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Falsche Frage im Buckingham PalaceGesprächspartner klein machen

Nationale und kulturelle Überlegenheit zu demonstrieren sollte auch im britischen Adel Vergangenheit sein. Die britische Gesellschaft ist verändert.

Lady Hussey in einer Kutsche auf dem Weg zum Pferderennen in Ascot Foto: Kirstin Sinclair/getty images

A ls Kanzler der Universität Cambridge unterhielt sich Prinz Philip immer gerne mit den Leuten vor Ort. Dabei musste man auf alles gefasst sein:

Prinz Philip: „Woher kommen Sie?“

„Ich bin Polin.“

„Sind sie zum Erdbeerenpflücken hier?“

„Nein, ich bin Professorin für Biologie.“

„Nicht ihr Ernst!“

Royale Konversation Nr. 2:

Prinz Philip: „Sie sind keine Engländerin, stimmt’s?“

„Nein, ich komme aus Irland.“

„Das dachte ich mir. Sie haben was Wildes.“

Prinz Philip, der Vater des jetzigen Königs Charles III., war 35 Jahre lang Kanzler der Universität Cambridge. Er war kein dummer Mann. Er leistete viel für die royale Firma und interessierte sich für Naturwissenschaften und neue Technologien.

Aber er hatte eine Eigenschaft, die in seinem Stand weit verbreitet ist: einen festen Glauben an seine absolute gesellschaftliche Überlegenheit. Mit wenigen herablassenden Worten konnte er dafür sorgen, dass sich seine Gesprächspartner klein fühlten.

Keine Gruppe wurde davon verschont: Frauen, Arbeiter, Mittelschichtler und natürlich auch People of Colour. Jeder kam mal dran. Es war typisch für seine Generation von Aristokraten. Entscheidend war nicht unbedingt die Hautfarbe, sondern das Klassendenken. Ein indischer Prinz wurde als ebenbürtig behandelt, ein indischer Gemüseverkäufer musste damit rechnen, etwas abzubekommen.

Philips Generation ist so gut wie ausgestorben, aber die Äußerungen der 83-jährigen Lady Hussey erinnerten noch einmal daran. Hussey ist Patentante von Prinz William und gehört seit 60 Jahren zum royalen Haushalt.

Als Hussey bei der Veranstaltung in Buckingham-Palast letzten Dienstag (29. November) die Schwarze Britin Ngozi Fulani fragte „Wo kommen sie wirklich her?“, wollte sie ihre gesellschaftliche und ihre nationale Überlegenheit gegenüber Fulani demonstrieren. Vielleicht hatte Hussey einfach nicht das hausinterne Memo gelesen.

Die Idee der Veranstaltung war es, Frauensolidarität zu zeigen – nicht andere Frauen herabzusetzen. Man wollte auf die internationale UN-Kampagne gegen Gewalt an Frauen aufmerksam machen. Olena Selenska eröffnete deswegen in London eine Ausstellung über die Vergewaltigungen von ukrainischen Frauen durch russische Soldaten.

Die Krönung kann ihr auf die Sprünge helfen

Vielleicht sind ukrainische Frauen für Hussey geografisch zu weit entfernt. Aber Gewalt an Frauen ist ein Thema, das auch ihre eigene Standesgenossin, die 90-jährige Lady Glenconner, gerade thematisiert hat. Anne Glenconner beschreibt in ihren Memoiren „What­ever next?“, wie ihr Mann sie über Jahrzehnte hinweg verbal und physisch schwer misshandelte (unter anderem wurde sie durch seine Schläge auf einem Ohr taub). Es ging also bei der Veranstaltung im Buckingham-Palast um ein Thema, das Frauen aller Länder und sozialer Schichten betrifft. Einen Tag nach dem Vorfall mit Ngozi Fulani trat Susan Hussey zurück.

Sicher ist es für eine ältere Dame wie Hussey schwer zu verstehen, wie sehr die britische Gesellschaft sich mittlerweile verändert hat. Aber vielleicht kann die bevorstehende Krönung im Mai ihr auf die Sprünge helfen.

