piwik no script img

Landwirtschaft mit guter BilanzHöhere Kosten, aber mehr Gewinn

Viele Bauern profitieren etwa von teurerem Getreide. Deshalb könnten sie sich stärker gegen Naturschutz auf ihren nun sehr rentablen Feldern wehren.

Höhere Kosten, aber auch höhere Gewinne: Bauern, wie hier im niedersächsischen Goslar Foto: Martin Wagner/imago

Berlin taz | Agrarunternehmen haben im vergangenen Wirtschaftsjahr trotz höherer Kosten im Schnitt so viel verdient wie lange nicht mehr. „Im Durchschnitt wurden in Niedersachsen sogar 103.000 Euro Gewinn erzielt“, teilte der Verband der Landwirtschaftskammern auf Basis der ersten Buchführungsergebnisse von Haupterwerbsbetrieben mit.

Das entspreche einer Nettorentabilität der Höfe von 127 Prozent. „Über alle Betriebsformen und über alle Länder hinweg gesehen legten die Gewinne zu.“ Im Großen und Ganzen könnten die Landwirte zufrieden sein. UmweltschützerInnen befürchten nun, dass die Bauern wegen der hohen Preise noch weniger bereit sein werden, Ackerflächen für den Naturschutz zur Verfügung zu stellen.

Zwar mussten die Landwirte für Energie, Dünge- und Futtermittel im Jahr bis 30. Juni 2022 viel mehr ausgeben. Die Kosten der Pestizide etwa stiegen den Kammern zufolge pro Hektar um 25 Prozent.

Doch das wurde durch die höheren Preise für Produkte der Landwirtschaft mehr als ausgeglichen. Getreide etwa der untersuchten Betriebe verteuerte sich laut Bericht: von 23 Prozent in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland bis hin zu 26 Prozent in Rheinland-Pfalz. Für Rohmilch bekamen die Bauern demnach 21 bis 33 Prozent mehr. „Die Milchpreise zogen stärker als die Produktionskosten an“, berichteten die Kammern.

Selbst die gebeutelten Schweinemäster hätten 7 bis 10 Prozent mehr für ihre Tiere bekommen, was aber immer noch als zu wenig gilt. Schweinehalter beispielsweise in NRW hätten einen „immer noch existenzbedrohenden Gewinn von 47.000 Euro“ erzielt. Das reichte den Zahlen zufolge nur für eine Nettorentabilität von 55 Prozent, sie konnten also nur gut die Hälfte ihrer rechnerischen Kosten für Arbeit, Boden und Kapital begleichen.

Agrarminister Özdemir dürfe nicht erneut der Bauern-­lobby nachgeben, verlangt der WWF

Ökobetriebe litten unter dem Wetter, was zu niedrigen Naturalerträgen führte. Ihre Gewinne sanken laut Bericht um 21 Prozent auf 53.000 Euro. Das habe für eine Nettorentabilität von 81 Prozent gereicht.

„Die Gefahr ist, dass wegen der enorm hohen Erlöse für Agrarprodukte die Bereitschaft sinkt, Ackerflächen für Naturschutzmaßnahmen wie Brachen zur Verfügung zu stellen“, sagte Johann Rathke, Agrarexperte der Umweltorganisation WWF, der taz. Er rechne damit, dass Bauernverbände fordern werden, einen seiner Meinung nach wichtigen Teil der Bedingungen für den Erhalt von EU-Agrarsubventionen auch 2024 auszusetzen: Demnach müssen Bauern 4 Prozent ihrer Ackerflächen brach liegen oder für Landschaftselemente wie Bäume, Hecken oder Tümpel zur Verfügung stellen.

Der Forderung nach Aussetzung dieser Regel hat Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) für 2023 bereits nachgegeben, damit mehr Getreide produziert werden kann angesichts der aufgrund des Ukrainekriegs gestiegenen Weltmarktpreise. „Dieses Mal darf Minister Özdemir nicht nachgeben, denn der Verzicht auf wichtige Umweltstandards führt kaum zu mehr Lebensmittelproduktion, schwächt aber die ökologische Stabilität der Agrarökosysteme umso mehr“, sagte Rathke.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Bei mehr Renatbilität pro Fläche geht tut doch mehr Fläche für Biodiversität um weniger weh. Wer hat, kann geben.

  • In der Tat, Agrarland wird wertvoller. Staatliche Maßnahmen werden teurer.

  • Der forcierte Zwang zur "ökologischen" Landwirtschaft führt zwangläufig in eine Hungerskatastrophe und das Ende vieler landwirtschaftlicher Betriebe.

    Sri Lanka war doch das Experementierfeld. Von einem Jahr auf das andere wurde jeglicher Kunstdünger verboten, Schädlingsbekämpfung sowieso.Der grüne Traum also.

    Ein Jahr später brach die gesamte landwirtschaftliche Produktion zusammen.

    Vil. sollten man die Bauern einfach mal Ihre Arbeit machen lassen und Vorgaben wenn, dann bitte von Landwirten mit entsprechender Expertise erstellt werden.

