Nachruf auf Wolf Erlbruch: Der die Kinder ernst nahm

„Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ ist ein Kinderbuch-Klassiker. Nun ist dessen Erschaffer Wolf Erlbruch gestorben.

Illustration eines kleinen Maulwurfs

Wer war das? Erlbruchs „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ Foto: Peter Hammer Verlag

Zu den tiefen Erfahrungen, die dieses Leben bereithält, kann es gehören, einem Kind zum ersten Mal „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ vorzulesen. Klar, die Geschichte triggert erst einmal entwicklungsphasengerecht den Pipi­kackahumor. Aber da ist noch viel mehr. „Hast Du mir auf den Kopf gemacht?“, fragt der Maulwurf die Taube. „Ich? Nein, wieso? – Ich mach so“, sagt die Taube, und der Maulwurf ist überrascht, als ein „weißer, feuchter Klecks“ ihm das Beim sprenkelt. So geht es weiter. Von den „fünf großen, dicken Pferdeäpfeln“ ist der Maulwurf tief beeindruckt. Vor den „fünfzehn runden Böhnchen“ des Hasen rettet er sich mit „gewagtem Sprung“. Die „malzbonbonfarbenen Knöllchen“ der Ziege gefallen ihm schon fast. Beim „weichen, braunen Häufchen“ des Schweins hält er sich die Nase zu. Und ein entschlossenes Lächeln zeigt sich, nachdem die Fliegen ihm gesagt haben, dass es Hans-Heinerich, der Metzgershund, war, der ihm auf den Kopf gemacht hat. Mit einer kleinen Rache endet das Buch.

Man müsse Kinder ernst nehmen, hat Wolf Erlbruch einmal gesagt. Dass er selbst das getan hat, sieht man an jedem Detail. Man schaue sich nur einmal die Augen der Tiere an, in ihnen steckt die Vielfalt der Natur, und das Gesicht des Maulwurfs spiegelt eine ganze Palette von Gefühlsregungen, von der Empörung über Neugier bis zum Triumph. Wolf Erlbruch war erst Werbegrafiker, dann Illustratorenklassiker und Wegbereiter. Er unterrichtete als Professor, und er illus­trier­te unter anderem Gioconda Belli und Goethe, Mirjam Pressler und Karl Philipp Moritz.

Portrait von Wolf Erlbruch

Zugewandter Mann mit leiser Stimme: Wolf Erlbruch (hier 2017 in Wuppertal) Foto: Francoise Saur/Peter Hammer Verlag/dpa

Neben dem Maulwurf schuf er ein zweites Buch, das – zusammen etwa mit „Wo die wilden Kerle wohnen“ und der „Kleinen Raupe Nimmersatt“ – zum Weltkulturerbe der Kinderliteratur und unauslotbaren Kanon der menschlichen Fantasie überhaupt zählt: „Ente, Tod und Tulpe“. Eine tröstliche Freundschaftsgeschichte mit dem Tod, der zum Leben dazugehört, eine Meditation über die „seltsamen Gedanken“, auf die man kommen kann, wenn man an ihn denkt, und zugleich eigenwillig, schlicht, konkret und überzeugend bis zum letzten Strich.

Wolf Erlbruch soll ein großer, zugewandter Mann mit leiser Stimme gewesen sein. Er soll als Professor gern unterrichtet haben. In seinem Arbeitszimmer soll es noch haufenweise Mappen mit Skizzen geben. An den 32 Seiten von „Ente, Tod und Tulpe“ soll er zehn Jahre lang gefeilt haben. Man kann es sich nicht anders vorstellen, als dass Wolf Erlbruch, der am 11. Dezember im Alter von 74 Jahren starb, einer gewesen ist, der wusste, was wirklich wichtig ist im Leben. Auf jeden Fall konnte er es mit einigen Zeichenstiften in der Hand ausdrücken.

Anmerkung der Redaktion: In früheren Versionen des Teasers war von „Die kleine Raupe Nimmersatt“ bzw. „Der kleine Maulwurf“ die Rede. Beide Kinderbücher stammen jedoch nicht von Erlbruch; „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“, ist der korrekte Name (wie es auch im Text steht).

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