piwik no script img

Dionysos lebt jetzt in London Foto: Matt Dunham/ap

Raubkunst aus der AkropolisGestohlene Götter

Der Parthenon thront über Athen. Doch seit über 200 Jahren fehlt ein Fries: Ein Brite ließ ihn mitgehen. Eine Rückgabe zieht sich. Jetzt tut sich was.

D er Blick aus dem obersten Stock des Athener Akropolis-Museums ist spektakulär, nicht nur für Altertumsforscher. Vor der bodentiefen Fensterfront erhebt sich aus nächster Nähe die Akropolis von Athen. Man erkennt die Propyläen, den Eingangsbereich zum heiligen Bezirk der Stadt auf dem 60 Meter hohen Burgberg, und den oberen Bereich, der mit mehreren Tempeln bebaut ist.

Aus allem heraus erhebt sich der Parthenon, der enorme Tempel, der der Stadtgöttin Athene geweiht war. Dieser Tempel, der im Anschluss an den Sieg über die Perser ab 447 v. u. Zeit durch die Bürger von Athen erbaut wurde, ist bis heute das Wahrzeichen der Stadt.

Um den Tempel aber zog sich im oberen Drittel ein insgesamt 160 Meter langer Fries von Reliefplatten aus Marmor, der die Prozession der AthenerInnen zu den alle vier Jahre stattfindenden Panathenäen, dem großen Fest für die Stadtgöttin Athene, zeigt. Dargestellt sind stolze Bürger, viele von ihnen zu Pferd, die vom griechischen Götterpantheon empfangen werden.

Dieser Fries gehört zu den wichtigsten Kunstwerken der griechischen Antike. Im dritten Obergeschoss des Museums ist er zu Teilen im Original zu sehen, auf einem Band, das der Größe des Parthenon entspricht. Doch an vielen Stellen besteht dieses Band nicht aus den originalen Marmorreliefs, sondern aus billigen Gipsabdrücken, die gar nicht verbergen wollen, dass es sich um Kopien handelt.

Gips in Athen, das Original in London

Die fehlenden Originale, darauf werden die BesucherInnen ausdrücklich hingewiesen, befinden sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts im Britischen Museum in London. Nur 40 Originalreliefs des Frieses sind in Athen ausgestellt, 56 dagegen in der britischen Hauptstadt. Seit Jahrzehnten, ja eigentlich schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Griechen wieder einen eigenständigen Staat etablieren konnten, wollen sie diese wichtigsten Kunstwerke ihrer Geschichte aus London zurückerhalten. Genauso lange schon weigern sich britische Regierungen, diese Kleinode zurückzugeben.

Erst jetzt, mehr als 200 Jahre nachdem der damalige britische Botschafter in Konstantinopel, Lord Thomas Bruce, 7. Earl of Elgin, einen großen Teil des Frieses und weitere 17 Skulpturen vom Parthenon 1801 nach London entführt hat, ist das Britische Museum bereit, ernsthaft mit Athen über diese Kunstschätze zu reden. Vor wenigen Tagen bestätigte das Museum, das es mit Athen Verhandlungen über eine „neue Partnerschaft“ hinsichtlich der Parthenon-Marmore gebe. Britische Medien berichten, es werde über einen kulturellen Austausch in Form einer Dauerleihgabe geredet, für die Griechenland dann entsprechend andere Kunstwerke an das Britische Museum ausleihen würde.

Zeitgenössisches Gemälde mit der Einrichtung der Antiken-Abteilung des British Museum Foto: Science Photo Library/AKG

Das sei das Ergebnis von Gesprächen, die seit einem Jahr auf höchster Ebene geführt würden. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis habe sich deshalb mehrfach mit dem Chef des Britischen Museums, George Osborn, dem früheren Finanzminister unter David Cameron, getroffen.

