piwik no script img

Europäische Söldner im KongoKongos geheime weiße Armee

Erst suchte die Demokratische Republik Kongo Russlands Hilfe gegen die M23-Rebellen. Nun stehen in Goma Söldner aus Rumänien. Eine taz-Recherche.

Weiße in Kampfmontur unterwegs in Goma Foto: Kinshasa Times

Kampala taz | Die Leiche eines weißen Mannes in Flecktarnuniform liegt im Dreck am Straßenrand. „Das passiert den Russen von Wagner“, so der Kommentar unter dem Foto aus der Demokratischen Republik Kongo, das auf Twitter die Runde macht. Gemeint ist damit die private Söldnerfirma Wagner, die im Auftrag Russlands nicht nur in der Ukraine für grausame Menschenrechtsverbrechen an Zivilisten verantwortlich gemacht wird, sondern auch in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik.

Sind die Russen etwa auch im Kongo aktiv, um der maroden Armee gegen die Rebellengruppe M23 (Bewegung des 23. März) zu helfen? Westliche Diplomaten zeigen sich gegenüber der taz zutiefst besorgt. Dabei hatte noch im Oktober Kongos Präsident Félix Tshisekedi das im Interview mit der Financial Times ausgeschlossen. „Ich weiß, dass es jetzt in Mode ist“, hatte er gesagt. „Nein, wir müssen keine Söldner einsetzen.“

Auf Anfrage der taz bestätigt die M23-Führung, dass der getötete Weiße im Kampf gefallen sei, am 30. Dezember im Dorf Karenga – direkt an der Frontlinie nördlich der Millionenstadt Goma. Ein M23-Kämpfer habe das Foto gemacht. Er habe keinerlei Flagge oder gar ein Wagner-Abzeichen auf der Uniform getragen, seine Nationalität sei „schwer zu sagen“. Ein M23-Kommandeur behauptet, weitere vier weiße Söldner seien gefallen. Beweise liefert er nicht.

Recherchen der taz bestätigen: Das Hotel Mbiza im Stadtzentrum von Goma, unweit des Flughafens und nur wenige Straßenecken von der Grenze zu Ruanda entfernt, ist voll von Weißen mit Waffen. „Es sind Dutzende, vielleicht sogar hundert weiße Männer in Uniform“, berichtet ein lokaler Journalist, der im Auftrag der taz das Hotel aufgesucht hat und dessen Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden kann. „Sie tragen verschiedene Uniformen ohne Landesflagge und Pistolen am Gürtel.“ Die meisten sprächen fließend Französisch.

Recherchefonds Ausland e.V.

Dieser Artikel wurde möglich durch die finanzielle Unterstützung des Recherchefonds Ausland e.V. Sie können den Recherchefonds durch eine Spende oder Mitgliedschaft fördern.

➡ Erfahren Sie hier mehr dazu

Der Eingangsbereich wird streng bewacht von Soldaten der kongolesischen Präsidentengarde. Sie bestätigen: Das ganze Hotel sei für einen längeren Zeitraum von Ausländern angemietet worden. „Es ist jetzt das Hauptquartier der Weißen“, erklärt ein Soldat am Eingang, mehr Auskunft will er nicht geben.

Bei einem kurzen Blick in den Konferenzraum des Hotels sieht man dort Kongos Flagge aufgestellt, kongolesische Offiziere der Spezialeinheiten gehen ein und aus. Fotos, die die taz erhalten hat, zeigen muskelbepackte Schwergewichte mit kurz geschorenen Haaren und verspiegelter Sonnenbrille, die im verdunkelten Auto durch Goma fahren – mit bewaffneten kongolesischen Soldaten als Begleitschutz.

Aus der Fremdenlegion über Bangui nach Goma

Die Kongolesen in Goma bezeichnen die Söldner als „Russen“, mit der Anspielung auf die in Afrika berüchtigten Wagner-Truppen. Doch ob es sich nun um Russen oder andere Osteuropäer handele, „das können die meisten Kongolesen tatsächlich nicht auseinanderhalten“, so der lokale Journalist.