Lady Hussey wird dort sehen können, dass die ranghöchsten britischen Politiker in Westminister Abbey ganz anders aussehen als sie. Einige haben sogar eine andere Religion. Premierminister Rishi Sunak ist Hindu, der Bürgermeister von London, Sadiq Khan, Muslim. Die Hardlinerin, die für die Sicherheit der gesamten Veranstaltung verantwortlich sein wird, Innenministerin Suella Braverman ist (überraschenderweise) Buddhistin. Wie der Außenminister James Cleverly kann auch sie keine weiße Hautfarbe aufweisen.

Der einzige weiße Politiker von Rang wird Schatzkanzler Jeremy Hunt sein. Und der bringt seine chinesische Ehefrau mit. Tempi passati.

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6 Kommentare

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  • @Sabine

    Sie halten also Ihre Vorurteile für den Versuch sensibel zu sein?

    Aaaaargh!

    • @Paul Brusewitz:

      Siehe meine Antwort an Budzylein. Ich schließe nicht aus, falsch zu liegen. Trotzdem sind mir geringe Umstände lieber, als in einen Konflikt zu geraten.

      Der Begriff "sensibel", das habe ich von Ihnen soeben gelernt, ist falsch. Ich nenne es ab jetzt "vorsichtig", ich möchte niemanden kränken.

  • "Als Hussey bei der Veranstaltung in Buckingham-Palast letzten Dienstag (29. November) die Schwarze Britin Ngozi Fulani fragte „Wo kommen sie wirklich her?“, wollte sie ihre gesellschaftliche und ihre nationale Überlegenheit gegenüber Fulani demonstrieren."

    Ich verstehe, dass Frau Fulani davon ausgeht, absichtlich beleidigt worden zu sein und dazu hat sie jedes Recht. Ob die 80-jährige Dame tatsächlich ihre "gesellschaftliche und nationale Überlegenheit demonstrieren" wollte, traue ich mich nicht einzuschätzen und verlasse mich daher auf die Einschätzung von Frau Fulani bzw. der taz. Trotzdem denke ich, dass ich/wir vielleicht nicht davon ausgehen sollten, dass andere überheblich, unfreundlich o.ä. sind, zumal eine 80-jährige Dame durchaus trottelig sein kann.

    Selbstverständlich weiß ich persönlich, dass ich Menschen mit Akzent, einem fremd klingenden Namen oder einer anderen Hautfarbe als der meinen nicht fragen darf, woher sie kommen; ich würde auch nie meinen muslimischen Kollegen fragen, wie es seiner schwangeren Ehefrau geht, einen Kaufhausmitarbeiter mit arabischem Namen nach einer Weinempfehlung fragen oder einer Kassiererin mit Kopftuch Dessous zur Bezahlung hinlegen. In letzterem Fall habe ich mir kürzlich eine Kasse gesucht, an der eine Mitarbeiterin ohne Kopftuch die Ware entgegennahm. Ich versuche also durchaus sensibel in diesen Belangen zu sein und darum erlaube ich mir unter diesem Artikel den Hinweis, dass nicht alles herablassend, beleidigend, bösartig oder kränkend gedacht ist, was so interpretiert werden kann. --> Es gilt absolut und zu 100% was ich eingangs schrieb, ausschließlich die Sichtweise von Frau Fulani, obwohl ich bedauere, dass es für sie keine andere Interpretationsmöglichkeit gab und vielleicht auch zukünftig nicht geben wird.

    • @*Sabine*:

      Meinen Sie, Frauen mit Kopftuch trügen niemals Dessous? Und Araber tränken alle keinen Alkohol? Das ist nicht "sensibel", sondern schlicht falsch.

  • “Tempi passati.“ Ach was! ©️ Vagel Bülow

    Nicht wirklich. “Klassengesellschaft“ •



    Thnx a lot for keyword & assist.



    John - laß gehn 🎶 - Working class hero -



    m.youtube.com/watch?v=iMewtlmkV6c



    Ob Eton ob Winchester - scheißegal Schwester!

  • Die schöne Pointe muß leider ein wenig abgeschwächt werden - der Anführer Seiner Majestät Loyaler Opposition, Sir Kier Starmer, wird bei der Krönung ebenfalls anwesend sein dürfen - und der ist, wie ausnahmslos jeder einzelne seiner Vorgänger als Anführer der vermeintlich linken und progressiven Labour-Partei, ein sehr weißer Mann. (Zwei Frauen durften in der Vergangenheit kurz als "acting leader" für den nächsten Mann den Platz warm halten)