Die 56 Friesplatten und weiteren 17 Marmor­skulpturen, darunter die berühmten Pferdeköpfe vom Wagen der Göttin Selene, die demnächst nach Athen zurückgehen könnten, sollen aber nicht restituiert, sondern nur ausgeliehen werden. Seinen Eigentumsanspruch will das Britische Museum nicht aufgeben, wohl auch aus Furcht, dies könnte weitreichende Folgen für andere unter zweifelhaften Umständen ins Britische Museum gelangte Artefakte haben. Das aber, berichten wiederum griechische Zeitungen, könne von Athen nicht akzeptiert werden. London muss den Raub anerkennen, ist die Parole der griechischen Regierung.

Der Raub der Friesplatten auf der Athener Akropolis ist sozusagen die Mutter aller Kunstraube, die die europäischen Groß­mächte im 19. Jahrhundert im Orient begangen haben

Denn der vom Museum behauptete Besitzanspruch für die sogenannten „Elgin Marbles“ ist äußerst umstritten und wird nicht nur von Athen, sondern auch von vielen Fachleuten abgelehnt. Schaut man sich die Umstände dieses „Erwerbs“ durch Lord Elgin genauer an, muss man feststellen: Der Raub der Friesplatten vom Parthenon auf der Athener Akropolis ist sozusagen die Mutter aller Kunstraube, die die europäischen Großmächte im 19. Jahrhundert im Orient begangen haben.

Der Raub von Lord Elgin im Jahr 1801 war nicht nur zeitlich der erste, er enthielt auch bereits alle Zutaten, durch die die Ausplünderung antiker Stätten im heutigen Griechenland, der Türkei, im Irak und Ägypten, um nur die wichtigsten zu nennen, im 19. Jahrhundert ermöglicht wurde. Als damaliger britischer Botschafter in Konstantinopel repräsentierte Lord Elgin das Land, mit dem das Osmanische Reich in Ägypten gemeinsam gegen Napoleon kämpfte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren sowohl Ägypten als auch Griechenland noch Teil des Osmanischen Reiches. Die Waffenbrüderschaft in Ägypten war die politische Basis, die es dem britischen Lord ermöglichte, sich selbst zum Raub der wichtigsten Kunstschätze vom damals bereits schwer beschädigten Parthenon zu ermächtigen.

Die Behauptung, Lord Elgin habe eine Erlaubnis des damaligen Sultans Selim III. gehabt, ist nachweisbar falsch

Dabei ist die Behauptung, die in London bis heute angeführt wird, Lord Elgin hätte für sein Vorgehen eine schriftliche Erlaubnis des damaligen Sultans Selim III. gehabt, nachweisbar falsch. Dieser sogenannte Ferman existiert nicht, er konnte deshalb auch nie vorgezeigt werden.

Zuletzt hat der türkische Historiker Orhan ­Sakin, ein Experte für das Osmanische Archiv in Istanbul, die gesamten dafür in Frage kommenden Bestände noch einmal durchsucht. Das einzige Dokument zu dem Vorgang ist nach seinen Angaben die Kopie einer italienischen Übersetzung eines Briefes, den der damalige Kaymakam von Athen, also der oberste osmanische Beamte der Stadt, an Lord Elgin geschrieben hat. In dem Schreiben geht es darum, dass Lord Elgin die Erlaubnis besaß, Gipsabgüsse zu erstellen, jedoch keinesfalls die 2.400 Jahre alten Kunstwerke vom Parthenon abzuschlagen und nach London zu verschiffen.

Vom Brief des Kaymakam existiert kein Original mehr und von dieser untersten bürokratischen Ebene aufwärts gibt es erst recht kein Dokument. Ein Ferman des Sultans wäre aber unbedingt dem Archiv einverleibt worden, weil diese hohen Erlasse alle sorgfältig dokumentiert ­wurden.

