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Studie über MigrationNicht alle sind willkommen

Geflüchtete genießen in Europa nicht überall den gleichen Rückhalt, zeigt eine Studie. Auch bei der Ukraine-Unterstützung gibt es Meinungsunterschiede.

Feldbetten für ukrainische Flüchtlinge in Hamburg im Sommer 2022 Foto: Julian Weber/dpa

Berlin taz | Der Krieg in der Ukraine hat die europäischen Länder in den vergangenen Monaten zusammengeschweißt. Laut einer aktuellen Studie der TU Dresden und der Stiftung Mercator schwindet jedoch der Rückhalt für die Ukraine in der öffentlichen Meinung der EU-Bevölkerung.

Wie die Au­to­r:in­nen der Midem-Jahresstudie am Montag in Berlin mitteilten, befürworte nur mehr eine knappe Mehrheit die Unterstützung der Ukraine. Grund dafür seien die negativen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges. Die Gefahr bestehe durchaus, dass die gesellschaftliche Stimmung über den Winter noch kippe.

Die Studie zeigt auf, dass Deutschland beim Thema Umgang mit der Ukraine gespalten ist. In Westdeutschland plädieren bislang 42 Prozent der Befragten dafür, an der Unterstützung der Ukraine festzuhalten, trotz wirtschaftlicher und sozialer Folgen. Im Osten Deutschlands sind es nur 28 Prozent. Auch in der Frage nach den Ursachen des Krieges unterscheiden sich die Wahrnehmungen zwischen Ost und West. Während im Osten mehr als ein Drittel der Befragten eine Teilschuld bei der Nato sieht, liegt der Prozentsatz in Westdeutschland diesbezüglich lediglich bei 22 Prozent.

Die Studie zeigt außerdem, dass der Wunsch nach Kontrolle und Begrenzung von Zuwanderung mit 55 Prozent europaweit stark ausgeprägt ist. Vorne mit dabei sind unter anderem Länder wie Schweden, die lange Aushängeschild für eine europäische Offenheit waren.

Wenig Solidarität für andere Flüchtende

Dahingegen beobachten die For­sche­r:in­nen in Ländern wie Polen einen gegenläufigen Trend – hin zu einer größeren Toleranz. Entscheidend dabei ist die Herkunft der Geflüchteten. „Während die Aufnahme und Hilfsbereitschaft für ukrainische Geflüchtete groß ist, überwiegt die Skepsis gegenüber Geflüchteten aus anderen Krisenregionen“, so Midem-Direktor Hans Vorländer.

Insbesondere gegenüber Mi­gran­t:in­nen aus vornehmlich muslimisch geprägten Ländern seien die Vorbehalte groß. In Ländern wie Tschechien und Ungarn liegt die Ablehnung gegenüber muslimischer Zuwanderung bei bis zu 74 Prozent. Befragte äußerten hier stärkere Bedenken im Hinblick auf ihre Integrierbarkeit. Im Gegensatz zu dem Bild des „fremden Mannes“, welches sich 2015 etablierte, werde die überwiegend weiblich geprägte Fluchtbewegung aus der Ukraine in Europa als positiv wahrgenommen.

Das Fazit der Studie fällt deshalb trotz der Solidarität mit der Ukraine wenig schmeichelhaft für die EU aus. Von einem Paradigmenwechsel in Sachen Migrationspolitik könne keine Rede sein.

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11 Kommentare

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  • @QUESTOR

    Es ist natürlich alles viel komplexer (schon ein einzelner Mensch ist furchtbar komplex und vielen Einflüssen ausgesetzt, nicht ein Leibnitzsches oder Cartesisches Maschinchen -- ganze Gesellschaften...)

