise"? Glauben Sie ernsthaft, die deutsche Politik habe den Kapitalismus für die Pharmabranche abgeschafft, sodass diese nicht mehr kostendeckend produzieren kann?



      Und: Selbst wenn alle Generika hier das 100fache kosteten, würde die Pharmaindustrie diese trotzdem immer dort produzieren lassen, wo es am billigsten möglich ist. Das nennt man Profitmaximierung. Und das schulden die Konzernvorstände ihren Aktionären. Die investieren nämlich, um möglichst viel Geld zu verdienen, und nicht, um möglichst wenig Geld zu verdienen.

      Laut Artikel hat der Branchenverband Pro Generika übrigens selbst gesagt, dass höhere Preise keinen zusätzlichen Fiebersaft auf den Markt bringen.

      Aber in einem Punkt gebe ich Ihnen recht: 96 gesetzliche Krankenkassen braucht man nicht. Eine genügt. Es gibt ja auch nur eine Bundesagentur für Arbeit.