Raub als Rettung deklariert

Als Rechtfertigung für seinen Kunstraub führte Lord Elgin später ein weiteres Argument an, das europäische Archäologen im 19. Jahrhundert immer wieder bemühten. Er habe die Kunstschätze „retten“ wollen, sie wären in der instabilen Situa­tion des Osmanischen Reiches gefährdet gewesen. Nicht zuletzt verweigert das Britische Museum eine Restitution der Kunstwerke mit dem Argument, das Museum hätte die Exponate 1816 rechtmäßig von Lord Elgin erworben.

Bis das neue Akropolis-Museum in Athen 2009 eröffnet worden war, wurde, wie in vielen anderen Fällen auch, immer wieder angeführt, Athen habe doch gar keine Möglichkeit, die Exponate sachgerecht und für das Publikum zugänglich auszustellen. Die „Elgin Marbles“ sind damit in jeder Beziehung beispielhaft für den Kunstraub europäischer Großmächte im 19. Jahrhundert und den Kampf um die Rückgabe solcher unschätzbar wertvollen antiken Artefakte.

Erste Forderungen, auch von britischen Intellektuellen noch im 19. Jahrhundert, nachdem Griechenland sich nicht zuletzt mit Unterstützung der britischen Marine seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erkämpft hatte, die Kunstwerke nun zurückzugeben, verhallten weitgehend ungehört. Das blutige 20. Jahrhundert mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg bot zunächst auch wenig Raum und Gelegenheit, sich um antike Kunstwerke viele Gedanken zu machen, auch wenn griechische Regierungen in London immer wieder die Rückgabe der „Elgin Marbles“ an­mahnten.

Richtig Fahrt nimmt die Debatte um die Rückgabe erst auf, als die Schauspielerin Melina Mercouri im Jahr 1980 Kulturministerin in Griechenland wird und vehement auf eine Restitution drängt. Nicht nur in Athen, auch in London und anderen europäischen Städten werden Rück­gabe­komitees gegründet.

Perikles in der britischen Hauptstadt?

Kaum eine andere Rückgabeforderung ist ideengeschichtlich so gut begründet wie die Rückgabe des Frieses, der zur Frühgeschichte der Athener Demokratie gehört. Niemand anderes als Perikles, der große Führer der Demokraten in Athen, hat den Bau des Parthenon initiiert, zur Erinnerung an den Sieg der Athener Bürger über Persien. Der künstlerische Leiter des Projekts, der Bildhauer Phidias, war von den Athener Bürgern berufen worden.

Der Fries selbst ist Ausdruck des neu gewonnenen Selbstbewusstseins der Athener Bürger. Es ist selbstverständlich, dass diese Kunstwerke an den Ort ihrer Entstehung und jahrhundertelangen Wirkung gehören und nicht in die Säle eines weit entfernten Museums in einem anderen Land. Gerade für ein demokratisches Land wie Großbritannien sollte das selbstverständlich sein.

Lapithen und Kentauren: Detail aus dem Fries Foto: Funkystock/imago

Doch die „Elgin Marbles“ gehören gerade wegen ihrer historischen Relevanz und ihrer Schönheit zu den wertvollsten Exponaten, die das Britische Museum in seinen Ausstellungsräumen hat. In den 1930er Jahren wurde ein neuer Saal erbaut, in dem die Friesplatten gezeigt werden. Die Rückgabe wäre deshalb ein herber Verlust, auch wenn man dafür leihweise andere Objekte aus Athen bekäme.

Die großen europäischen Museen wie das Britische Museum, der Louvre in Paris, das Kunsthistorische Museum in Wien und das Pergamonmuseum in Berlin sind Schatzkammern, deren Besitz nach wie vor für das Prestige der Länder wichtig ist und außerdem hohe Besucherzahlen garantiert und damit zum touristischen Konzept der Städte zählt. Doch die sture Zurückweisung einer Rückerstattung von unter zweifelhaften Umständen erworbenen oder sogar gestohlenen Antiken wird zunehmend zu einem Imageproblem.

