Unabhängigkeitsreferendum in Schottland: Schottisches Schattenboxen

Das Nein zum erneuten Referendum war ein Urteil mit Ansage. Absichtlich setzte Sturgeon auf die Richter. Die Mehrheit will gar keine Unabhängigkeit.

Zwei Personen mit einer britischen und einer Schottischen Flagge.

Nicht alle Schotten sind für die Unabhängigkeit: Britische und schottische Flaggen über Edinburgh Foto: David Cheskin/PA Wire/Picture alliance

Wenn es Schottlands Nationalisten ernst meinten mit der Unabhängigkeit, würden sie entschlossener vorgehen als bisher. Sie würden einfach eine Volksabstimmung ansetzen und die Kraftprobe riskieren. Wie könnte Großbritannien die Schotten denn daran hindern, Wahlurnen aufzustellen und die Bevölkerung zur Stimmabgabe aufzurufen?

Eine Konfrontation nach katalanischem Muster würde sich entwickeln, und anders als die Separatisten in Katalonien könnten die in Schottland auf die Sympathie der EU ­gegen „Brexit Britain“ zählen. Aber Nicola Sturgeon geht einen anderen Weg. Nicht die britische Regierung hat per Gerichtsbeschluss das schottische Unabhängigkeitsreferendum blockiert, sondern Schottlands Regionalregierung selbst ist vor Gericht gezogen, damit die Richter in London offiziell das Offensichtliche feststellen:

Schottland kann keine Gesetze verabschieden, die an der Einheit des Vereinigten Königreiches kratzen. Also darf es auch kein Unabhängigkeitsreferendum ansetzen. Das kann nur Großbritannien als Ganzes, so wie 2014. Für diese Feststellung hätte es keinen Richterspruch gebraucht, sondern nur eine Regierung, die Gesetze lesen kann. Tatsächlich ging es Schottlands Regierung gar nicht darum, das Recht auf ein Referendum zu erkämpfen. Es ging darum, zu demonstrieren, dass sie dieses Recht nicht hat.

Nur der permanente Verweis auf angebliche Benachteiligung aus London hält Schottlands SNP an der Macht. Ihre eigene Regierungsbilanz ist desaströs. Seit dem verlorenen Unabhängigkeitsreferendum von 2014 liegen Schottlands Unabhängigkeitsbefürworter weiterhin ziemlich konstant in den Umfragen hinten. Denn der Brexit, der immer wieder als Grund für ein neues Referendum ins Feld geführt wird, macht die Abspaltung nicht einfacher.

Im Gegenteil: Mit der Rückkehr in die EU, wie es die SNP anstrebt, würde die Grenze zwischen England und Schottland zur EU-Außengrenze. Grenzkontrollen mitten auf der britischen Insel sind nicht mehrheitsfähig. Ein Unabhängigkeitsreferendum 2023 würde die SNP also verlieren. Die Verweigerung dieses Referendums stärkt sie. Und: Die SNP ist das Schreckgepenst, das Großbritanniens Konservativen die Macht sichert.

Die verweisen bei Wahlen gern darauf, dass die Labour-Opposition nur im Bündnis mit der SNP Aussichten auf eine Mehrheit hat. Auch bei den Wahlen 2024 werden Tories und SNP, zwei ausgelaugte Regierungsparteien, gegenseitige Abneigung zelebrieren und daraus Vorteile ziehen. Großbritannien insgesamt hat das Nachsehen.

Nicola Sturgeon

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