    • @Alfred Sauer:

      Wenn mann von einem Thema gar keine Ahnung hat, könnte man sich auch zurückhalten......

      • @Heiner Petersen:

        Wenn sich beim Thema Landwirtschaft alle daran halten würden, wären die Kommentarspalten ziemlich leer.

  • Von Umweltschutz profitieren doch alle, kann man dann nicht einfach den Bauern die fehlenden Gewinne ersetzen?



    Die Gewinnsummen habe ich nicht verstanden, ist das pro Betrieb, pro Bauer oder pro Feld?

    • @Jesus:

      Es geht hier, wenn ich mich richtig erinnere..., und den Gewinn pro Betrieb. Von diesem Gewinn leben alle nicht entlohnten Familienarbeitskräfte. D.h. wenn es ein Paar ist, ergibt das 50 Tsd. pro Nase, die aber auch versteuert werden müssen und aus dem auch Neuinvestitionen bezahlt werden müssen.

      Die hier genannten Zahlen zwischen bio und konventionell lassen erahnen, dass die Zahl der umstellungswilligen LandwirtInnen deutlich abnehmen wird. Denn die Idealisten machen schon lange Öko und jetzt sind es eigentlich die "Rechner" die umstellen oder nicht.



      Bin gespannt wie die Regierung hohen Umstellungsziele unter diesen veränderten Bedigungen erreichen will.

    • @Jesus:

      Pro Feld ist maximal ein DECKUNGSBEITRAG je Hektar zu rechnen. Gewinne werden immer aufs Unternehmen abgerechnet. Beim BETRIEBSGEWINN (UNTERNEHMENSGEWINN) eines, salop, Bauernhofs sind unter anderem noch Versicherungen, Eigenkapitalbildung für Nettoneuinvestitionen und Altersicherung abzuziehen. Erst dann erhält man den für die Bauernfamilie zur Verfügung stehenden Gewinn. Für eine solche Familie ist für die ausreichende Lebenshaltung ein BETRIEBSGEWINN von mindestens 75000 Euro notwendig. Sind keine Zahlen von mir sondern von Banken und Betriebswirtschaftlern.

      • @Georg Summerer:

        Und da in der Landwirtschaft das Wirtschaftsjahr von 01.07 bis zum 30.06 des nächsten Jahres geht, sprechen wir hier von der Ernte 2021. Zu dieser Zeit waren die Produktionskosten viel niedriger, die viel höheren PK erscheinen erst im nächsten Abschluss. Somit sind die Steigerungen im Vergleich zur Ernte 2020. Was natürlich auch nicht erwähnt wird ist der schwache Euro, unsere Lebensmittel werden im nicht EU-Ausland günstiger ( Milch, Fleisch ) .



        Wie sagte schon Winston Churchill : traue keiner Statistik, ....

  • "sehr rentablen Feldern"

    Dann hat Ötzdemir ja ein Ziel erreicht. Es gibt laut Artikel kein ne Ramschpreise mehr für Nahrungsmittel, sonder nur noch Gewinne, Gewinne, Gewinne! Auch das Höfesterben wird dann ja wohl zu Ende sein.

  • Schon vor einem Vierteljahr fielen die Preise drastisch, und Özdemir gibt immer noch die Flächen für 2023 frei?

    Was macht Özdemir da eigentlich? Einen besseren Lobbyisten hätte die Agrarindustrie nicht finden können.

    Hat er eigentlich schon irgendetwas unternommen um den Vogelbestand wieder auf den Stand von 1980 zu bringen, nachdem dieser durch die Agrarindustrie um über 80 Prozent gefallen war? So die Insektenmasse.

    Tut Özdemir irgendetwas um endlich die armen Kühe aus der Anbindehaltung zu befreien? Oder Weidehaltung für alle? Hörner?

    Irgendetwas für die armen Schweine?

    www.finanzen.net/n...e-wendung-11662830

    • @shantivanille:

      Ich finde auch, nach einem halben Jahr müsste für jeden sicht- und hörbar die Menge der Feldvögel zugenommen haben!!!!!



      Aber vielleicht verwechselst du twitter und die belebte Umwelt???

  • Es ist noch kein Jahr her, da hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hier auf taz.de in einem Jost Maurin Artikel vom 14.01.2022 explizit höhere Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse gefordert, hier der Link:

    taz.de/Erste-Bunde...minister/!5828371/

    10 Monate später ist festzustellen: Özdemir hat Wort gehalten und geliefert!



    Die Erzeugerpreise für die Landwirte sind heutzutage tatsächlich viel höher als im Januar 2022. Es gibt nicht viele Politiker, die ihre Wunschvorstellungen und Ankündigungen so konsequent in die Tat umsetzen wie Cem Özdemir! Daher ist es mir ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass Cem Özdemir verlässlich ist und und seinen Worten auch Taten folgen lässt. Er hat sich hohe Preise ausdrücklich gewünscht und sie auch bekommen!

    • @Magic Theo:

      Die hauptsächlich durch den russischen Angriffskrieg gestiegenen Weltmarktpreise Cem "anzulasten" ist eine ebenso steile These.