Der schwankende Boris Johnson

Deshalb haben auch britische Politiker in den letzten Jahren immer wieder geschwankt, wie sie es mit der Frage der Rückgabe der „Elgin Marbles“ halten sollen. Ein gutes Beispiel dafür ist Boris Johnson. Als er noch Journalist war, engagierte er sich mit der für ihn typischen Leidenschaft für eine Rückgabe. Kaum zum Bürgermeister von London gewählt, wollte er davon nichts mehr wissen. Als George Clooney 2014 seinen Film „Monuments Men – Ungewöhnliche Helden“ über die Rettung von Kulturgütern durch eine US-Spezialeinheit im Zweiten Weltkrieg in London vorstellte und dabei für eine Rückgabe der „Elgin Marbles“ an Athen warb, ging Johnson den Schauspieler massiv an. Clooney verfolge wohl eine „Agenda der Beutekunst wie einst Hitler“, warf er demjenigen vor, dessen Frau Amal Clooney sich in einem internationalen Juristenteam mit den Chancen einer juristischen Rückgabeforderung beschäftigte.

Als Boris Johnson dann Premier geworden war und sein in Griechenland regierender konservativer Kollege Kyriakis Mitsotakis wegen der Rückgabe des Frieses vorstellig wurde, tat der britische Regierungschef so, als habe er damit überhaupt nichts zu tun. Da müsse sich der geschätzte Kollege doch bitte an das Museum wenden, ließ er ausrichten.

Doch so langsam dreht sich der Wind. Spätestens seit der französische Präsident Emmanuel Macron sich im November 2017 in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, für die Verbrechen des Kolonialismus entschuldigt und eine Rückgabe der geraubten afrikanischen Kunst angekündigt hat, ist die Debatte um die Restitution fragwürdiger Exponate in europäischen Museen nicht mehr zu stoppen. Noch geht es überwiegend um Kunstraub im kolonialen Zusammenhang, wie die Benin-Bronzen, von denen Deutschland jüngst einen Teil an Nigeria zurückgegeben hat. Doch auch andere antike Kunstwerke, wie eben die „Elgin Marbles“ in London oder der Pergamonaltar in Berlin, geraten zunehmend in den Fokus.

Im letzten Jahr haben die Vatikanischen Museen und das Archäologische Museum von Palermo kleine Stücke vom Parthenon, die in ihrem Besitz waren, an Athen zurückgegeben. Damit erhöht sich der Druck auf London, selbst aktiv zu werden. Wie die Zusammenarbeit mit Athen am Ende aussehen wird, ist noch nicht bekannt, aber alle Meldungen deuten darauf hin, dass eine Einigung unmittelbar bevorsteht.

Was wird aus anderen antiken Fundstücken?

Eine solche Einigung wird großen Einfluss auf die Debatte um die Restitution antiker Artefakte auch in anderen Museen in Europa haben. Bei den Benin-Bronzen hat Deutschland anerkannt, dass sie rechtmäßiger Besitz des heutigen Staates Nigeria sind. Im Gegenzug hat Nigeria zugestimmt, dass ein Teil der Bronzen als Dauerleihgabe in Deutschland verbleiben kann, insbesondere im neuen Haus der Kulturen in Berlin. Ähnlich könnte es mit dem Londoner Anteil am Parthenonfries laufen.

In der Debatte wird auch immer wieder über wechselnde Ausstellungen an den jeweils beteiligten Orten gesprochen. So hat beispielsweise die Türkei am Rande der Grabungsstätte von Troja ähnlich wie Griechenland in Athen ein hochmodernes Museum erbaut – in Sichtweite des Tatorts Troja. Der vormalige deutsche Ausgräber in Troja, der 2005 verstorbene Manfred Korfmann, der als letzter Deutscher an Heinrich Schliemanns Entdeckungen im 19. Jahrhundert anknüpfte, hat nach eigenen Aussagen immer davon geträumt, dass alle Exponate, die dort seit Schliemann ausgegraben wurden, wenigstens zeitweise einmal vor Ort gezeigt werden können. In dem neuen Museum wäre genau das nun möglich.

