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Streit um HafenbeteiligungJa zu Chinas Einstieg in Hamburg

Die Bundesregierung erlaubt der Staatsreederei Cosco mit Einschränkung die Beteiligung an einem Hafenterminal. Das kritisiert sogar Steinmeier.

Vor der Ka­bi­netts­sit­zung:Pro­test gegen den chinesischen Einstieg im Containerterminal in Hamburg Foto: Christoph Soeder/dpa

Hamburg taz | Im Streit um eine Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco am Hamburger Hafen hat sich das Bundeskabinett wie erwartet auf einen Kompromiss verständigt. Wie das Wirtschaftsministerium am Mittwoch mitteilte, dürfen die Chinesen nur einen Anteil unterhalb von 25 Prozent an dem Hamburger Containerterminal Tollerort erwerben. Mehr zu kaufen werde untersagt – eine Reaktion auf die Kontroverse um eine zu hohe Abhängigkeit von China.

Der Hamburger Hafen und die viertgrößte Reederei der Welt hatten im September 2021 vereinbart, dass Cosco 35 Prozent der Betreibergesellschaft von einem der vier Containerterminals übernehmen solle. Damit sollte jedoch kein Verkauf von Grundstücken oder Kaianlagen verbunden sein, sondern lediglich eine Beteiligung am Umschlag, also an Containerbrücken, Kränen und Fahrzeugen.

Was vor einem Jahr noch als unkritisch gesehen wurde, ruft seit der Invasion Russlands in der Ukraine bei vielen Sicherheitsbedenken hervor. Am Dienstagabend warnte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem Ukraine-Besuch vor einer zu großen Abhängigkeit von China. „Für die Zukunft heißt es, wir müssen Lehren ziehen“, sagte er. „Und die Lehre zu ziehen heißt, wir müssen einseitige Abhängigkeiten verringern, wo immer das geht, das gilt gerade auch gegenüber China.“

Mit der vom Kabinett beschlossenen „Teiluntersagung“ werde der Erwerb auf eine reine Finanzbeteiligung reduziert, betonte das Wirtschaftsministerium. Eine „strategische“ Beteiligung werde verhindert. Cosco dürfe sich nicht per Vertrag Vetorechte bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen einräumen lassen. Die Schwelle von 25 Prozent könne künftig nicht ohne neue Prüfungen durch die Bundesregierung überschritten werden.

Aggressive Politik Chinas

„Nicht diese eine Beteiligung – und schon gar nicht die an einem einzelnen Terminal“ ist für Burkhard Lemper vom Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft (ISL) das Problem. Wichtig sei, dass Cosco nicht auf die Daten von Konkurrenten in der Logistikkette zugreifen könne, betont der Ökonom Lemper. „Es geht eher um die Frage, ob man die relativ aggressive Politik Chinas unterstützen möchte, indem man einer Staatsreederei Zugriff auf einen Containerterminal gewährt.“

Dieses Argument sticht auch für den CSU-Vize und Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber. „Die chinesische Staatsführung würde europäischen Staatsfirmen nie erlauben, ihre Infrastruktur zu kaufen“, sagt Weber. Er plädiert für ein einheitliches Vorgehen in Europa.

Dass sich Reedereien an Containerterminals beteiligen, ist weltweit gängig. Für Cosco läge der Vorteil darin, in Tollerort bevorzugt und zu besonders günstigen Konditionen abgefertigt zu werden. Außerdem wäre die Reederei an den Einnahmen des Terminals beteiligt.

Im Gegenzug konzentriert Cosco seine Ladungsströme in der Hansestadt. Cosco habe zugesagt, den Terminal Tollerort zu einem „preferred hub“ – zu einem bevorzugten Umschlagpunkt in Europa zu machen, sagt Hans-Jörg Heims, Sprecher der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), die überwiegend der Stadt gehört. Ungeachtet der Vereinbarung stehe das Terminal weiterhin allen Reedereikunden offen.

Marktanteile abgegeben

Für den Hamburger Hafen ist das von besonderem Interesse, weil er in den vergangenen Jahren Marktanteile in Nordeuropa abgeben musste. Seit Jahren stagniert die Zahl der abgefertigten Container, wozu Probleme im Hinterlandverkehr mit der Bahn und die lange Verzögerung bei der jüngsten Elbvertiefung beigetragen hätten, wie Lemper sagt.

