Ein tiefer Fall kommt selten allein: Mehr als Pool und Wanne
Was haben der Politiker John Profumo und Königsbruder Prinz Andrew gemeinsam? Beiden wurde von einflussreichen Männern junge Mädchen vermittelt.
D er Swimmingpool auf dem englischen Landsitz Cliveden ist berühmt. Jedes Jahr findet in Cliveden ein renommiertes Literaturfestival statt, aber die meisten Besucher wollen den Swimmingpool sehen. Er ist unbeheizt und nicht besonders groß, aber er bietet eine interessante Geschichte.
1961 zog hier Christine Keeler nackt ihre Bahnen und wurde anschließend vom Kriegsminister John Profumo abgetrocknet. Profumo war ein fast 30 Jahre älterer, verheirateter Mann, der nach dem Abtrocknen mit Keeler eine Affäre begann.
All das wäre kein Problem gewesen, wenn Keeler nicht gleichzeitig noch mit Jewgeni Iwanow, einem Agenten des sowjetischen Militärgeheimdiensts GRU, geschlafen hätte. Orchestriert wurden Keelers sexuelle Dienste von Stephen Ward, einem Osteopathen und Hobbymaler. Der gesellschaftlich perfekt vernetzte Ward hatte ein ähnliches Geschäftsmodell entwickelt wie 40 Jahre später der amerikanische Geschäftsmann Jeffrey Epstein. Beide Herren vermittelten junge Mädchen an einflussreiche Männer.
Die 19-jährige Keeler und die 17-jährige Virginia Giuffre, die 2001 mit Prinz Andrew schlafen musste, hatten einiges gemeinsam. Sie waren schon in ihrer Jugend missbraucht worden und wehrten sich daher lange Zeit nicht. Als sie dann doch bei der Polizei aussagten, glaubte man ihnen kein Wort. Erst nachdem die Presse die Skandale aufgriff, änderte sich etwas. Ward und Epstein wurden von ihren einflussreichen Freunden über Nacht fallengelassen und angeklagt. Ward beging 1963 Suizid, Jeffrey Epstein 2019.
Sex- statt Spionageskandal
Welche Politiker und Geschäftsmänner Epstein erpresste, ist bis heute nicht aufgeklärt worden. Aber dank einer neuen Auswertung der Memoiren von Iwanow wissen wir nun endlich, was er plante. Stephen Ward verschaffte ihm Zugang zu Profumo. Der konservative Kriegsminister Profumo galt als wichtiger Geheimnisträger. Er war in die Verhandlungen mit den Amerikanern über das Polaris-U-Boot-Programm involviert und kannte Details über die geplanten Atomwaffenlieferungen an die BRD.
Bevor Iwanow jedoch ans Ziel kam und Profumo erpressen konnte, eskalierte die Situation. Die Presse deckte die Sex-Affäre auf, Profumo log daraufhin das britische Unterhaus an und musste zurücktreten. Für das britische Establishment war es die beste Lösung. Die Profumo-Affäre ging dadurch als Sex- und nicht als Spionageskandal in die Geschichte ein.
Auch Stephen Wards illustrer Bekanntenkreis, darunter Prinz Philip, konnte aus der Sache herausgehalten werden. Der Ehemann der Queen mochte schöne Frauen und war öfters aushäusig. Auf einem abgelegenen Korridor in Cliveden kann man heute noch die Zeichnungen finden, die Stephen Ward 1961 von Prinz Philip und Christine Keeler anfertigte.
Philips Sohn, Prinz Andrew, hatte sechzig Jahre später allerdings weniger Glück. Die Ehrerbietung der Presse gegenüber den Royals war mittlerweile abhandengekommen. Andrew wurde dank britischer Journalisten zum bekanntesten Kunden Epsteins. Virginia Giuffre verklagte ihn und bekam außergerichtlich circa 12 Millionen Pfund zugesprochen. Damit schien die Sache beendet.
Mittlerweile hat Andrew es sich jedoch wieder anders überlegt und will das Geld zurückhaben. Neue Anwälte und PR-Berater sollen jetzt seinen Ruf retten. Diese Mammutaufgabe treibt bereits bizarre Blüten. Der Daily Telegraph veröffentlichte ein Foto von zwei Leuten, die schwer verrenkt in einer Badewanne lagen und Prinz-Andrew- und Giuffre-Masken trugen. Das Foto sollte belegen, dass die authentische Wanne zu klein für Sexspiele gewesen wäre.
Kenner zeigten sich von dem Foto nicht überzeugt. Vielleicht hätte Andrew sich also doch lieber an Profumo ein Vorbild nehmen sollen. Nach seinem tiefen Fall hatte der 40 Jahre lang in der Obdachlosenhilfe gearbeitet. Für Andrew scheint diese Option jedoch zu anstrengend zu sein. Er hat einfach kein Talent für Wohltätigkeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!