Doch in Deutschland haben die Verantwortlichen bislang wenig Bereitschaft zu Leihgaben gezeigt. Aus Moskau, wohin der berühmte Goldschatz des Priamos am Ende des Zweiten Weltkriegs gelangte und heute ausgestellt wird, kam erst recht nichts.

Eine wie auch immer geartete Rückgabe der „Elgin Marbles“ wird wohl auch die Debatte um die „schönste Berlinerin“, die ägyptische Königin Nofretete, wieder beflügeln. Auch hier hat Kairo mit dem Bau eines neuen, hochmodernen Museums direkt an den Pyramiden von Gizeh vorgelegt. Ägypten will die Büste der Nofretete schon lange zurückerhalten. Berlin wird sich genauso wenig wie London auf Dauer einfach stur stellen können.

Während ein regelmäßiger Wechsel des Ausstellungsortes bei einer Büste wie der von Nofretete oder den eher kleinteiligen Exponaten aus Troja leicht realisierbar wäre, ist die Frage, wo denn der Pergamonaltar stehen soll, nicht so leicht zu lösen. Das monumentale Architekturstück Zeus-Altar ist schwer zu bewegen. Er steht entweder im Berliner Pergamonmuseum, das ja gerade erst für viel Geld aufwendig restauriert und für das 21. Jahrhundert fit gemacht wird, oder auf dem Burgberg in Pergamon.

In der türkischen Öffentlichkeit hat der Zeus-Altar mittlerweile denselben Stellenwert als Paradebeispiel geraubter antiker Kunst wie die „Elgin Marbels“ in Griechenland. Politiker aus der Region, so auch der Oberbürgermeister der Metropole Izmir, Tunç Soyer, haben sich der zivilgesellschaftlichen Kampagne für eine Rückgabe angeschlossen. Sollten die Griechen ihre wichtigsten antiken Artefakte demnächst zurückerhalten, wird das die Debatte in der Türkei noch einmal neu anfachen.

Die Verantwortlichen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sollten sich darauf einstellen, dass der lapidare Hinweis, beim Erwerb des Zeus-Altars im Jahre 1878 sei alles einwandfrei gelaufen, bald nicht mehr ausreichen könnte. Ganz abgesehen davon, dass eben nicht alles „einwandfrei gelaufen ist“ und die deutsche Seite damals mit Bestechung und massivem politischen Druck nachgeholfen hat, dürfte es einer grünen Kulturstaatsministerin wie Claudia Roth auf Dauer schwerfallen, einfach auf der Politik des 19. Jahrhunderts zu beharren.

Auch deutsche Ausgräber haben mehrfach erklärt, dass der Altar an seinem ursprünglichen Platz unter der Sonne der Ägäis eine ganz andere Wirkung entfalten würde als in einem dunklen Berliner Museum. Da man die Originale heute aber nicht mehr einfach im Freien aufstellen würde, könnten die Berliner Museen zumindest eine gute Kopie in Originalgröße auf dem Burgberg in Pergamon aufbauen – als eine Geste des guten Willens.

Jürgen Gottschlich, Dilek Zaptçıoğlu: „Die Schatz­jäger des Kaisers. Deutsche Archäologen auf Beutezug im Orient“. Ch. Links Verlag, Berlin 2021

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Jetzt wollen die Türken einen griechischen Altar zurückhaben? Sind die Griechen historisches Erbe der Türkei...oder wird dadurch einfach nur deutlich, dass die Türkei einen Großteil ihres heutigen Landes von anderen Völkern erobert hat?

    Wir sollten uns auf die Elgin Marbles konzentrieren. Das Britische Museum muss diese Teile zurückgeben.

