Papst Franziskus in Kongo: Der Papst der klaren Worte

Bei seinem Besuch in Kinshasa übt Papst Franziskus scharfe Kritik an den Zuständen – und spendet den Menschen Trost.

Das Papamobil auf einer von Menschenmengen gesäumten Straße

Heilsbringer: Der Papst auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt von Kinshasa Foto: Vatican/epa

BERLIN taz | Viele hatten die ganze Nacht im Freien gewartet, Gesänge und Tänze in Vorfreude zogen sich über Stunden hin. Eine Million Menschen, manche Berichte nannten bis zu zwei Millionen, strömten am Mittwoch auf dem Innenstadtflughafen Ndolo in Kongos Hauptstadt Kinshasa zur öffentlichen Messe von Papst Franziskus zusammen. Die meisten dürften von ihm kaum etwas zu Gesicht bekommen haben, aber seine Predigt, in der das Oberhaupt der katholischen Kirche den „Frieden“ beschwor, hörten sie alle.

„Friede sei mit euch“, diesen Bibelspruch stellte der Papst in den Mittelpunkt und stellte klar: „Das ist mehr als eine Begrüßung.“ Denn der Frieden sei erst gekommen, nachdem Jesus „unsere Einsamkeit, unsere Verlassenheit, unsere Hölle erlitt und die Entfernung überwand, die uns vom Leben und von der Hoffnung trennt“.

Mit solchen Worten drückt Papst Franziskus einfach und klar die Lebenswirklichkeit der 100 Millionen Kongolesinnen und Kongolesen aus und gibt ihnen das Gefühl, ihr Elend besser zu verstehen als jeder Politiker. Und als „Quellen des Friedens“ benannte er drei Tugenden, die im Kongo selten sind – Vergebung, Gemeinschaft und Mission, also das Streben, „den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen und die Verschwörungen des Hasses niederzureißen“ – ein durchaus politisches Programm.

Nach seiner Ankunft in Kinshasa am Dienstag, wo er um genau 15.57 Uhr auf dem internationalen Flughafen Ndjili kongolesischen Boden betrat und dann in seinem „Papamobil“ auf dem von Tausenden Zuschauern gesäumten Boulevard Lumumba ins Regierungsviertel fuhr, hatte der Papst in Anwesenheit von Kongos Präsident Félix Tshisekedi, vielen hohen Politikern und dem versammelten diplomatischen Corps eine sehr politische Rede gehalten.

Papst Franziskus

„Hände weg vom Kongo! Hände weg von Afrika! Hört auf, Afrika zu knebeln!“

Er verglich Kongo mit einem „Diamanten der Schöpfung“ und baute auf diesem Bild auf: Diamanten seien unvergänglich, sie bräuchten Schliff, aber dann strahlten sie; Kongos kostbarste Diamanten seien seine Kinder, denen das Land Bildung geben und Entfaltung ermöglichen müsse. Sein Appell an die Kongolesinnen und Kongolesen insgesamt lautete: „Hab Mut! Steh auf, nimm in deine Hände das, was du bist, wie einen sehr reinen Diamanten: deine Würde, deine Berufung zur Wahrung deines Hauses in Harmonie und Frieden.“

„Möge Afrika Gestalter seines Schicksals sein“

Kongo sei reich an Rohstoffen wie eben Diamanten, analysierte der Papst weiter, werde aber durch „Wirtschaftskolonialismus“ ausgeplündert. „Es ist ein Drama, vor dem die wirtschaftlich fortgeschrittenere Welt oft Augen, Ohren und Mund verschließt. Aber dieses Land und dieser Kontinent verdienen Respekt und Gehör. Sie verdienen Raum und Aufmerksamkeit. Hände weg von der Demokratischen Republik Kongo! Hände weg von Afrika! Hört auf, Afrika zu knebeln! Es ist keine Mine, die man ausbeutet, und kein Land, das man raubt. Möge Afrika Gestalter seines Schicksals sein!“

Der Ruf „Hände weg vom Kongo“ prangte am Mittwoch auf den Schlagzeilen der Tagespresse in Kinshasa. Die päpstlichen Appelle gegen Tribalismus und Hass fanden weniger Echo im Kontext der sich weiter verschärfenden Kämpfe im Osten des Landes zwischen Regierungstruppen und der Rebellion M23 (Bewegung des 23. März), hinter der nach Kongos Überzeugung das Nachbarland Ruanda und dessen Gier nach Kongos Rohstoffen steckt. Unverkennbar ist aber die große Bedeutung, die im Kongo jedem einzelnen Wort des Papstes zugeschrieben wird.

„In einem Land, wo mangels realer Antworten auf die Probleme der Bevölkerung der Glaube an Wunder tief verankert ist, glaubt man, dass Papstworte das alltägliche Elend des Volkes verändern“, analysiert gegenüber der taz Onesphore Sematumba, Analyst der International Crisis Group im ostkongolesischen Goma. „Sie sollen im Osten Frieden und ansonsten Brot bringen. Und glaubwürdige Wahlen.“

Auch letzteres vergaß der Papst nicht in seiner Ansprache. Ebenso wenig der Erzbischof von Kinshasa, Kardinal Fridolin Ambongo, der sein Grußwort an den Papst bei der Messe in Ndolo für den Ruf nutzte: „Wir hoffen in diesem Land auf freie, transparente, inklusive und friedliche Wahlen.“ Riesiger Applaus brandete aus der gigantischen Menschenmenge auf. Zu den Zuhörern gehörten nicht nur Präsident Tshisekedi, sondern auch seine voraussichtlich wichtigsten Gegner bei den kommenden Wahlen Ende des Jahres. Expräsident Joseph Kabila fehlte.

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