Dazu kommt, dass trotz des Ausbaus der Elbfahrrinne die gewünschten Tiefgänge nicht erreicht werden, weil der Fluss aus dem Gleichgewicht geraten ist. Es setzen sich so viel Sand und Schlick ab, dass die Wasserbauer mit dem Baggern nicht hinterherkommen.

Aus Sicht des SPD-geführten Hamburger Senats ist eine Ablehnung der Cosco-Beteiligung im Hinblick auf die nationale Sicherheit und Unabhängigkeit nicht begründbar. „Sie wäre eine schwere Belastung für den Wirtschaftsstandort und eine einseitige, wettbewerbsverzerrende Benachteiligung Hamburgs gegenüber Rotterdam und Antwerpen, in denen Cosco bereits Terminal-Anteile besitzt“, argumentiert der Senat. Rotterdam belegt auf der Rangliste der weltweit größten Containerhäfen Platz 10, Hamburg Platz 20.

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17 Kommentare

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  • Boykottiert China!



    Danke für den sehr informativen Artikel, der hier die Tatsachen beleuchtet und WeltverschwörungstheoretiketInnen ein wenig den Wind aus den Segeln nimmt.



    Natürlich ist China eine Weltmacht und politisch eher "so la la".



    Das war aber schon vor dem Ukrainekrieg so.



    Es gibt 1000 gute Gründe, gegen die chinesische Führung zu sein.( Platz des himmlischen Friedens, Uiguren, Taiwan...)



    Allerdings habe ich bisher keinen Aufruf zum Boykott chinesischer Waren gelesen.



    Da müssten sich man und frau ja auch mal an die eigene Nase fassen.



    Wirtschaftlich sind wir längst in einer Abhängigkeit von China.



    Ich bin bestebt, eher Produkte aus Deutschland und der EU zu kaufen. Das ist schon schwer. Falls Lieferketten sichtbar sind, landet man aber auch dort häufig in China.



    Allerdings glaube ich, die Empörung ist eher künstlicher Natur.



    Schließlich soll ja Alles billig und ständige Neuanschaffungen in der Mehrheitsgesellschaft möglich sein.



    Boykotte wie gegen das Apartheid Regime in Südafrika sind mit der handyabhängigen Gesellschaft von heute nicht mehr machbar.



    Aber vielleicht läßt demnächst einer seinen Döner vor dem Chinesen fallen und bleibt dran kleben . Eine derartige Protestform wäre auch weichgespült möglich...

    • @Philippo1000:

      Wer China boykottiert, der muss auch die USA boykottieren. Japan sowieso.

      Was sollen also solche Forderungen, über die man nicht richtig nachdenkt?

      • @Herbert Eisenbeiß:

        Ja genau, warum was machen, Meckern ist doch sooo viel einfacher!



        Wer dies macht, muss das machen?



        Sind Sie der große Regulator?



        Wohl eher der große Rumsitzer...

      • @Herbert Eisenbeiß:

        China gleich USA gleich Japan.

        Wo lernt man so etwas?

        • @Jim Hawkins:

          EISENBEISS hat keine Gleichheitszeichen benutzt. Und ich gebe ihm recht. Die USA hätte schon seit langem einen Boykott verdient; die Zahl der Toten, die durch deren Ein- und Angriffe in andere Länder verursacht wurden, gehen in die Millionen. Aber unter Freunden tut man so etwas nicht /s .

          • @resto:

            So gesehen müsste Deutschland Deutschland boykottieren.

            60 Millionen Tote, die Welt in Trümmern, ein Zivilisationsbruch, das toppt keiner so schnell.

            • @Jim Hawkins:

              Wir müssen mit unserer Geschichte leben. Das heißt aber nicht, dass wir deshalb gegenwärtiges anderes Unrecht ignorieren sollen. Dem "das toppt keiner so schnell" möchte ich allerdings die Chinesische "Kulturrevolution" sowie den Stalinismus gegenüber stellen - ohne die Naziverbrechen relativieren zu wollen. Diese beiden Massenmordregimes wurden sogar noch während meiner Studentinnenzeit von deutschen K-Gruppen ignoriert oder wegen eines höheren - über dem Individuum stehenden - Zieles entschuldigt.