    Dass da Wechselwirkungen stattfinden können Sie wunderschön am Drama um die Reichsbürgerszene beobachten: Heinrich Prinz Reuß und seine mannfrauen basteln schon lange an ihrem Ding. Gefährlich wird das, wenn sie sich durch allgemeine Stimmungen ermutigt fühlen -- und die werden von Erzählungen gefüttert wie "die faulen Griechen klauen unsere Steuergelder" (Schäuble) oder "die Asylanten nutzen unsere Sozialsysteme aus" (Seehofer, Merz, ...).

  • Die EU muss in jedem Mitgliedsstaat Standards anbieten, die Grund- und Menschenrechte umfassend schützen. Alles andere ist nicht in Ordnung.

    Auch besonders prekäre Unterkünfte, mangelnde Hygiene und Unterkünfte, die für Kinder und Familien eigentlich nicht erträglich sind gehen nicht.

    Bewaffnete und uniformierte Kräfte sollten nicht auf dem Gelände oder an Zäunen oder Abgrenzungen sein oder patrulieren.

    Ich finde es vollkommen unglaublich, wie groß die Unterschiede sind. Flüchtlinge erzählen von Gefängnisaufenthalten und das entpuppt sich als Erstaufnahme in anderen EU-Staaten - derart extrem fällt der Unterschied aus.

    Es ist kein Wunder, dass Dublin so schlecht funktioniert und dass die Flüchtlinge das nicht hinnehmen wollen, zurück in bestimmte Länder zu müssen.

    Ungarn zum Beispiel, hier äußerte Orban selbst die Flüchtlinge seien alle Kriminelle (ca in der Form).

    Wenn die Regierung auch noch Stimmung gegen Flüchtlinge macht, diese öffentlich an den Pranger stellt. Acuh hier muss die EU einheitlich sein. Sonst haben die Menschen nach meiner Einschätzung das Recht, zu versuchen, in die 'besseren' EU-Länder zu gelangen.

    Meinetwegen kann die EU auch extra Gelder locker machen, um die Standards zu vereinheitlichen, aber so oder so, es muss passieren.

    Die EU kann kein Gefälle in Sachen Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit vertragen, dann wird sie unglaubwürdig. Und das hat auch zur Folge, dass die EU auf bestimmte Staaten gar kein Druck ausüben kann, dass Menschen- und Freiheitsrechte geachtet werden.

    Und viele EU-Staaten waren in Katar bei der WM. Dieses Land akzeptiert viele Grundrechte nicht, ua. die Bildung von Gewerkschaften und / oder Betriebsräten, die Arbeitsverhältnisse dort erinnern an Sklaverei. Wer solche Verhältnisse fördert oder hinnimmt, macht sich auch unglaubwürdig. Katar nimmt z.B. grundsätzlich keine Flüchtlinge auf, so ein Land zum (Sport)Vorzeigeobjekt zu machen, zeigt auch wo man steht.

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Dann hängt doch die Ablehnung mit der Religion zusammen, dem Frauenbild das sie transportiert oder?



    Die Ablehnung trifft nicht den Menschen.



    Wer hier leben möchte, sollte zumindest ein anderes Frauenbild mitbringen.

    • @06455 (Profil gelöscht):

      Da stimme ich Ihnen zu.



      Würde es aber auf das Menschenbild erweitern, das mit dem im Grundgesetz kompatibel sein sollte.

  • Mich würde ja eher interessieren, welchen Einflus das (politisch opportunistische) Gefasel so mancher exponierter Persönlichkeit ist.

    Ich meine damit nicht einmal die Höckes und Storchens der AfD, sondern die Seehofer ("letzte Patrone") oder Merzens ("Asyltourismus).

    Richten die Schaden an, oder sind das nur harmlose Betriebsgeräusche?

    • @tomás zerolo:

      Ich wehre mich ehrlich gesagt gegen das gerne hervorgeholte Narrativ, dass Hetze "irgendwie wie Kokain ist": Kaum bekommst Du sie zu hören, schon setzt der Verstand aus und es gibt nichts schöneres mehr als diesen Kick und Du stellst plötzlich den größten Unfug an weil das irgendwie dazu gehört?