Ein Angestellter von Kongos Immigrationsbehörde am Flughafen in Goma versichert der taz: Er habe beim Eintreffen der weißen Militärs am 22. Dezember mit einer Boeing 737, die von der rumänischen Fluggesellschaft Hello Jets gechartert worden war, Pässe aus Rumänien abgestempelt. Und ein weiteres Foto, das am 2. Januar online gestellt wurde, gibt konkretere Hinweise. Ein weißer, schon etwas älterer Mann mit kurz geschorenen Haaren, in ziviler Kleidung aber mit einem AK-47-Sturmgewehr in den Händen steht zwischen zwei kongolesischen Soldaten auf einer Straße nördlich von Goma. Bei diesem Mann handelt es sich um einen gestandenen Söldner aus Rumänien: Horatiu Potra.

Geboren 1970 in der rumänischen Stadt Medias in Transsilvanien, ging Potra in den 1990er Jahren zur französischen Fremdenlegion. Ende der 1990er wurde er der persönliche Chefleibwächter des Emirs von Katar. Seit der Jahrtausendwende trieb er sich meist in Afrika herum: Er trainierte in der Zentralafrikanischen Republik Leibwächter des damaligen Präsidenten Ange-Félix Patassé und brachte Aufständischen im Tschad das Kämpfen bei.

Unter seinem Kriegsnamen „Leutnant Henry“ hatte er es von 2002 an auch mit dem kongolesischen Rebellenführer Jean-Pierre Bemba zu tun, der damals mit seiner Rebellenorganisation MLC (Bewegung zur Befreiung des Kongo) Patassé in der Zentralafrikanischen Republik unter die Arme griff. 2016 soll Horatiu Potra im Auftrag Moskaus in der Zentralafrikanischen Republik die Leibwächter des aktuellen Präsidenten Faustin Touadéra ausgebildet haben.

Ob Potra einer der sogenannten Instrukteure auf der Gehaltsliste der russischen Söldnerfirma Wagner war, lässt sich bislang nicht bestätigen – die taz hat zahlreiche internationale Wagner-Experten sowie die UN-Expertengruppe zur Überwachung der Demokratischen Republik Kongo danach gefragt. Potra ist Geschäftsführer der rumänischen Söldnerfirma Associata RALF mit Sitz in Sibiu in Transsilvanien, die auf ihrer Internetseite angibt, sie trainiere Leibwächter für VIPs, beschütze „sensible Gebiete“ wie Minen in Afrika und bilde Spezialeinheiten aus. Sie verweist dabei ausdrücklich auf ihren Kodex, der der französischen Fremdenlegion entnommen ist. Auf taz-Anfragen antworten die Firma und Geschäftsführer Potra nicht.

Modernes Kriegsgerät aus Moskau

Kongos Regierung hat im vergangenen Jahr die Beziehungen zu Russland intensiviert. Im August war Kongos Verteidigungsminister Gilbert Kabanda in Moskau zu einer Sicherheitskonferenz eingeladen und lobte in seiner Rede die „Unterstützung“ Russlands im Kampf gegen die Rebellen im Ostkongo. Russland wiederum sagte Kongos maroder Armee modernes Kriegsgerät zu: Panzer, Hubschrauber und Kampfflugzeuge.

So etwas war bislang gar nicht so einfach. Das 2003 im Rahmen des Friedensvertrages für Kongo verhängte Waffenembargo gegen Kongo wurde zwar 2008 teilweise aufgehoben, doch weiterhin musste der UN-Sicherheitsrat informiert werden, wenn Kongos Armee oder Polizei von außerhalb des Landes Ausrüstung oder Ausbildung erhalten sollte.

Diese Auflagen wurden erst im Dezember 2022 abgeschafft, vor allem dank Russland im UN-Sicherheitsrat. Die Resolution zur Beendigung der Pflicht zur „Notifizierung“ verabschiedete der UN-Sicherheitsrat am 20. Dezember. Zwei Tage später trafen die weißen Söldner mit rumänischen Pässen in Goma ein.