              • @resto:

                Da haben Sie natürlich Recht.

                Hitler, Stalin, Mao, das ist historisch gesehen das schrecklichste Trio aller Zeiten.

                Mir ging es eigentlich mehr um antiwestliche oder antiamerikanische Ressentiments.

                Und was an Japan so schrecklich sein soll, weiß ich auch noch nicht.

            • @Jim Hawkins:

              Doch... der große Sprung bei den Chinesen toppt das.

              Abgesehen davon geht es nicht um die vergangenen Verfehlungen, sondern aktuellen Verfehlungen diverser Länder. Die USA z.B. Einmarsch im Irak, Afghanistan, Zündeln in der Ukraine, dann dazu Abu Gharaib, die Drohnenmorde in Pakistan mit Ziviltoten, Guantanamo Bay... da findet sich mehr als genug, um das Land ebenfalls menschenrechtlich bedenklich zu finden.

              • @Herbert Eisenbeiß:

                Die Welt ist ein schrecklicher Ort für viel zu viele Menschen.

                Was ist mit dem Iran, mit Nordkorea, Gaza, Katar?

                Oder darf sich jeder seins raussuchen?

                • @Jim Hawkins:

                  Raussuchen ist das Stichwort, denn die Sache ist doch diese: aktuell unterteilen wir die Welt in gute (uns momentan wohlgesonnene/beeinflussbare) und böse Despoten.

                  Wenn man aber es wirklich ernst meint mit Menschenrechten, dann darf man nicht nur bei China anfangen, sondern muss es auch konsequent auf ganzer Linie durchziehen, denn sonst wird man unglaubwürdig. Und am Ende bleibt für einen nicht mehr viel übrig, das ist das Problem dabei.

                  Von daher: Menschenrechte in Sachen China sind nur vorgeschoben, es geht in Wirklichkeit ganz einfach um einen Wirtschaftskrieg, um den weiteren Aufstieg Chinas zu verhindern. Nicht mehr, nicht weniger, die Uiguren sind dabei den Amis doch völlig schnuppe.

                  Sie werden damit nicht nur von den Chinesen mißhandelt, sondern auch doppelt mißbraucht als Vorwand für die Amis.

                  • @Herbert Eisenbeiß:

                    Erlauben Sie mir ein Bild.

                    In der Nachbarwohnung schlägt ein Mann seine Frau.

                    Sollte man einschreiten, oder bringt das erst dann etwas, wenn man gleichzeitig gegen alle Männer, die gerade ihre Frauen schlagen, einschreiten kann?

                    Ich sage ja nicht, dass das Einschreiten im Fall der Ukraine nur hehren Motiven folgt.

                    Aber das Land ist in Not und bekommt Hilfe. Das ist für mich erstmal das, was zählt.

                    • @Jim Hawkins:

                      Einschreiten!



                      Strafgesetzbuch (StGB)



                      § 34 Rechtfertigender Notstand



                      www.gesetze-im-int....de/stgb/__34.html

                      • @Ringelnatz1:

                        Da warte ich lieber noch auf eine Bestätigung von Mr. Lowi :-)

                        • @Jim Hawkins:

                          Das war zwischen den Buchstaben.



                          Ich bin für mich bei 60% richtig.



                          Da kommt die heilige Kuh Wohnung und Polizei rufen noch rein. Wenn ich aber der Meinung bin ich kann nicht warten(Nachbarinn tot) hinein?!

                          • @Ringelnatz1:

                            Das stimmt natürlich, manchmal kann man nicht warten.

  • Richtig, China soll sich erstmal um den Ausbau seiner eigenen Energieinfrastruktur kümmern und die wirtschafts-Rezession vor Ort, in China bekämpfen. Investitionsstau in ein erneuerbare Energieensystem beenden und vergesellschaften, anstatt mit dem langen Finger auf die Energieverschmutzung der andern zu zeigen. Klar verbraucht der Deutsche pro Kopf doppelt soviel CO2, wie ein Chinese, dafür leben in China aber dreimal soviel Menschen, wie in der gesamten EU. Das ist so oder so eine krasse Verschmutzung der Atmosphäre für deren Folgen auch die zukünftigen Chinesen gerade zu stehen haben