Entführung von Trinh Xuan Thanh: Haftentlassung nicht in Sicht
2017 entführte Vietnams Geheimdienst Funktionär Thanh. Seither ist er inhaftiert. Die Reise von Kanzler Scholz konnte nichts bewirken.
Vor diesem Gericht läuft seit Anfang November ein Prozess gegen einen mutmaßlichen Entführungshelfer. Dem 32-Jährigen Anh Tu L., der bis zur Entführung in Prag gelebt hatte und sich danach nach Vietnam abgesetzt hatte, wird vorgeworfen, als Kraftfahrer an der Ausspähung des späteren Entführungsopfers beteiligt gewesen zu sein. Er soll auch beim Kidnapping 2017 im Berliner Tiergarten vor Ort gewesen sein. Das legen seine Handydaten nahe. Zudem wurde 2017 auf dem Fahrersitz des Entführungsfahrzeuges umfangreiches genetisches Material sichergestellt, das nach heutigen Erkenntnissen ausschließlich von ihm stammen soll. Doch die Verteidigung hat angekündigt, zumindest die Auswertung der Handydaten in Zweifel zu ziehen. Kurz vor Weihnachten wird dazu ein kriminaltechnischer Sachverständiger gehört werden.
Dem Angeklagten L. wird aber auch vorgeworfen, am Steuer gesessen zu haben, als das Entführungsopfer und mehrere Entführer in die slowakische Hauptstadt Bratislava fuhren. Das belegen ebenfalls seine Handydaten sowie ein Foto der Autobahnüberwachung.
Widersprüche vor Gericht
Wie der leitende Berliner Kriminalbeamte Andreas Voges vor Gericht aussagte, wurde Trinh Xuan Thanh mit dem slowakischen Regierungsflugzeug aus dem Schengenraum gebracht. Vietnams Innenminister To Lam hatte nach aktuellen Erkenntnissen ein nur 40-minütiges Treffen mit seinem damaligen slowakischen Amtskollegen Robert Kalinak anberaumt. Ein Vorwand, damit Kalinak den Vietnamesen den Regierungsflieger leihen konnte, um das Entführungsopfer mit von vietnamesischen Diplomaten gefälschtem Pass aus dem Schengenraum zu bringen, wie Andreas Voges sich vor Gericht überzeugt gibt.
In der Slowakei ist das Thema gerade hoch brisant. Am Mittwoch hat die nationale Kriminalbehörde NAKA ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nicht wegen der Entführung selbst, sondern wegen des Verdachtes der Bestechung. Das heißt, sie geht davon aus, dass für die Ausleihe des Regierungsflugzeuges Bestechungsgeld von Vietnam an nicht namentlich benannte Personen in der Slowakei geflossen ist. Jedoch wurden wegen der Entführung in der Slowakei schon zweimal strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet, die die Staatsanwaltschaft beide Male einstellte. Der damalige Innenminister Robert Kalinak bestreitet bis heute, dass das Entführungsopfer überhaupt im slowakischen Regierungsflugzeug gesessen hat.
Dem widerspricht aber der damalige parteilose Präsident Andrej Kiska. Vor vier Wochen hatte eine slowakische Zeitung einen Abschnitt aus seinen noch unveröffentlichten Memoiren vorabgedruckt. Darin ging es um die Entführung. Kiska behauptet, wenige Tage nach der Entführung von seinem Personenschützer, der dem Innenministerium unterstand, von der Entführung und einer Beteiligung von Kalinak gehört zu haben. Kalinak bestreitet das.
Am Rande des Gerichtsverfahrens war zu erfahren, dass das Außenministerium der Slowakei erwägt, Trinh Xuan Thanh, falls er doch einmal aus der Haft entlassen wird und nach Berlin fliegen darf, dafür das Regierungsflugzeug bereitzustellen. Von Hanoi nach Berlin. Als Wiedergutmachung.
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