  • An gestohlenem Gut kann man kein Eigentum erwerben.



    So deutsches Strafrecht.



    Gilt offensichtlich nur bis zu einer bestimmten Grösse.

  • Wenn, dann sollte wohl im Pergamonmuseum die Kopie stehen.

  • Dieser Artikel ist leider nicht genau genug, da es hier um zwei verschiedene Aspekte geht:



    Den Akt der Entnahme: dies kann man wohl kaum als Raubkunst bezeichnen, da in der Tat im 19.Jh (und zuvor) in vielen solcher Fälle, auch in Kleinasien, wertvolle Marmorkunst einfach zu Zement verbrannt wurde (siehe u.a auch Funde im vormykenischen Thera und was damit passierte). Der Text benennt diese Tatsache zwar, bezeichnet es aber als vorgeschobenes Argument, ohne nähere Begründung.

    Zweitens ist es aber wirklich ein Skandal, dass die "Elgin marbles" inzwischen nach Klärung all solcher Schutzmassnahmen, nicht zurückgegeben werden.

    • @Werner2:

      Weil "in vielen" Fällen Leute liederlich mit ihrem historisch wertvollen Besitz umgegangen sind, kann man "wohl kaum" Diebstahl (von historischem Erbe) generell für legal erklären.

      "In vielen Fällen" ist übrigens eine Floskel, die hier Ausnahmen zu einer Regel aufwerten soll. Zumal Sie das "viel" nicht quantifizieren.

      • @Sonntagssegler:

        Der Begriff "historisches Erbe" zeigt die ganze Problematik dieser unterkomplex geführten Diskussion.

        Mitnichten ist der Pergamonaltar "historisches Erbe" der Türkei, wurde das Gebiet um Pergamon doch erst im 14. Jh. von den Osmanen gewaltsam erobert. Errichtet wurde der Pergamonaltar im 2. Jh. v. Chr. von Angehörigen eines hellenistischen Herrergeschlechts, ist also Teil der antiken griechischen Kultur. Deren Nachkommen (die Hälfte der Bewohner von Izmir war ethnische Griechen) wurden in den frühen 1920er Jahren von der Türkei vertrieben.

        Dass im 19. Jh. aus dem Gebiet der damaligen Türkei so viele Antiken abtransportiert (oder auch zerstört) worden sind, hängt im übrigen damit zusammen, dass sich die Türkei seinerzeit nicht die Bohne für ihr antikes "Erbe" interessierte - dessen Erforschung war Sache der Europäer.

        Im übrigen zeigt auch die jüngste Debatte um die Benin-Bronze, dass die "Schuld"-Frage bei näherem Hinsehen doch etwas komplizierter ist. www.deutschlandfun...udy-group-100.html

        • @Schalamow:

          Ja, die unterkomplexe Diskussion um das "historische Erbe". Man kann sie natürlich komplex führen. Z. B. für Deutschland, anstatt die Türkei.



          Wenn man sich der komplexen Diskussion zuwenden würde, gäbe es lange Zeiten ohne "historisches Erbe" Deutschlands.



          Vor die Zeit, als sich der Begriff Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation im 15. Jh. etablierte, könnte man kaum zurückgehen, um vom "historischen Erbe" Deutschlands zu sprechen. Die Gründung des Deutschen Reiches oder die Wiedervereinigung Deutschlands wären weitere mögliche Zeitpunkte um vom "historischen Erbe" Deutschlands zu sprechen. Es ist komplex.



          Aber sicher ist: Die mehr als 40'000 jährigen Kunstobjekte der Schwäbischen Alb, wären zwar Unesco-Weltkulturerbe, aber mitnichten "historisches Erbe" Deutschlands. Die damaligen Menschen sind ja nicht mal unsere Vorfahren. Trier, die spätrömische Kaiserstadt, wäre mitnichten "historisches Erbe" Deutschlands, schließlich ist sie ein unverkennbares Erbe des antiken Rom. Nicht einmal der Aachener Dom wäre als ganzes ein "historisches Erbe" Deutschlands. Karl der Große war zwar Kaiser des römischen Reiches, aber mitnichten der Deutschen Nation.