      Das passt ehrlich gesagt nicht zu meinem Menschenbild. Und wenn mein Menschenbild da falsch liegt, warum sollte irgendjemand die Demokratie für eine gute Idee halten, wenn da so ein Mob die Macht hat? Und zu guter Letzt muss dann die Frage gestellt werden dürfen, warum all die sehr positiven Äußerungen von Politikern (die entspannt 80-90% sein dürften) so wirkungslos sind, währen die Hetze so unglaublich wirkunksvoll ist.

      Wie ist das denn bei Ihnen persönlich, haben die Apelle und Einschätzungen der Politiker wirklich Einfluss auf Ihre Meinung zum Thema? Bei mir ändert sowas höchstens die Meinung über den Politiker, insbesondere wenn das Thema bereits persönlich durchdacht ist und der Apell (positiv wie negativ) keine weiteren Perspektiven transportiert, sondern nur die Emotionen ansprechen soll

  • In Sachen Integrierbarkeit ist der wichtigste Faktor Bildung, nicht Herkunft, Geschlecht oder Religion.

    Wenn jemand halbwegs gute Vorbildung (und Motivation) mitbringt, dann wird er sich auch gut und schnell integrieren. Syrien war in Sachen Schule und Bildung mal sehr fortschrittlich. Das war bei der ersten großen Welle 2015 deutlich spürbar, dass viele Gebildete mitkamen. Seit dem Bürgerkrieg herrscht dort in vielen Regionen nur noch Notstand und wenn Jugendliche oder junge Erwachsene jetzt von dort kommen, haben sie viel weniger Schulbildung mitbekommen als die Generation vor ihnen. Gute (Selbst)Motivation kann aber auch das kompensieren.

    Wenn es einen Paradigmenwechsel in Sachen Migrationspolitik geben soll, dann doch bitte den: Lasst die Menschen ins Land, die gerne lernen. Von denen können dann auch wir lernen und uns so gegenseitig bereichern: also Multikulti im besten Sinn des Wortes.

  • Diese Differenzierung bei den Vertriebenen (das wäre m.E. der richtige Begriff) ist im Grunde " Rassisums" oder Fremdenangst. Das läuft häufig auch unbewusst ab.



    Ob anerzogen oder angeboren, weiß ich nicht. Es hilft nur persönliche Erfahrungen durch kennen lernen. Es wird uns auch nichts anderes übrig bleiben, wenn sich die bewohnbaren Zonen der Erde durch den Klimawandel ändern und wohl auch kleiner werden.

    • @Matt Gekachelt:

      Es gibt zwei Komponenten die problematisch sind: die Aufgenommenen sind in einer stark anderen Kultur verwurzelt und die Gruppe der Aufgenommenen ist so groß, dass es einen nur geringen Integrationsdruck in die Aufnehmende Gruppe gibt. Daraus resultieren Spannungen, die sich irgendwann entladen.

      Wer keine Integrationsdruck aufbauen kann, sollte daher die Zahl der Aufzunehmenden mit stark anderen Kulturwurzeln begrenzen.

      Integrationsdruck kann durch enge Begleitung geschehen oder auch durch Vorgaben.

      Wenn es keine Vorgaben und keine Begleitung aber dafür ganz viele andere "allein gelassene" Aufgenommene aus dem Kulturkreis mit anderen "Werten" gibt, dann wird eine abgekapselte Community entstehen. Die Reibung mit der aufnehmenden Gesellschaft und deren Entladung ist unausweichlich. Und für keinen schön.

      Ich denke Länder die passgenau auswählen, werden erstens weniger Spannungen haben und zweitens zufriedene Aufzunehmende. Die sich außerdem noch gern integrieren.

      • 0G
        06455 (Profil gelöscht)
        @gmpf:

        Danke vielmals! Sie haben es auf den Punkt gebracht.



        Das wird noch zu grossen Verwerfungen führen.

      • @gmpf:

        Damit haben Sie sehr gut beschrieben, woran es in diesem Land mangelt.