Wachwechsel in Mali: Frankreich geht, Russland kommt

Die letzten französischen Soldaten haben Mali verlassen. Deutsche UN-Soldaten in Gao wollen jetzt bereits Russen erspäht haben

Ein Französischer Soldat schultert einen Rucksack

Französische Soldaten in Gao, beim Beginn ihres Abzugs 2021 Foto: Jerome Delay/ap

COTONOU taz | Zum Schluss wirkte es wie eine Erleichterung. Fast zeitgleich zum zweiten Jahrestag des Militärputsches von 2020 verließen am Montag die letzten Sol­da­t*in­nen der französischen Antiterrormission Barkhane Mali. „Die letzte Barkhane-Einheit auf malischem Boden hat um 13 Uhr die Grenze von Mali nach Niger überschritten“, gab der fran­zösische Generalstab bekannt.

Es handelte sich um Soldaten in Gao, wo die Franzosen den Flughafen sicherten, auf dem auch der Großteil des deutschen UN-Kontingents in Mali stationiert ist. Neuer Standort für Barkhane ist nun Niger, wo anders als in Mali und Burkina Faso mit ­Mohamed Bazoum ein ge­wählter Präsident an der Spitze steht.

Die Bilanz des neun Jahre währenden französischen Einsatzes in Mali ist miserabel: 59 Angehörige der Mission starben, während sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert hat. 2012, als der Einsatz unter dem Namen „Serval“ begann, ging es um die Rückeroberung des Nordens von Mali von bewaffneten Islamisten; heute beherrscht Gewalt auch das Zentrum von Mali sowie die Nachbarländer Burkina Faso und Niger.

„Frankreich war einst Malis bevorzugter Partner“, sagt in Bamako der Soziologe Yacouba Dogoni im Gespräch mit der taz. „Da er aber das Ziel nicht erreicht hat, hat man nach anderen Lösungen gesucht.“ Für Malis Militärs, die 2020 die Macht ergriffen, lautet die andere Lösung: Russland. Vor knapp einem Jahr wurden die ersten Gespräche über eine Kooperation mit der russischen Sicherheitsfirma Wagner bekannt. Russland sei „Malis neuer Gendarm“, so Dogoni.

Alte Verbindungen zu Moskau

Die Verbindungen zwischen Bamako und Moskau sind alt. In den 1960er Jahren belieferte die damalige Sowjetunion die malischen Streitkräfte mit Ausrüstung. Viele malische Offiziere wurden in der Sowjetunion und später in Russland ausgebildet, auch manche der jetzt herrschenden Putschisten. Für sie gilt Russland als fairer Partner, während sie Frankreich vorwerfen, islamistische Terrorgruppen mit Waffen und Munition versorgt zu haben. Deswegen beantragte Malis Außenminister Abdoulaye Diop am Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats.

Gerade rund um Gao galt Barkhane allerdings als Puffer gegen bewaffnete Gruppen. „Es gibt eine große Beunruhigung in der Bevölkerung“, sagt gegenüber der taz Issa Boncana, Präsident des „Jugendrates“, einer zivilgesellschaftlichen Gruppe in Gao. Barkhane habe sich nicht nur um Sicherheitsfragen gekümmert. „Sie haben Jugendlichen Jobs geboten und die Menschen vor Ort begleitet.“

Neue Angriffe der bewaffneten Islamisten mehren sich bereits. JNIM (Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime) soll am Wochenende vier Wagner-Söldner getötet haben. Eine Woche zuvor tötete der ISGS („Islamischer Staat in der Großen Sahara“) im Militärcamp Tessit 42 Soldaten. Vor vier Wochen sorgte eine Reihe von Angriffen nahe der Hauptstadt Bamako für Aufsehen.

Eine negative Bilanz fällte am Montag Alioune Tine, unabhängiger UN-Menschenrechtsexperte für Mali, in seinem neuen Bericht nach einer Reise durch das Land. Er konstatiert eine „rapide, kontinuierliche und allgemeine Verschlechterung der Sicherheitslage in Mali“. 1.304 Menschenrechtsverletzungen wurden in der ersten Jahreshälfte registriert, etwa doppelt wie in den sechs Monaten zuvor. Verantwortlich dafür seien Terrorgruppen, russische Soldaten und die malische Armee.

„Ich habe Opfer mit sichtbaren Spuren fürchterlicher Folter gesehen, die sie durch malische Sicherheitskräfte erlitten haben sollen“, schreibt Tine. Als Beispiel beschreibt er, dass Opfer sich „nackt auf in der Sonne erhitztes Blech legen mussten“, mit der Folge „fürchterlicher Verbrennungen“.

Um Wagner ranken sich viele Spekulationen. Es ist unklar, wie viele Russen tatsächlich im Land sind. Am Dienstag wurde berichtet, dass deutsche und britische UN-Sol­da­t*in­nen in Gao bereits die Landung mutmaßlich russischer Kräfte beobachtet haben wollen. „Nahezu sicher“ sei man sich dessen, heißt es unter Berufung auf einen Bericht des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr.

Das Bundesverteidigungsministerium hat nach Angaben einer Sprecherin „Kenntnis“ davon, dass am Montag auf dem Flughafen Gao ein Flugzeug im Einsatz war, das möglicherweise von Russland an Mali übergeben wurde. „Uns erreichen Informationen, dass circa 20 bis 30 Personen, die nicht den malischen Streitkräften zuzuordnen waren, bei Be- und Entladetätigkeiten an diesem Flugzeug in einem Hangar gesichtet wurden“, sagte sie. Diese Meldungen würden nun „intensiv geprüft“. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sprach am Mittwoch in Berlin von einer „mutmaßlichen Präsenz russischer uniformierter Kräfte“ in Gao. Das eine Entwicklung, „die das Missionsumfeld verändert“.

Issa Boncana in Gao sagt dazu: „Davon weiß ich nichts.“ In Bamako betont Soziologe Dogoni: „Die Bevölkerung fordert verstärkt eine bessere Grundversorgung ein.“ Der in vielen Regionen abwesende Staat müsse wieder Präsenz zeigen. „Das schafft Sicherheit.“

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