          Wem gehört nun all dieses nichtdeutsche "historische Erbe" in Deutschland? Zu komplex?

          • @ecox lucius:

            @Lucius

            wie kommen Sie auf die Idee, dass die keltischen oder vorkeltischen Vorfahren nicht auch unsere Urahnen waren? Glauben Sie wirklich, mit der Besiedlung durch die Germanen wurde tabula rasa gemacht? Tatsächlich wurden viele der ehemals in SDeutschland beheimateten helvetischen Kelten nach den immensen Bevölkeringsverlusten des 30 Jährigen Krieges wieder in SDeutschland angesiedelt. Und natürlich sind Römer auch Teil unserer Vergangenheit. Ueber Ihre Definition von 'historischem Erbe" wuerde ich nochmals scharf nachdenken, gerade wenn es um die Relevanz von Karl dem Grossen geht, für Deutschland und für Europa

            In der Türkei wurde wirklich jegliches hellenistische Erbe ignoriert. Und ja, es gab z.T. wirklich Verträge bei der Ausfuhr von Altertümer mit der Regierung. Es war auch nicht nur eine Vertreibung der griechisch stämmigen Bevölkerung. Es handelt sich hier z.T. um Völkermord - lesen Sie mal selbst in Wikipedia unter Izmir "Massaker 1919 und 1922". Insofern hat Schalamov recht mit seiner Darlegung, auf hellinistisches Erbe wurde gepfiffen weil gegen die eigene Agenda

            Was griechische Altertümer angeht, so ist die Lage noch komplexer. Amerikanische Ausgräber z.B. auf Thera wurden massiv behindert, während vormykenische Reste, unter Bimsstein verschüttet, mit dem Bimssteinabbau gleichzeitig vernichtet wurden. Das Misstrauen gegen die Amerikaner war wiederum verständlich, man recherchiere das militär. Vorgehen der Amerikaner gegen linksgerichtete Bewegungen in Griechenl. nach WII. Aber es ging hier auch um Profilierungssucht einzelner griechischer Wissenschaftler. Dies nun alles unter einem Wort "Beutekunst" verurteilen zu wollen, ist in der Tat unterkomplex.



            Es bleibt der Verdacht, es geht hier eher um eine politische Agenda als wirklich darum, hier konstruktiv an der Rückfuehrung dieser damals - gesichterten- Altertümer interessiert zu sein.



            Es war schon immer sehr bequem, "auf die anderen" zu schimpfen und Feinbilder zu errichten.

      • @Sonntagssegler:

        @Sonntagssegler



        Es kann wohl kaum von "liederlich" noch von "Diebstahl" die Rede sein, was Sie da behaupten.



        Zitiere zum Pergamon-Altar selbst aus Wikipedia



        "1864/65 kam Carl Humann erstmals nach Pergamon. Der deutsche Ingenieur war mit geografischen Untersuchungen beauftragt und besuchte die Stadt in den folgenden Jahren immer wieder. Er setzte sich für den Erhalt der Altertümer auf dem Burgberg ein und versuchte, Partner für eine Ausgrabung zu finden, da er als Privatmann einem solchen Unternehmen nicht gewachsen gewesen wäre. Es fehlten finanzielle und logistische Mittel. Der schnelle Beginn der Grabungsarbeiten war auch deshalb wichtig, weil die damaligen Bewohner Bergamas, wie Pergamon nun hieß, den Altar und die anderen oberirdischen Ruinenstätten als Steinbruch nutzten, Reste der antiken Bebauung plünderten, um neue Gebäude zu errichten, und den Marmor zum Teil zu Kalk brannten."

