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Berliner MärchentageGeschichten von Leben und Tod

Viele Eltern lesen ihren Kindern keine Märchen mehr vor, weil sie sie gewaltverherrlichend und frauenfeindlich finden. Sie kennen die Märchen schlecht.

Bild vom Tod in einer Marburger Ausstellung über das Landleben in Hessen zur Zeit der Brüder Grimm Foto: dpa

Wenn das Gespräch mit Eltern mal ins Stocken gerät, dann ist es eine gute Idee, das Thema Märchen anzuschneiden, um die Runde wieder auf Trab zu bringen. Denn bei der Frage, ob Kinder Märchen vorgelesen bekommen sollen, scheiden sich die Geister.

Die einen meinen, Märchen seien gewaltverherrlichend und frauenfeindlich (von wegen böse Stiefmutter und so). Andere halten es nach wie vor mit dem US-amerikanischen Kinderpsychologen Bruno Bettelheim, der schon in den Siebzigern der Meinung war, dass Kinder Märchen brauchen. Nach Bettelheim helfen Märchen Kindern, innere Konflikte in der Fantasie auszuleben und zu lösen. Und zwar in aller Härte.

Für diese Sichtweise kämpfen ab Donnerstag zum 33. Mal die Berliner Märchentage, das mit 800 Veranstaltungen an 350 Orten größte Märchenfestival der Welt. In diesem Jahr, wo mit „Geschichten von Leben und Tod“ eins der härtesten Märchenthemen das Motto ist, wird der Kampf besonders hart. Doch wie in den Vorjahren, als es „nur“ um Lust und Leid, Geschichten von oben und unten und um Grenzüberschreitungen ging, ist jetzt schon klar: Anders als viele vermuten mögen, gibt es jede Menge Märchen weltweit, in denen der Tod nicht nur einfach bedrohlich erscheint. Es gibt auch interessantere Märchen als Rotkäppchen oder Schneewittchen, wo die Hauptfigur dem Tod in letzter Sekunde von der Schippe springt.

Manchmal wird der Tod im Märchen als schillernd, manchmal als sympathisch hilfsbereit oder gar als tollpatschig beschrieben. Lustigstes Beispiel hierfür ist das französische Märchen vom „Tod im Pflaumenbaum“. Es handelt von einer guten Frau, die allen hilft, auch einem Heiligen, der ihr daraufhin einen Wunsch gewährt. Sie wünscht sich, dass sie jeden, der auf ihren Pflaumenbaum klettert, so lang dort festhalten kann, wie sie mag.

Der Tod ist nett

Was dann passiert, ist klar. Der Tod will sie holen, sie wünscht sich Pflaumen als letzte Mahlzeit, er kommt nicht mehr runter. Dann geht es erstaunlich weiter: Die Ärzte verzweifeln, weil selbst die „elendsten Geschöpfe“ nicht mehr sterben können. Der Tod muss versprechen, die Frau zu verschonen, und darf wieder runter.

Doch auch andere Märchen sind fürs Berliner Publikum gut gewählt, ist die Stadt doch in Sachen Kinderarmut Spitzenreiter, kommen hier doch viele Menschen aus Kriegsgebieten an, machen hier doch Kinder regelmäßig beim Klimastreik mit. Zum Beispiel das afrikanische Märchen „Die kleine Blume“, wo eine einzige Blume die große Trockenheit überlebt.

Oder das moderne Märchen „Ente, Tod und Tulpe“ von Wolf Erlbruch. Da kommt ein sehr netter Tod zur Ente. Als er mit ihr in den Teich geht, wärmt die Ente den Tod sogar.

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1 Kommentar

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  • Mit ein bisschen Erzähltalent kann man Märchen ja an aktuelle Befindlichkeiten auch anpassen. Das ist es eben mal keine böse Stiefmutter, sondern ein böser Stiefvater, der seine garstigen Söhne aus erster Ehe mitbringt (mittelalterliches Patchwork, offenbar damals schon ein Konfliktthema), und Aschenputtel ein Junge, der die Prinzessin heiraten will. Die Hexe im Wald kann auch ein Hexer sein, der Wolf, der die Geißlein fressen will, könnte eine Wölfin sein - und nebenbei könnte man den Kindern erklären, dass auch Wolfskinder essen müssen (und warum man dem eigenen Hund noch Fleisch gibt, obwohl die Familie ansonsten vielleicht keines mehr isst).



    Die Gebrüder Grimm mögen einerseits mit ihrer Märchensammlung viel geleistet haben, was das Bewahren alter Geschichten betrifft, aber andererseits haben sie damit vieles zementiert, was zuvor vielleicht etwas flexibler war. Gedruckte Texte ändern sich eher selten, aber mündlich weitergegebene Geschichten werden jedes Mal aufs Neue erzeugt und ausgeschmückt. Märchen-Recycling!