Kongos Luftwaffe besteht hauptsächlich aus russischen Beständen, darunter vier russische Mi-8 Kampfhubschrauber und acht Mi-24 Kampfhubschrauber. Einer der beiden Transport-Hubschrauber Mi-26 ist letztes Jahr im Einsatz abgestürzt. Das übrige Gerät, das derzeit im Kampf gegen die M23 ständig gebraucht wird, muss dringend gewartet werden, um weitere Unfälle zu vermeiden. Doch Russland braucht derzeit im Krieg gegen die Ukraine sein Material selbst – das Angebot auf dem Weltmarkt ist dementsprechend gering und noch dazu sehr teuer.

In den vergangenen Monaten hat der russische Botschafter, Wiktor Tokmakow, immer wieder Vertreter des kongolesischen Sicherheitsrates sowie Mitglieder des Senatsausschusses für Sicherheit in Kinshasa getroffen. Tokmakow war von 2015 bis 2021 Botschafter in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, wo Russen von Wagner und des Militärgeheimdienstes GRU die Armee ausbilden und ausrüsten und im Gegenzug Firmen im Wagner-Umfeld Bergbaurechte erhalten haben.

Hat Russland auf einen ähnlichen Deal im Kongo gehofft? Armee und Regierung äußern sich dazu nicht. Aus Kreisen von Kongos Spezialeinheiten in Goma heißt es gegenüber der taz: Die Russen hätten zu hohe Preise verlangt. Man wandte sich anderen Partnern aus Osteuropas zu.

Bulgarische Techniker für die Luftwaffe

Als Kongos Verteidigungsminister Gilbert Kabanda im Mai auf dem Flugfeld der Luftwaffe in der Hauptstadt Kinshasa eine Flugdemonstration abnahm, standen auf dem Rollfeld Osteuropäer in Uniformen mit dem Abzeichen der privaten Firma „Agemira“. Kabanda lobte: Die hätten in nur 57 Tagen die alten russischen Kampfhubschrauber wieder flottbekommen.

UN-Ermittler im Kongo bestätigen der taz: Die bulgarische Firma Agemira mit Hauptsitz in Sofia hat eine Tochterfirma in Kinshasa gegründet, die für Kongos Armee Hubschrauber und Kampfjets wartet. Am Flughafen von Goma habe Agemira rund 40 Ingenieure und Flugtechniker stationiert, um dort Reparaturen durchzuführen. Diese Techniker sind nicht nur Bulgaren, unter ihnen sind auch Georgier und Weißrussen, die sich mit russischen Maschinen auskennen. Kongos Luftwaffe beschäftigt georgische Piloten.

All diese Männer aus ehemaligen Sowjetländern sind nun offensichtlich mit den Rumänen im Hotel Mbiza einquartiert. Nach einem Bericht des französischen Fachbriefes Africa Intelligence ist Potras Auftraggeber offiziell nicht Kongos Verteidigungsministerium, sondern die Firma Congo Protection, die dem Geschäftsmann Bijou Eliya und dem Parlaments­abgeordneten Patrick Bologna gehört; Bologna ist Gründer und Präsident der Kleinpartei ACO (Avenir du Congo) des kongolesischen Premierministers Sama Lukonde.

Jetzt bewachen die rumänischen Söldner den Flughafen von Goma, auf dem die Techniker der bulgarischen Agemira die Fluggeräte fit machen. Kongos Armee will ausschließen, dass das strategisch wichtige Rollfeld, das erst vor wenigen Jahren mit Geld aus Deutschland instandgesetzt wurde, in die Hände der M23-Rebellen fällt – wie beim letzten Krieg 2012. Damals hatten die M23-Kämpfer die Armeedepots am Flughafen geplündert – darin lagerten auch Mittelstreckenraketen, die Kongos Armee frisch aus Russland eingekauft hatte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Hochaktuell, gleichzeitig immer mit Rückbezügen, die die Entwicklung aufzeigen, Prall mit Daten gefüllt, Regionalbezüge, gleichzeitig flüssig wie ein guter Roman.



    Simone Schlindwein befördert die Afrikaberichterstattung der TAZ in die Königsklasse

  • Danke für die großartige Recherche aus einer Region, über die völlig zu unrecht sonst nur wenig berichtet wird!