        Ähnliche Beschreibungen finden sich in "vielen" Quellen zu "vielen" Fundorten. Und nein, ich werde das jetzt nicht quantifizieren durch ein systematisches Ausrechnen, auf wieviel von Hunderten von Fundstellen dies zutrifft. Wenn Sie nur ein Quentchen der Genauigkeit selbst an den Tag legen würden bei den Hintergründen dieser "Diebstähle", wie Sie sie selbst nun bei anderen fordern, wäre der Sache bereits sehr gedient.



        Es ist immer sehr gefährlich, wenn man in einer Sachdiskussion vor allem seine eigene moralische Warte einbringen möchte. Dies gilt so spätestens seit dem Mittelalter.

        Marmor wurde übrigens zu Kalk, nicht zu Zement verbrannt, mein Flüchtigkeitsfehler. Dass Sie nun diesen wirklichen Fehler bei mir nicht bemerkt haben, sagt viel aus über Ihr Hintergrundwissen zu diesem Thema. Außer dem Willen zum Anklagen der bösen europäischen "Räuber" aus ideologischer Warte nichts gewesen?

        Letztlich erweisen Sie der eigentlichen Sache - der Rückführung der Altertümer - einen Heidendienst, wenn Sie nicht sachlich bleiben können und damit Ihre Sache angreifbar machen.

  • Endlich ein umfassender und funderter Artikel zum Thema Kunstraub der Parthenon-Friese und weiterer Kultur-Objekte. Ich stimme dem Autor voll und ganz zu. Danke, daür spende ich jetzt der TAZ.

    • @OndaOnda:

      „umfassender und fundierter Artikel“ – von wegen. So ist zum Beispiel jenes Dokument, auf welches sich Elgin berief nicht von einem athenischen Beamten ausgestellt worden – sondern vom damaligem Kaymakam Pasha, dem Stellvertreter des Großwesirs.

      www.parthenon.newmentor.net/illegal.htm

      Das ist zwar wirklich kein Ferman im eigentlichen Sinne (d.h. eine Verordnung des Sultans mit Tughra), wird aber in der Übersetzung so bezeichnet. Jemand, der mit Unterschieden zwischen ottomanischen Ferman, Buyuruldu und Mekhtub nicht vertraut ist, wird sich darüber aber nicht im Klaren sein, und kann dann irgendein amtliches Dokument irrtümlich als Ferman bezeichnen. Natürlich sucht man dann ein solches Dokument im Archiv der Fermane des Sultans dann vergeblich. Elgin war ein englischer Aristokrat, fundierte Kenntnisse über ottomanische Bürokratie wird er kaum gehabt haben. Er bekam vom Stellvertreter des Regierungschefs ein Schreiben ausgestellt mit Unterschrift und Siegel, und das genügte ihm, und den Amtsträgern vor Ort offenbar auch.



      Dass dabei an die Amtsträger Geld gezahlt wurde ist bei den damaligen Verhältnissen nicht verwunderlich. Ich habe schon Reiseberichte aus dieser Zeit gelesen, aus denen hervorgeht, dass im osmanischem Herrschaftsgebiet es zum guten Ton gehörte Beamte zu beschenken.



      Ich habe noch nichts davon gehört, dass irgendeine türkische Regierung von damals oder deren unmittelbare Nachfolger in den folgenden Jahrzehnten an den Vorgängen um Elgin oder den Pergamonaltar etwas beanstandet hätten – aus meiner Sicht ein gewichtiges Indiz, dass es nach damaligem Verständnis legal ablief – im Gegensatz zur Ausfuhr des Schatz des Priamos durch Heinrich Schliemann: die türkische Regierung verklagte ihn und meines Wissens wurde er von einem griechischen Gericht zu einer Zahlung von 10.000 Goldfranken verdonnert. Er zahlte in einem Vergleich letztlich 50.000 um den Großteil des Schatzes legal sein Eigen nennen zu können.